ertränkt in einer Kloake. Der englische König Heinrich VI. stirbt, verraten von den Seinen, eines gewaltsamen Todes. Loyseleur wird vom Kapitel zu Rouen verworfen, er stirbt in Basel, wohin er geflüchtet, plötzlich.
Am 21. September 1435 kommt das große Ereignis zustande, dass das Königreich in Staunen versetzt: der Herzog von Burgund versöhnt sich mit Karl VII.; diese Einigung stärkt unberechenbar die Waffenkraft Frankreichs. Am 16. April 1436 nimmt der Connetable Richemont im Namen des Königs Besitz von Paris; am 12. November hält der Herrscher seinen feierlichen Einzug. Der Herzog Karl von Orleans kehrt 1440 aus der englischen Gefangenschaft zurück.
Allmählich unterwirft ganz Frankreich sich dem gesetzmäßigen Herrscher, die Engländer sind vom Lande vertrieben: 1449 kehrt die Normandie in französichen Besitz zurück. 1451 Guyenne. Talbot versucht das Verlorene zurückzuerobern. Am 17. Juli 1453 findet er in der furchtbaren Schlacht bei Castillon den Tod. Am 9. Oktober 1453 nannten die Engländer nur noch ihren alten Seehafen Calais ihr eigen. Karl VII. herrschte nun ganz über das eroberte Land.
Wie mag dem König nur zumute gewesen sein, als er zum ersten Male das wiedereroberte Rouen betrat, den Ort, wo die Heldenjungfrau litt und starb? Die Erinnerungen lassen ihn nicht los. Er erlässt eine Aufforderung an Wilhelm Bouillé, den gelehrten Doktor der Theologie, genaueste Erkundigungen über den Prozess einzuziehen, wegen dem Jeanne, wie er sagt, „durch den großen Hass der Feinde grausam sterben musste“. Auf Betreiben der Familie von Jeanne d'Arc bereitet man in Rom den Rehabilitierungsprozess vor.
Im Dome Unserer Lieben Frau zu Paris warten als Delegierte des Papstes Erzbischof Johann Juvénal des Ursins von Reims und der Bischof Wilhelm Chartier und Jean Bréhal, Inquisitor Frankreichs. Die Pforte tut sich auf und herein tritt eine Dame in Trauer, gestützt auf den Arm ihres Sohnes. Es ist die Mutter von Jeanne d'Arc und deren Bruder Peter. In der Hand hält sie ein Schreiben von Papst Calixtus III. Sie kniet nieder und erzählt unter Schluchzen einfach und schlicht den Lebensgang ihrer Tochter Jeanne und bittet, mit Hilfe ihres Rechtsanwaltes Peter Maugier in Gegenwart noch vieler kirchlicher und weltlicher Persönlichkeiten um Revision des ungerechten Urteils. Die Mutter will sich ganz dem Urteile der Kirche, wie immer es sei, unterwerfen. Am 17. November folgte in ihrem Beisein im bischöflichen Palais eine Beratung der angesehensten Theologen der Zeit. Der folgten Vorladungen der Zeugen. Die Eröffnung des gerichtlichen Verfahrens wurde an den Kirchentüren bekannt gegeben. Nun stehen die Zeugen auf, im ganzen 115: Graf Dunois, Raoul de Gaucourt in Orleans, in Paris der Herzog von Alençon, in Rouen der Gelehrte Seguin von Seguin, Johann d'Aulon reicht schriftlichen Bericht ein.
In Paris prüfen die Delegierten des Apostolischen Stuhles die Unterlagen. In Rouen reiht sich Sitzung an Sitzung, aber niemand meldet sich, das gesammelte Material zu widerlegen.
Am 7. Juli 1456 wird im erzbischöflichen Palais zu Rouen der end-gültige Urteilsspruch durch den Erzbischof von Reims, Johann Juvénal des Ursins feierlich verkündet. Es sind zugegen die Bischöfe von Paris und Coutances, der Generalinquisitor Frankreichs Johann Bréhal, ein Bruder Jeann d'Arcs, der Dominikaner Fr. Martin Ladvenu, eine Schar auserlesener Theologen und Laien. Tiefe Stille herrscht im Saale. Andachtsvoll lauscht die Menge. Da ertönen die Schlussworte:
„Wir sagen, sprechen aus, setzen fest und verkünden, dass besagter Prozess und die Urteilsgründe tatsächlich und von Rechts wegen von Betrug, Verleumdung, schwerer Ungerechtigkeit, Inkonsequenz und offenbaren Irrtümern angefüllt sind; wir sagen, dass sie, sowohl als die oben angeführte Abschwörung, ihre Ausführung und alles, was folgte, null und nichtig, ohne Wert und Wirkung gewesen sind, sind und sein werden. Dessen ungeachtet zerreißen wir sie, vernichten sie, heben wir sie auf und erklären sie für wirkungslos, so weit als nötig und es die Vernunft befiehlt.“
Dieses Urteil findet im ganzen Lande begeisterten Widerhall.
Einmal begonnen, ruhte man nicht. Gleichviel interessierte man sich in Orleans und Rom. Der Erzbischof Touchet war die Seele der neuen Untersuchung über das Heroische von Jeanne d'Arcs Tugend. Leo XIII., der Papst, prägte indessen das schlichte und doch so tiefe Wort: „Ioanna nostra est. Johanna gehört uns.“ Auf seinem Sterbebette freute er sich, dass man in Orleans seiner in frommer Fürbitte bei der Heldenjungfrau gedenke.
Am 18. April 1909 pflückte Papst Pius X., der kindlichfromme Heilige Vater, die reife Frucht langer Geistesarbeit. 40'000 Franzosen, unter ihnen Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe, Mitglieder des Parlamentes, Offiziere, ein Herzog von Alecon, Nachfahren der Familie d'Arc eilen zur St. Peterskirche in Rom, um Zeuge der Seligsprechung von Jeanne d'Arc zu sein. Freudenfeste folgen in ganz Frankreich und fernab in den Kolonien.
Doch naht ein Hochfest für die ganze christliche Welt. Erzbischof Touchet von Orleans ist am 6. Januar 1910 im Namen vieler französischer Kirchenfürsten der offizielle Antragsteller zur Heiligsprechung Jeannes. Die Wunder auf Fürbitte Jeannes werden von der Ritenkongregation bestätigt. Konsistorialsitzungen folgen. Dann kommt der Tag, auf den Jahrhunderte gewartet. Wieder eilen Tausende nach Rom, jene, die auserlesen sind durch die Bande der Familie, den Adel der Geburt, die Würde des Amtes, den Segen frommen Wesens, 60 Mitglieder der Familie d'Arc, der belgische König, Herzog und Herzogin von Vendôme, der Kardinal Begin von Quebec mit 2 Erzbischöfen, 3 Bischöfen und 20 Priestern aus Kanada. Frankreichs offizieller Vertreter war der frühere Außenminister Nanotaux, der sich als Historiker mit Jeannes Leben befasste, ferner sechs Kardinäle, 69 Bischöfe Frankreichs, 16 Missionsbischöfe und mehr als 600 Priester. Die historische Wahrheit der zitierten Worte der jungen Frau ist nicht verbürgt. Für meinen dokumentarischen Abriss des Stoffes standen zahlreiche Verfilmungen der Geschichte Pate.
Ein Kreuz mit dem Kreuz
Und noch einmal soll uns ein Urteil zum Kreuz und unterm Kreuz beschäftigen. Dieses allerdings 550 Jahre später. Ein Aufschrei der Empörung ging durch die ehemalige „Hauptstadt der Bewegung“. Der bayerische Volkszorn kochte. Das Urteil des höchsten deutschen Gerichts ließ die damalige „Stoiber-Republik“ erzittern. In diesem sogenannten „Kruzifix-Urteil“ des BVerfG heißt es u.a.:
„1. Art. 4 1 GG schützt die Glaubensfreiheit. Die Entscheidung für oder gegen einen Glauben ist danach Sache des einzelnen, nicht des Staates. Der Staat darf ihm einen Glauben oder eine Religion weder vorschreiben noch verbieten. Zur Glaubensfreiheit gehört aber nicht nur die Freiheit, einen Glauben zu haben, sondern auch die Freiheit, nach den eigenen Glaubensüberzeugungen zu leben und zu handeln. Insbesondere gewährleistet die Glaubensfreiheit die Teilnahme an den kultischen Handlungen, die ein Glaube vorschreibt oder in denen er Ausdruck findet. Dem entspricht umgekehrt die Freiheit, kultischen Handlungen eines nicht geteilten Glaubens fernzubleiben. Diese Freiheit bezieht sich ebenfalls auf die Symbole, in denen ein Glaube oder eine Religion sich darstellt. Art. 4 1 GG überlässt es dem einzelnen zu entscheiden, welche religiösen Symbole er anerkennt und verehrt und welche er ablehnt. Zwar hat er in einer Gesellschaft, die unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen Raum gibt, kein Recht darauf, von fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen verschont zu bleiben. Davon zu unterscheiden ist aber eine vom Staat geschaffene Lage, in der der einzelne ohne Ausweichmöglichkeiten dem Einfluss eines bestimmten Glaubens, den Handlungen, in denen dieser sich manifestiert, und den Symbolen, in denen er sich darstellt, ausgesetzt ist. Insofern entfaltet Art. 4 I GG seine freiheitssichernde Wirkung gerade in Lebensbereichen, die nicht der gesellschaftlichen Selbstorganisation überlassen, sondern vom Staat in Vorsorge genommen worden sind. Dem trägt auch Art. 140 GG i. V. mit Art. 13 6 IVWRV dadurch Rechnung, dass er ausdrücklich verbietet, jemanden zur Teilnahme an religiösen Übungen zu zwingen.
Art. 4 1 GG beschränkt sich allerdings nicht darauf, dem Staat eine Einmischung in die Glaubensüberzeugungen, -handlungen und -darstellungen einzelner oder religiöser Gemeinschaften zu verwehren. Er erlegt ihm vielmehr auch die Pflicht auf, ihnen einen Betätigungsraum zu sichern, in dem sich die Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet entfalten kann, und sie vor Angriffen oder Behinderungen von Anhängern anderer Glaubensrichtungen oder konkurrierender Religionsgruppen zu schützen. Art. 4 1 GG verleiht dem einzelnen und den religiösen Gemeinschaften aber grundsätzlich keinen Anspruch darauf, ihrer Glaubensüberzeugung mit staatlicher Unterstützung Ausdruck zu verleihen. Aus der Glaubensfreiheit des Art. 4 I GG folgt im Gegenteil der Grundsatz staatlicher Neutralität gegenüber den