Ewa A.

Just a little Teenage-Dream


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sondern … nennen wir es drall, war es schier unmöglich gewesen, etwas zu finden, in dem ich nicht wie eine Schneelawine aussah. Nach ein paar Änderungen saß das Kleid perfekt und ich hoffte, innerhalb der letzten drei Wochen vor meiner Hochzeit nicht mehr zuzunehmen.

      Peter, mein Verlobter, wollte, dass wir uns um die Mittagszeit bei ihm zu Hause trafen. Da ich nach der Heirat bei ihm einziehen sollte, war meine Wohnung bereits zum Ende des nächsten Monats gekündigt, mit Umzug-Kartons vollgestopft und dementsprechend ungemütlich. Also fuhr ich gleich vom Brautladen aus zu Peter.

      Der weiße Wagen meiner Arbeitskollegin Desiree parkte ebenfalls schon vor seinem Haus, was mich nicht überraschte. Wir hatten nämlich vereinbart, uns bei ihm zu treffen, um gemeinsam in einer Gärtnerei, den Tischschmuck für die Festtafel auszusuchen.

      Desiree hatte mich in den letzten Wochen bei den Vorbereitungen zur Hochzeit sehr unterstützt. Ich war froh, eine so gute Freundin wie sie gefunden zu haben. Sie ging sogar mit Peter den Hochzeits-Anzug aussuchen, da ich an jenem Tag doch nicht frei bekommen hatte, weil mein doofer Chef, Herr Becker, mal wieder ganz spontan auf eine Geschäftsreise gehen musste. Und ich war damals die Auserwählte gewesen, die kurzfristig seine Reise, wie auch die Vertretung für seine Abwesenheit, hatte arrangieren dürfen.

      Überladen mit Tüten voller Lebensmittel stolperte ich nun den schmalen Weg entlang, durch den gepflegten Vorgarten, auf das Reihenhaus meines Verlobten zu. Ich klingelte mit dem Ellenbogen und Peter öffnete mir die Tür. Da mir fast die Arme vom Gewicht meines Einkaufs abfielen, rauschte ich mit einem platten „Hallo“ an ihm vorbei, direkt in die Küche und stellte meinen Ballast auf der Kücheninsel ab.

      Peters Wohnung war gegen meine Schuhschachtel riesig. Natürlich verdiente er, als zweiter Geschäftsführer (sein Vater ist übrigens erster) einer Großbäckerei, um einiges mehr als ich.

      Sofort machte ich mich daran, die Lebensmittel auszupacken und in den Schränken zu verstauen. Nebenher plapperte ich munter drauflos: „Gott sei Dank, das mit dem Kleid wäre erledigt. Jetzt müssen wir uns nur noch wegen der Blumen einig werden. Das Probeessen vom Catering ist ja erst nächste Woche und …“

      Peter war mir in die Küche gefolgt. Mit ernster Miene schaute er mir bei der Arbeit zu. „Karen, wir müssen reden.“

      Etwas verwirrt blinzelte ich ihn an. Taten wir das denn nicht gerade?

      Mit einem schuldbewussten Ausdruck auf seinem einnehmenden Gesicht wartete er auf eine Reaktion von mir. Seine blonde Prinzen-Föhn-Frisur lag wie immer perfekt. Angespannt biss er die Zähne zusammen, so dass sein Kirk-Douglas-Gedächtnisgrübchen noch tiefer wurde.

      War er nervös?

      Mittlerweile war Desiree hinter ihn getreten und begrüßte mich flötend über seine Schulter hinweg: „Hallo, Karen.“

      „Hi, Desiree. Schön, dass du schon da bist“, erwiderte ich lächelnd und wandte mich dann leicht genervt wieder an meinen Verlobten. „Oh nein, sag nicht, dass die Band abgesagt hat?“

      „Nein, … es geht nicht darum.“ Peter rieb sich seine Unterarme. Ein weiteres Anzeichen für seine Nervosität. Langsam hörte ich mit dem Auspacken auf.

      Desiree, wie immer topgestylt in einem schwarzen Mini, viel zu hohen High-Heels und einem roten Shirt mit schwarzen Tupfen, erinnerte mich an einen überdimensionalen Marienkäfer. Gebannt betrachtete sie Peter von der Seite. Ihr akkurat geschnittener Pagenkopf leuchtete bronzefarben in den gleißenden Sonnenstrahlen, die durch die breite Fensterfront hereinfielen. Der grellrot geschminkte Mund lächelte erwartungsvoll. Staubkörnchen tanzten wie Konfetti durch die Luft. Es roch nach Kaffee, den Peter kurz zuvor aus dem Kaffeevollautomaten herausgelassen hatte.

      „Um was geht es denn?“, fragte ich tonlos.

      Und dann kam die Antwort, auf die ich nicht vorbereitet war. Zwei Wörter nur, die alles veränderten.

      „Um uns.“ Peter schluckte, ich sah seinen Adamsapfel hüpfen.

      Desiree begutachtete mich lauernd. Ihre Lippen waren leicht geöffnet.

      Mein Blick wechselte von ihr zu ihm. „Sollten wir nicht - nachher darüber reden?“

      Fassungslos stand ich da, mit einer Zehnerpackung weißer Bio-Eiern aus Freilandhaltung in den Händen. Peter senkte sein Haupt und wich auf diese Weise meinem Blick aus.

      Plötzlich lag Desirees manikürte Hand auf seiner Schulter. Ihre spitzen, roten Fingernägel krallten sich leicht in sein weißes Polohemd. Prompt hob sich sein Kopf wieder mir entgegen, als hätte er aus dieser Geste Mut geschöpft.

      „Nein, es kann nicht länger warten“, sagte er entschlossen.

      Diesmal schluckte ich, denn diese Hand, die auf seiner Schulter lag, sagte mir bereits alles. Sein um Vergebung heischender Blick und Desirees hämisches Grinsen wären gar nicht mehr nötig gewesen, um mir klar zu machen, was gleich auf mich zukommen würde.

      Langsam schüttelte ich meinen Kopf. Das konnte nicht sein!

      „Nein! Nein, nein“, kam es leise über meine Lippen, denn ich glaubte, es aufhalten zu können.

      Doch Peter sprach ungerührt weiter. „Ich kann dich nicht heiraten … Ich wollte es dir schon früher sagen, glaub mir, aber …“ Sein Flüstern erstarb. Erneut holte er Luft. „Keiner von uns hat es geplant. Es ist einfach passiert.“ Sein „Wir lieben uns einfach, Karen!“ ließ mich qualvoll aufschluchzen.

      Wo war plötzlich der Boden hin? Ich schwebte über einem Abgrund. Auf einmal war nichts mehr wie zuvor. Während die Welt auf dem Kopf stand, war meiner wie leergefegt. Aber gleich darauf füllte er sich mit all den Kleinigkeiten, die ich wochenlang für die Hochzeit vorbereitet hatte. Mein Kleid, der Pfarrer, die Kirche, das Catering …

      Ich stellte die Eier ab und hielt mich an der kalten Granitplatte der Kücheninsel fest. In jenem Moment schien mir die das einzige Stabile in meinem Leben zu sein, an dem ich mich festhalten konnte. Mit kugelrunden Augen starrte ich die beiden an und fragte völlig konfus: „Und was machen wir mit dem Hochzeitstisch in Rossners Geschenkeladen?“

      Desiree räusperte sich kurz, um mir dann grausam lächelnd die nächste Bombe an den Kopf zu werfen. „Ach, ich denke das ist kein Problem. Wir tauschen einfach die Namen auf dem Tischkärtchen aus. Statt Peter und Karen wird es dann Peter und Desiree heißen.“

      Ich quiekte hysterisch auf wie ein kleines Schweinchen, das zur Schlachtbank geführt wurde.

      Ausgetauscht! Ich wurde ausgetauscht … So einfach war das.

      „Und das Kleid?“, stammelte ich. „Willst du das auch?“

      Abfällig lachend verneinte Desiree, so dass ihre glatten Haare synchron um ihr Gesicht wogten. „Sei nicht albern! Wie soll ich noch so schnell zunehmen, damit ich da reinpasse?!“

      Mein Gehirn arbeitete mittlerweile auf Autopilot und verzweifelt suchte ich nach Peters Beistand. Das konnte nur ein Scherz sein, oder?

      „Aber, aber was sagen deine Eltern …? Die, die Hochzeitsfeier ... bei euch?“, stotterte ich hoffnungsvoll.

      Wieder meldete sich Desiree zu Wort. Peter war schon längst verstummt und glotzte nur noch zwischen ihr und mir hin und her, wie ein gehetztes Kaninchen beim Tennis.

      „Sie werden erleichtert aufatmen. Schon lange reden sie auf Peter ein, dass er dich verlassen soll. Wusstest du das nicht? Du kommst nun mal nicht aus unseren Kreisen“, frohlockte meine adrette Arbeitskollegin.

      „Nein!“, flüsterte ich ungläubig. „Stimmt das, Peter?“

      „Das spielt jetzt keine Rolle mehr, Karen“, meinte er lahm und scheute noch immer den Augenkontakt mit mir.

      Ich schluckte. Ja, jetzt ergab einiges am Verhalten seiner Eltern Sinn. Dieses aufgesetzte Lächeln seiner Mutter, ihre pikierte Art und Weise mir gegenüber, als hätte ich sie beleidigt. Dieser herablassende und zugleich abwägende Blick seines Vaters. Alles passte nun zusammen. Deswegen war ich mir nie wie die angehende Schwiegertochter