Dante Alighieri

Die Göttliche Komödie


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die Qual.

       Einst eilen wir nach unserm Leib, doch kleiden

       Uns nie darein; denn was man selbst sich nahm.

       Will Gott uns nimmer wieder neu bescheiden.

       Wir schleppen ihn in diesen Wald voll Gram,

       Und jeder Leib wird an den Baum gehangen.

       Den hier zur ewgen Haft sein Geist bekam."

       Wir horchten auf den Stamm noch, voll Verlangen,

       Mehr zu vernehmen, als urplötzlich schnell

       Schrein und Getos zu unsern Ohren drangen.

       Als ob hier Eber, Hund und Jagdgesell,

       Die ganze Jagd, heran laut tosend brauste

       Mit Waldesrauschen, Schreien und Gebell.—

       Und sieh, linksher, zwei Nackende, Zerzauste,

       Fortstürmen, wie vom Äußersten bedroht,

       Daß das Gezweig zertrümmert kracht und sauste.

       Der Vordre schrie: "Zu Hilfe, Hilfe, Tod!"

       Dem andern schiens, daß es mehr Eile brauche;

       "Lan," rief er, "dort bei Toppo in der Not

       Schien nicht dein Fußwerk gut zu dem Gebrauche."

       Dann, weil erschöpft vielleicht des Odems Rest,

       Macht er ein Knäul aus sich und einem Strauche.

       Sieh schwarze Hunde, durchs Gestrüpp gepreßt.

       Schnell hinterdrein, die wild die Läufe streckten,

       Wie Doggen, die man von der Kett entläßt.

       Sie schlugen ihre Zahn in den Versteckten,

       Zerrissen ihn und trugen stückweis dann

       Die Glieder fort, die frischen, blutbefleckten.

       Mein Führer faßte bei der Hand mich an

       Und führte mich zum Busche, der vergebens

       Aus Rissen klagte, welchen Blut entrann.

       Er sprach: "Was machtest du doch eitlen Strebens,

       O Jakob, meinen Busch zu deiner Hut?

       Trag ich die Schulden deines Lasterlebens?"

       Mein Meister, dessen Schritt bei ihm geruht,

       Sprach: "Wer bist du? Warum aus so viel Rissen

       Hauchst du zugleich die Schmerzensred und Blut?"

       Und er: "Die ihr gekommen, um zu wissen,

       Wie harte Schmach ich hier erdulden muß,

       Zu sehn, wie man mir so mein Laub entrissen.

       O sammelts an des traurgen Stammes Fuß.

       Ich bin aus jener Stadt, die statt des alten

       Den Täufer wählt als Schutzherrn. Voll Verdruß

       Wird jener drum als Feind ihr grausam walten,

       Und hätte man nicht noch sein Bild geschaut.

       Das dort sich auf der Arnobrück erhalten.

       Die Bürger, die sie wieder aufgebaut

       Vom Brand des Attila, aus Schutt und Grause,

       Sie hätten ihrer Müh umsonst vertraut.

       Den Galgen macht ich mir aus meinem Hause."

      Vierzehnter Gesang

      Weil ich der Vaterstadt mit Rührung dachte,

       Las ich das Laub, das ich, das Herz soll Leid,

       Zurück zum Stamm, der kaum noch ächzte, brachte.

       Drauf kamen wir zur Grenz in kurzer Zeit

       Vom zweiten Binnenkreis und sahn im dritten

       Ein krauses Kunstwerk der Gerechtigkeit.

       Denn dort eröffnete vor unsern Schritten

       Und unsern Blicken sich ein ebnes Land,

       Des Boden nimmer Pflanz und Gras gelitten.

       Und wie sich um den Wald der Graben wand,

       War dieses von dem Schmerzenswald umwunden.

       Hier weilten wir an beider Kreise Rand.

       Dort ward ein tiefer, dürrer Sand gefunden.

       Der dem, den Catos Füße stampften, glich,

       Wie wir vernehmen aus den alten Kunden.

       O Gottes Rache! Jeder fürchte dich,

       Dem, was ich sah, mein Lied wird offenbaren,

       Und wende schnell vom Lasterwege sich.

       Denn nackte Seelen sah ich dort in Scharen,

       Die, alle klagend jämmerlich und schwer,

       Doch sich nicht gleich in ihren Strafen waren.

       Die lagen rücklings auf der Erd umher,

       Die sah ich sich zusammenkrümmend kauern.

       Noch andre gingen immer hin und her.

       Die Mehrzahl mußt im Gehn die Straf erdauern.

       Der Liegenden war die geringre Zahl,

       Doch mehr gedrängt zum Klagen und zum Trauern.

       Langsamen Falls sah ich mit rotem Strahl

       Hernieder breite Feuerflocken wallen,

       Wie Schnee bei stiller Luft im Alpental.

       Wie Alexander einstens Feuerballen,

       Fest bis zur Erde, sah auf seine Schar

       In jener heißen Gegend Indiens fallen,

       Daher sein Volk, vorbeugend der Gefahr,

       Den Boden stampfen mußt, um sie zu töten,

       Weil einzeln sie zu tilgen leichter war;

       So sah ich von der Glut den Boden röten;

       Wie unterm Stahle Schwamm, entglomm der Sand,

       Wodurch die Qualen zwiefach sich erhöhten.

       Nie hatten hier die Hände Stillestand,

       Und hier- und dorthin sah ich sie bewegen,

       Abschüttelnd von der Haut den frischen Brand.

       Da sprach ich: "Du, dem alles unterlegen,

       Bis auf die Geister, die sich dort voll Wut

       Am Tor zur Wehr gestellt und dir entgegen.

       Wer ist der große, welcher, diese Glut

       Verachtend, liegt, die Blicke trotzig hebend,

       Noch nicht erweicht von dieser Feuerflut?"

       Und jener rief, mir selber Antwort gebend,

       Weil er gemerkt, daß ich nach ihm gefragt,

       Uns grimmig zu: "Tot bin ich, wie einst lebend.

       Sei auch mit Arbeit Jovis Schmied geplagt,

       Von welchem er den spitzen Pfeil bekommen,

       Den er zuletzt in meine Brust gejagt;

       Zur Hilfe sei die ganze Schar genommen,

       Die rastlos schmiedet in des Ätna Nacht;

       Hilf, hilf, Vulkan, so schrei er zornentglommen,

       Wie er bei Phlägra tat in jener Schlacht;

       Mit aller Macht sei das Geschoß geschwungen,

       Gewiß, daß nie ihm frohe Rache lacht—"

       Da hob so stark, wie sie mir nie erklungen,

       Mein Meister seine Stimm, ihm zuzuschrein:

       "O Kapaneus, daß ewig unbezwungen

       Dich Hochmut nagt, ist deine wahre Pein,

       Denn keine Marter, als dein eignes Wüten,