Kaiserin Sisi war ihr Leben lang eine Getriebene. Das Bild, das die Schmalzfilme von ihr zeichnen, stimmt vorne und hinten nicht. Lebenslang von einem Ort zum anderen wechselnd, hat sie sich dennoch nirgendwo geborgen gefühlt.
Ruhelos jagte sie durch Europa und den Orient. Dabei wohnte sie nicht nur in Schlössern und Burgen, sondern auch in Villen, Landhäusern, Hotels, Jagd- und Berghütten sowie in Schiffskajüten. Die angemietete Luxushotels mussten oft erst nach den Wünschen der Kaiserin umgebaut werden. Sie brachte es sogar fertig, sich ohne langes Fragen in einem Privatquartier einzunisten.
Der Kaiservilla in Bad Ischl stand Kaiserin Sisi mehr als zwiespältig gegenüber
Oft blieb sie mit ihrem 60-köpfigen Tross nur wenige Tage, dann befiel sie schon wieder eine Unruhe. Sie war pausenlos in Bewegung und mutete ihren Begleitern Gewaltmärsche bis zur völligen Erschöpfung zu. „Man soll nur so lange als nötig in den Häusern seine Stunden verbringen“, gab sie als Motto aus. Viel wohler als in Schlössern fühlte sie sich „unter stinkenden Fellachen auf dem Basar von Kairo oder auf den überfüllten Straßen von Neapel“.
Dabei waren ihre Wohnwelten verblüffend unterschiedlich. Die Wiener Hofburg hasste sie von Haus aus, der Kaiservilla in Bad Ischl und Schloss Schönbrunn stand sie mehr als zwiespältig gegenüber. Ihre Fluchtburgen auf Madeira, Mallorca und Korfu, besonders Schloss Miramare bei Triest und Schloss Trauttmannsdorf bei Meran liebte sie. Sie fühlte sich zu einfachsten Unterkünften hingezogen, gab sich aber auch dem pompösen Lebensstil leidenschaftlich hin. Sie investierte immense Summen in den Bau des Achilleions in Korfu, das sie aber kurz nach der Fertigstellung nicht mehr interessierte.
Die junge schöne Kaiserin
Der ideale Aufenthaltsort ließ sich aufgrund ihrer gespaltenen Persönlichkeit letztlich nicht finden. Dem stand auch ihr Fatalismus entgegen. Sisi riskierte beim Reiten, in den Bergen wie auf See stets ihr Leben. „Es dürfen mich auch nur Menschen begleiten, die entweder nichts mehr zu verlieren oder mit dem Leben überhaupt abgeschlossen haben.“ Sie war nach vielen Schicksalsschlägen ganz einfach lebensmüde.
Zweifellos war die Kaiserin eine intelligente Frau mit zahlreichen Talenten, aber sie fand letztlich keine Aufgabe, die sie gefordert und zufriedengestellt hätte. Ihre Ruhelosigkeit und ihr Unglück bildeten, ähnlich wie bei ihrem Cousin Ludwig II., im Verbund mit ihren Bauwerken und Wohnwelten den idealen Grundstoff, um daraus einen Mythos zu schaffen.
Schön war sie. Glücklich nie: Mit 15 Jahren heiratet die bayerische Prinzessin Elisabeth, genannt Sisi, ihren Cousin, den österreichischen Kaiser. Doch sie fühlt sich am Wiener Hof gefangen, verliert zwei ihrer Kinder. Rastlos reist sie durch die Welt. Sie ist eine Getriebene ihrer eigenen Zweifel - exzentrisch, hart zu ihren Mitmenschen und zu sich selbst, bis sie bei einem Attentat ums Leben kommt.
Doch sie ist auch die Frau, die um ihren Sohn kämpft, sich für die österreichische „Nebenmonarchie“ Ungarn einsetzt und sich gegen das Kaisertum und den Wiener Hofstaat stellt. Wer war diese Frau, deren Faszination noch immer ungebrochen ist und die nicht zuletzt mit der Filmtrilogie „Sissi“ zur Legende wurde? Was steckt hinter dem Mythos „Sisi“?
Reiselust
Sisi fiel es schwer, lange auf einem Fleck zu sitzen, wie sie einmal schrieb. Monatelang war sie unterwegs. Ihre Reisen führten sie durch ganz Europa und Nordafrika. Weit weg von der Wiener Hofburg fühlte sie sich am wohlsten. Das Reisen wurde zu ihrem Lebenselixier. Und Kaiser Franz Joseph kam gerne für alle Kosten auf.
Ihre erste lange Reise war zuerst gesundheitlichen Gründen geschuldet. Ein Lungenspezialist empfahl ihr einen Kuraufenthalt am Meer. Im Winter 1860 reiste sie auf die Atlantikinsel Madeira, um ihren Husten auszukurieren, wie es damals in den Zeitungen gemeldet wurde.
Aus einem Winteraufenthalt wurde eine zweijährige Reise. Wieder zu Hause präsentierte sich Elisabeth als eine selbstbewusste Frau, die für ihre Person und ihre Interessen eintrat. Zu einem ihrer Lieblingsorte wurde die Insel Korfu, auf der sie sich einen Palast, das sogenannte Achilleion, bauen ließ.
Viel Zeit verbrachte Sisi auf Schloss Gödöllö, das sie vom ungarischen Volk als Geschenk zur Königskrönung erhielt. Von allen Zwängen und Repräsentationspflichten des Wiener Hofes befreit, fühlte sie sich hier äußerst wohl.
Besucher wurden nicht nach ihrem Rang, sondern entsprechend ihren Reitkünsten ausgewählt und empfangen. Ihre größte Leidenschaft galt dem Reiten, das sie meisterhaft beherrschte, was für Frauen ihrer Zeit eher ungewöhnlich war.
Berühmt sind auch ihre Reitaufenthalte in England und Irland. Als ausgezeichnete Parforcereiterin im Damensattel nahm sie dort an Fuchsjagden teil.
Sisi reitet im Park von Bieberich bei Wiesbaden aus
Das Reisen wurde zu Elisabeths Hauptbeschäftigung. Durch Europa fuhr sie meist mit einem eigens für die Kaiserin gebauten Hofsalonwagen, der aus einem Salon- und einem Schlafwagen bestand. Der Hofstaat, der Sisi begleitete, umfasste 102 Personen.
Mit von der Partie waren neben den Hofdamen auch Köche und Zuckerbäcker. Selbstverständlich verzichtete die Kaiserin weder auf ihre Stallburschen noch auf den Hoftafelgestalter.
Selbst Postbeamte begleiteten die Kaiserin, um vor Ort ein Telegrafenamt installieren zu können, damit die Kaiserin überall erreichbar blieb.
Franz Joseph, der sehr an Sisi hing, nahm sich von seinen Regierungsgeschäften immer wieder Auszeiten, um mit ihr Zeit zu verbringen. Das Kaiserpaar traf sich einmal im Jahr an der Côte d’Azur. Sisi reiste voraus und richtete alles für den gemeinsamen Urlaub her.
Häufig genutztes Feriendomizil von Elisabeth und Franz Joseph war die Hermesvilla im Lainzer Tiergarten ganz in der Nähe von Wien. Wenn Sisi allein auf Reisen war, blieben die beiden in regelmäßigem Briefkontakt.
Nach dem Selbstmord ihres Sohnes Rudolf fand die Kaiserin keinen Halt mehr. Sie unternahm nun vor allem Schiffsreisen auf der kaiserlichen Jacht. Vom Ozean fühlte sie sich angezogen.
In einem Gedicht schrieb sie: „Eine Möwe bin ich von keinem Land, Meine Heimat nenne ich keinen Strand, Mich bindet nicht Ort und nicht Stelle; Ich fliege von Welle zu Welle.“
Nach dem Tod ihres Sohnes unternahm Sisi viele Schiffsreisen
Außergewöhnlich für die Zeit war, dass Sisi ein Tattoo auf dem Rücken hatte, einen Anker. Die See hat sie magisch angezogen. Auf dem Verdeck ihres Schiffes stand ein runder Glaspavillon. Wenn es stürmisch war, ließ sie sich an einen Stuhl binden, um den Gezeiten und dem Meer noch näher zu sein.
„Sie war zeit ihres Lebens eine suchende, eine rastlose Person“, sagt Monica Kurzel-Runtscheiner, Direktorin der Kaiserlichen Wagenburg Wien. Und so ganz anders als die “Sissi“, mit der sich Romy Schneider in den 50er-Jahren in die Herzen der Zuschauer spielte.
Am Ende ihres Lebens wurde Elisabeth ruhe- und rastlos, sie fühlte sich einsam und verlassen. Ihre Reisen wurden immer mehr zu Fluchten vor den Menschen und sich selbst.
Mit zarten 16 Jahren heiratet die bayerische Prinzessin Elisabeth ihren Cousin, Kaiser Franz Joseph I. Über Nacht steht sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, ihre kindliche Schwärmerei wird bald vom strikten Protokoll getrübt. Ihr Benehmen? Zu ungestüm! Ihre Zähne? Zu gelb! Ihre Liebe zu Pferden? Zu gefährlich!
Stück für Stück wird die junge Kaiserin von ihrer Schwiegermutter in das enge Korsett des Wiener Hofs gezwängt. Selbst die Erziehung ihrer Kinder muss Sissi den Hofdamen überlassen. Als Kaiserin hat sie genau zwei Aufgaben: zu lächeln – und für Nachwuchs zu sorgen. Der andauernde Druck, die öffentliche Aufmerksamkeit, der tragische frühe Tod ihrer ersten Tochter: Die schüchterne junge Frau leidet unter dem Leben am Hof, sie verfällt in Depressionen. Eine Erkrankung an der Lunge zwingt Sissi 1860 zur Kur ins Ausland. Nach der Rückkehr ist sie wie ausgewechselt. Bildschön, schlank und vor allem: selbstbewusst. Clever nutzt sie ihre einnehmende Wirkung auf den Kaiser, erkämpft sich Freiheiten.
„Sie hat sich nicht einspannen lassen in eine Rolle, die sie nicht spielen