sollten, als was speciell unseren Dom betrifft. Aehnlich wie dem Speyerer Dome war auch ihm das Schicksal bestimmt, der Erde gleich gemacht zuwerden. Schon hatten die Franzosen das Dachwerk in Brand gesteckt, Altäre und Kanzel, Bilder und Cruzifixe in Stücke geschlagen, die Leichname aus ihren Grüften gerissen und ihrer Kostbarkeiten beraubt, das Herz des 1683 gestorbenen Fürstbischofs Franz Emmerich mit den Füßen zertreten, weil sie in seinem Grabe die gehofften Schätze nicht gefunden; als sie jetzt auch Anstalten machten, den Dom in die Luft zu sprengen. In dem Kreuzgange hatten sie emsig an den Vorrichtungen zu diesem Schandwerke gearbeitet und machten nun die ersten Sprengversuche unter dem Westchore. Doch vergebens zündeten sie eine Mine nach der andern an: die starken Fundamente und Mauern widerstanden dem schändlichen Beginnen, und die Franzosen, von der Zeit gedrängt, mußten von ihrem Vorhaben abstehen. Und so steht, wie durch ein Wunder gerettet, unser Dom noch heute, zwar stark beschädigt, wie wir in der Einleitung gezeigt haben, doch gewiß nicht ohne Hoffnung auf eine dauernde Wiederherstellung.
Leider sollte der Dom im Jahre 1813 noch einmal die zerstörende Hand der Franzosen an sich fühlen. Bischof Johannes von Dalberg hatte, wie bereits erwähnt, im J. 1488 einen prächtigen Kreuzgang am Dome erbaut und es war ein fürchterliches Schicksal, welches diesem den Untergang bereitete. Als nämlich nach der Schlacht bei Leipzig ein Theil der Franzosen seinen Rückzug über Worms nahm, wurde der Kreuzgang sofort in ein Lazareth verwandelt. Unter den Truppen wüthete der Typhus auf das Entsetzlichste. Viele Tausende waren demselben schon zum Opfer gefallen und die Stadt selbst davon angesteckt.
Da soll Marshall Marmont, um der Seuche Einhalt zu thun, den gräulichen Befehl gegeben haben, den Kreuzgang in Brand zu stecken. So wurde in einer Nacht an Tausend Hilflose ein Raub der Flammen, ja die Kranken, die mit dem letzten Aufwand ihrer Kräfte den Versuch gemacht hatten, sich zu retten, stieß man wieder in das Feuer zurück. – Am Morgen war der prächtige Kreuzgang zu einem düsteren Leichenhügel zusammengesunken und erst im Jahre 1833 wurden die letzten Trümmer hinweggeräumt.
II. Der Dom in seinem gegenwärtigen Zustande.
Wenige Kirchen möchte Deutschland aufzuweisen haben, welche schon von weiter Ferne einen so erhebenden, überraschenden, ja selbst bewältigenden Eindruck hervorbringen, als dieses bei dem Wormser Dom der Fall ist. In räumlicher wie stylistischer Beziehung eines der großartigsten Gotteshäuser unseres Vaterlandes (der Dom ist 470‘ lang und 110‘ breit.), steigen kühn und prächtig am östlichen und westlichen Ende des Schiffes zwei 175 Fuß hohe Kuppeln empor, flankirt und überragt von vier gewaltigen Thürmen.
Treten wir nun näher vor den Dom, um seine einzelnen Bautheile, wie sie sich von Außen darstellen, genauer ins Auge zu fassen, so wird es nicht ungeeignet sein, mit dem nördlichen Portale zu beginnen. Abgesehen von den schönen, in der reichsten und mannigfaltigsten und doch so einheitlichen Ornamentik des romanischen Styles ausgeführten Capitälen dieses Portales und den interessanten Spuren von Temperagemälden im Bogenfelde desselben, nehmen zwei über diesem Portale angebrachten, in der Mitte in einem vorstehenden Winkel gekrümmten Säulen unsere Aufmerksamkeit in Anspruch. Diese Säulen trugen ehemals das berühmte Privileg Friedrichs I., das sogenannte Ehrendiplom, welches dieser Kaiser Worms verliehen hatte und durch welches die letzten Reste hofrechtlicher Lasten aufgehoben und ein unbelastetes Erbrecht garantirt worden war. Die Bürger der Stadt hatten dieß Privileg im Jahre 1180 in Kupfer mit goldenen Buchstaben gießen lassen. Leider ist diese Tafel, welche von enormen Umfange gewesen sein muß und welche ein Zeugniß davon ablegt, daß die Erzgießekunst schon damals in Worms eine bedeutende Stufe der Vollendung erreicht hatte, spurlos verschwunden.
Fassen wir nunmehr die Außenseite des Oestlichen Chores (1110 erbaut) in’s Auge, so bildet diese Facade in ihrem gradlinigen, massigen Abschlusse einen der imposantesten Theile des Domes. Die schönen Arkaden, welche auf Säulen ruhend als offene Galerie, geschmückt mit den abenteuerlichsten Thier- und Menschengestalten, über den Fenstern dieses Chorabschlusses hinlaufen, bewirken eine wohltuende Vertheilung diesen massenhaften Bauwerkes. – Eine auffalende Erscheinung ist es, daß während dieses Chor nach Außen den gradlinigen Abschluss zeigt, dasselbe im Innern sich halbkreisförmig darstellt. Kugler spricht darüber die Vermuthung aus (Dtsch. Kunstblatt von Eggers. Jahrgang 1854), daß man bei Errichtung der Kuppel (1110) eine stärkere Widerstandsmauer gehabt habe, als die ursprüngliche, auch nach Außen halbkreisförmige Apsis darbieten konnte, und daß man diesem Bedürfnisse durch den Aufbau dieser colossalen Quaderwand zu Hilfe gekommen sei.
Begeben wir uns nunmehr an das Südliche Hauptportal unseres Domes (1488 erbaut), so steht dies zwar in seiner spitzbogigen Struktur mit der sonstigen Bauweise des Domes in Widerspruche, aber dennoch möchten wir es um keinen Preis vermissen. Wie überhaupt in den Portalen des gothischen Styles sich die ganze Ideenfülle der mittelalterlichen Baumeister mit allen Mysterien ihrer Symbolik concentrirte, so finden wir auch an diesem Eingange neben vielem Anderen, wie in einer Encyklopädie, eine vollständige Geschichte der Erlösung dargestellt.
Zwei einander überragende, hoch hinansteigende Bogenhöhlungen, eingefaßt den schönsten Laubgränzen, umschließen eine Reihe biblischer Darstellungen der Art, daß der innere Bogen uns den alten, der äußere den neuen Bund vergegenwärtigt, und zwar immer so, daß die correspondirenden Darstellungen in bedeutsamen Beziehungen zu einander stehen. Uns zur Linken sehen wir die Statuen der vier Evangelisten unter schön gegliederten Baldachinen, zur Rechten die vier Hauptpropheten. Verfolgen wir nun zunächst die Darstellungen des alten Bundes, so sehen wir vorerst Gott mit der Weltkugel als Schöpfer, dann die Erschaffung des Weibes, die Vertreibung aus dem Paradise, Kain den Abel erschlagend, und in der Stirne des Portals: Noah, die Taube aussendend. Den Bogen abwärts: Abraham im Begriffe den Isaak zu opfern, die Errichtung der Schlange des Moses, Jonas von dem Walfische ausgespieen und Elias gen Himmel fahrend.
Betrachten wir nun die äußere Bogenreihe, den neuen Bund darstellend, so zeigt sich uns zuerst der englische Gruß, dann die Geburt Jesu, die Beschneidung, die Flucht nach Aegypten, der Kindermord und die Taufe Jesu durch Johannes. Den Bogen abwärts: die Geisselung, die Kreuzigung, die Auferstehung und die Himmelfahrt Christi. Das Ganze wird abgeschlossen durch Johannes, den Vorläufer Christi und durch Christus selbst als Lehrer.
Halten wir die einzelnen correspondirenden Gruppen des alten und neuen Testamentes zusammen, so stellen sich uns überall die schönsten Beziehungen dar. So die Erschaffung des Weibes neben der Geburt Christ, was offenbar sagen will, daß die Sünde, welche durch das Weib in die Welt gekommen, ebenso durch die Vermittlung des Weibes wieder getilgt worden ist; - die Schlange Moses neben Christus am Kreuze nach den Worten bei Johannes: So wie Moses eine Schlange in der Wüste erhöhte, so muß auch des Menschen Sohn erhöht werden. Jonas neben der Auferstehung Christi nach der Stelle bei Matth. 12,40. Und so durchweg. – Im Giebelfelde des Portals sehen wir Maria gekrönt und reitend auf einem der vier Evangelisten symbolisierenden Thiere, das Ganze den Triumph der Kirche darstellen.
Das Bogenfeld dieses Eingangs zeichnet sich durch eine wahrhaft vollendet gearbeitet Gruppe aus und stellt uns die Krönung Maria’s durch Christus dar; zur Rechten kniet Petrus, zur linken ein Bischof, wahrscheinlich Johannes von Dalberg, der Erbauer des Portals. Verschiedene Statuen sind noch an den Eckpfeilern angebracht. So links unter Anderen der große Bischof Burchard, eine Kirche auf der Hand tragend.
Besonders interessant sind vier allegorische Figuren zur rechten Seite des Einganges. Die erste, eine schöne liebliche Gestalt mit der Salbbüchse in der Hand, zu ihren Füßen zwei Knieende, versinnbildet uns den wahren Glauben; die zweite Figur mit dem zerbrochenen Scepter, das Judenthum; die dritte Figur, mit verhülltem Gesichte, vom Kopfe fallender Krone, in der Hand ein Böcklein und ein Messer, das Heidenthum; die vierte Gestalt, im Rücken den Körper bereits von Schlangen und Kröten zerfressen, im Gesichte aber immer noch etwas Verlockendes, den Unglauben. Das Piedestal der letzten Figur stellt einen Bock dar, die Trauben an den Reben abfressend. – Diese biblischen und dogmatischen Darstellungen waren seiner Zeit die eigentlichen Bücher des Volkes, welche es mit Leichtigkeit zu lesen verstand und nicht erst, wie heute, einer Erklärung derselben bedurfte.
Wer der Baumeister dieses herrlichen Portales war, wissen wir nicht. Auf dem Piedestal der Statue Bischof Burchards finden wir jedoch den Namen H. Ansel eingegraben. Ob dieser Mann, dessen Name in der Kunstgeschichte sonst unbekannt zu sein scheint,