Sie?" lächelte das junge Mädchen.
„Das Leben selber," erwiderte Holleck ernst. „Ich muß mir eine Existenz gründen, denn schon so lange habe ich mich zweck- und nutzlos in der Welt umhergetrieben, und es wird Zeit, daß ich endlich einmal selbstständig auftrete und mein eigener Herr werde."
„Und ließe sich das nicht hier in Sidney eben so leicht erreichen?"
„Vielleicht, ja - aber keinenfalls so schnell, denn Alle, die da oben an der Quelle sitzen, ziehen auch den größten und schnellsten Nutzen aus dem Gold, das die nächsten Monate zu Tage schaffen werden."
„Und Sie glauben wirklich, daß die Berge so reich sind?"
„Ja - nach Allem, was ich jetzt darüber gehört und davon gesehen - und wenn mir dann meine Arbeit gelingt - wenn ich nachher den Vater überzeugen kann -" /37/
„Der Vater glaubt noch immer nicht all' die Gerüchte, die jetzt die Stadt durchlaufen," unterbrach ihn Pauline, und ein eigenes ängstliches Gefühl drückte ihr dabei die Brust zusammen. „Er - wird Ihnen gewiß recht dankbar sein, wenn Sie ihm gewisse Kunde von da oben bringen können -"
„Und was wird die Tochter thun?" frug Holleck mit leiser Stimme, die kaum zu Paulinens Ohren drang und doch durch alle ihre Nerven wie ein Messer schnitt.
„Wer? - ich?" sagte sie und war sich der Worte, die sie sprach, kaum bewußt - „oh, gewiß würde ich mich recht freuen, wenn Sie - wenn Sie Glück in den Bergen hätten - aber - es ist ein wildes Land und - nicht Jeder fühlt sich wohl dort oben."
„Und wenn ich dann vor Paulinen hinträte," fuhr Holleck dringender fort - „wenn ich sie dann früge, oh sie -"
„Aber Du thust mir ja weh," rief die kleine Therese dazwischen - „sieh nur, wie Du mich mit Deiner alten häßlichen Kette gegen den Tisch gedrängt hast -"
„Da ist auch die Mutter schon wieder mit dem Brief," rief Pauline, als sie daneben eine Thür gehen hörte, und es war ihr in dem Augenblick, als ob eine Last von ihrer Seele genommen würde.
Holleck war aufgesprungen, und ein fliegendes Roth ergoß sich ihm über Stirn und Wangen; aber es blieb ihm keine Zeit, seine unterbrochene Werbung zu betreiben, denn in demselben Moment ging die Thür wieder auf und Mrs. Pitt trat mit dem Couvert in der Hand ein.
„Nun, bin ich lange geblieben?" frug sie lächelnd, indem sie ihm den Brief hinüber reichte - „ich habe ihm aber auch wirklich nur kaum zwei Zeilen geschrieben."
,,Sieh nur, Mama, wie mich Onkel William gedrückt hat," rief die kleine Therese, die es ärgerte, daß sie gar nicht beachtet wurde.
„Er soll pünktlich besorgt werden," sagte Holleck, den Brief in sein Taschenbuch legend, und er mußte sich dabei Gewalt anthun, gerade in diesem Augenblick ruhig und unbefangen zu erscheinen.
„Und wollen Sie wirklich schon fort?" /38/
„Es ist gleich zwei Uhr, und ich werde kaum noch eine halbe Stunde für mich übrig haben."
„Also nochmals die herzlichsten, herzlichsten Grüße für Charley, und er soll gleich, gleich schreiben, oder am allerliebsten selber kommen, denn der Vater hat ja auch hier für ihn genug und übergenug zu thun."
„Goodbye! mein kleines Schätzchen," sagte Holleck, die Kleine von der Erde aufnehmend und küssend - „und hast Du nichts an Bruder Charles zu bestellen?"
„Er soll sich vor den bösen Bushrangern in Acht nehmen," rief die Kleine, „und sie lieber alle miteinander todtschießen."
Holleck küßte sie nochmals auf die Stirn und setzte sie wieder auf den Boden nieder.
„Leben Sie wohl, Miß Pauline - hoffentlich kehr' ich recht bald und mit recht guten Aussichten zurück. Leben Sie wohl, Mrs. Pitt," und mit den Worten griff er seinen Hut auf und verließ rasch das Zimmer.
„Wie war Mr. Holleck eigentlich heute so sonderbar," sagte die Mutter, als er schon eine ganze Weile die Stube verlassen und Pauline ihren Platz am Nähtisch wieder eingenommen hatte, „kam Dir das nicht auch so vor, Kind?"
„Ich weiß nicht, liebe Mutter," sagte das junge Mädchen, und war froh, daß die Mutter in dem Augenblick am Fenster stand und hinaussah - „es ist mir nichts Besonderes an ihm aufgefallen. Wäre es bei Dir vielleicht seine veränderte Kleidung gewesen?"
„Das könnte sein," sagte die Frau - „aber er war so unruhig, so verstört. - Nun, sieh nur um Gottes willen, was da wieder für Menschen in die Berge hinaufziehen. Drei, vier, fünf Karren hinter einander und die ganze Fracht mit schwerem Handwerkszeug ordentlich besteckt. Wo nur die Leute alle da oben Platz finden, und was es da wieder für Mord und Todtschlag geben wird, des leidigen Goldes wegen. Ach ich wollte, Charley wäre hier - mir ist das Herz schon bis zum Brechen schwer."
Und sie trat vom Fenster zurück, setzte sich auf das Sopha, stützte den Kopf in die Hand und schaute still und gedankenvoll vor sich nieder. - Pauline saß ebenfalls schweigend mit /39/ ihrer Arbeit beschäftigt am Nähtisch, und nur die kleine Therese hatte sich ihren Gummiball aus der Ecke geholt und rollte ihn fröhlich und behend in der Stube herum. - Was wußte das Kind von Sorgen, Plänen oder Träumen!
Noch saßen sie so, als ein schwerer Schritt auf der Treppe gehört wurde und eine fremde Stimme draußen frug:
„Mr. Pitt zu Haus?"
Die Mutter fuhr empor, denn nur mit den Gedanken an den Sohn beschäftigt, bezog sie Alles auch nur auf ihn. Ehe draußen erwidert werden konnte, hatte sie schon die Thür geöffnet, aber der Mann brachte ihr keine Nachricht aus den Bergen. Sie kannte ihn: es war der Capitain der in der Bai ankernden Brig, der für ihren Gatten eine Ladung Mehl von Valparaiso gebracht hatte und jetzt nur wahrscheinlich kam, um die neue Ladung nach Neuseeland mit ihm zu besprechen.
„Ah guten Morgen, Mrs. Pitt - Mr. Pitt zu sprechen?"
„Guten Morgen, Capitain Becker," sagte die Frau - „treten Sie nur ein - ich höre meinen Mann eben auf der Treppe; er wird gleich herauskommen."
„Hallo, Becker?" rief Mr. Pitt, der seine Stimme erkannt hatte, schon von der Treppe aus, indem er heraufstieg - „nun, was bringen Sie Gutes?"
„Verdammt wenig, Sir," sagte der Deutsche, gerade nicht in der Stimmung, sehr wählerisch mit Worten zu sein - „die ganze Mannschaft ist zum Teufel!"
„Alle Wetter, die ganze?" frug Pitt, an der obersten Stufe erstaunt halten bleibend.
„Die ganze," bestätigte der Seemann, und mußte sich Gewalt anthun, nicht noch einen derberen Fluch hintennach zu schicken. „Selbst der lumpige Schiffsjunge und der Koch sind durch die Lappen gegangen und, die Ratten ausgenommen, der Steward und ich jetzt die einzigen lebenden Wesen an Bord. - S' ist, Gott straf' mich, zum Halsabschneiden mit der verwünschten Bande."
Mr. Pitt lachte. „Das habe ich mir wohl gedacht," sagte er endlich, „ich weiß auch wirklich nicht, weshalb wir etwas vor den übrigen Schiffen voraus haben sollten? Daß /40/ sie nur noch s o lange geblieben sind, wundert mich, denn der Talbot, der Boreas, der Delphin haben schon alle lange keinen Mann mehr an Bord."
„Soll mich auch wohl noch bei den Schuften bedanken, daß sie sich haben die paar Tage, wo beinahe gar nichts zu thun war, gefälligst füttern lassen," brummte der Capitain, der mit in die Stube getreten war und sich zu einem noch auf dem Tisch stehenden Glas Sherry verhalf - „aber die ganze Wasserpolizei ist hinter ihnen her. Ich bin den ganzen Morgen schon seit Tagesanbruch auf den Beinen, und nichts ist versäumt, um sie wieder aufzubringen, wenn sie eben noch zu kriegen sind."
„Wenn sie eben noch zu kriegen sind," lachte Mr. Pitt. „Da wird's aber wohl hapern. Ist denn Ihr erster Mate auch mit?"
„Der lag ja im Hospital," sagte der Capitain, „aber es geht ihm wieder besser. Ich war auch heute Morgen schon bei ihm und er wird heut Abend wieder ausgehen, um die Wasserpolizei ein wenig zu unterstützen. Was fange ich jetzt an, wenn ich meine Mannschaft nicht wieder kriege? Und frische Seeleute zu miethen, wenn sie wirklich zu bekommen wären, ist ganz unmöglich,