Renke Liebig

Tata's Entdeckungen


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Reise zu beginnen.“

      Anfangs habe ich seine Ansichten überhaupt nicht verstanden. Erst später verstand ich einige Punkte deutlich. Willow hat seine Einsichten mit mir geteilt. Ich teile seine Erkenntnisse mit euch. Geteiltes Wissen ist doppeltes Wissen. Geteilte Liebe ist doppelte Liebe.

      SPANIER

      Eines Morgens habe ich mit zwei Spaniern der älteren Generation in einer Pilgerherberge, Haus der Weisheit, gefrühstückt. Javier und Mecchulo. Wir haben uns über dieses und jenes unterhalten. Alles schien normal zu sein. Das war meine Einschätzung als Experte, obwohl ich kein Wort Spanisch verstand. Javier aß einen Apfel. Mecchulo und ich waren mit dem Frühstück fertig. Plötzlich hat sich Javier an dem Apfel verschluckt. Ich war geschockt. Was kann ich tun? Javier sagte nichts, er deutete nur auf seinen Hals. Mecchulo sprang vom Stuhl auf und packte Javier von hinten. Er umarmte Javier von hinten und presste oft auf seinen Brustkorb. Javier spuckte zunächst nur Wasser aus. Mecchulo schaute mich an und sagte, dass ich weiter machen soll. Mit all meiner Kraft presste ich auf Javiers Brust. Dann hat Mecchulo wieder übernommen. Nach einigen Minuten hat sich Javiers Zustand gebessert. Was für eine Erleichterung! Er konnte wieder sprechen. Gleich darauf rannten die beiden los, als wäre nichts gewesen. Ich konnte dieses Tempo nicht mithalten, und so habe ich sie schnell aus den Augen verloren.

      Das hat mir einige Dinge aufgezeigt. Wie fix es passiert, dass sich alles dreht im Leben. Am Anfang nimmt man die Gesundheit als selbstverständlich an. Ich habe das Leben genossen. Ich fühlte mich unbesiegbar. Sobald sich Krankheiten, Krisen oder Probleme einschleichen, nimmt die Gesundheit eine neue Priorität ein. Von einem Moment zum Nächsten herrschen andere Gesetze. Lange Zeit wollte ich so sein, wie ich vor dem Quantenmoment war. Genau dieses Verhalten hat mich in die Krise gebracht. Es ist nicht möglich, in der Zukunft so zu sein, wie in der Vergangenheit.

      Es scheint mir so, dass der Mensch genau diesem Wahnsinn unterliegt. Sie sind nie zufrieden. Etwas ist nie perfekt. An einem Tag will man 5 Kilo abnehmen. An einem anderen Tag will man 5 Kilo zunehmen. Abhängig von der gegenwärtigen Mode. Nie ist man mit dem zufrieden, was jetzt hier vorhanden ist. Was jetzt wirklich ist. Fortwährend wird nach mehr Geld geschrien. Mehr Urlaub. Mehr Häuser. Mehr Zeit. Mehr Autos. Immer mehr. Nie ist etwas genug vorhanden. Wo soll dieser Wahnsinn enden? Das kann nur im Tal der großen Tränen enden. Irgendwann verschluckt man sich an dem ewigen Konsum. So wie Javier an einem Apfel. Wenn niemand helfen kann, dann bleibt alles im Halse stecken. Die innere Unzufriedenheit soll mit äußerem Konsum ausgeglichen werden. Das ist nicht möglich.

      Ich merke, dass Konsum in Ordnung ist. Dieser soll nicht in die Extreme gehen. Nicht zu viel. Nicht zu wenig. Wie viel Konsum ist gut? Diese Entscheidung trifft man jeden Tag, jeden Moment. Das Haus der Weisheit hat mir eine Sache gelehrt. Ich kann im Leben alles bekommen, erreichen und realisieren. Immer mit der Gewissheit, dass nichts absolut sicher ist. Jede Sache kann in jedem Moment zu Ende sein.

      Die kurze Geschichte mit Javier, Mecchulo und mir basiert auf einer wahren Begebenheit. Es hat auf dem Jakobsweg, der Via de la Plata, in Spanien stattgefunden. Es war eine wirkliche Lektion für mich.

      Ich danke allen Menschen, denen ich begegnet bin und denen ich begegnen werde. Ich beende diesen Artikel mit einem Zitat, das ich auf einem meiner Wege gelesen habe.

      „Das Ziel zu erreichen schien uns zunächst das Wichtigste, inzwischen ist es der Weg.“

      Alto do Poio (Spanien), 21.04.1992, Verfasser unbekannt

      Die Pilgerin schaut auf den Artikel. Sie wirkt nachdenklich und überrascht zugleich. Sie wollte Details und Weghinweise. Was trägt man im Rucksack? Was ist nützlich? Was wird benötigt? Ich habe das nicht gesagt. Sie verlässt etwas enttäuscht den Raum. Abgesehen davon nimmt sie den Artikel mit.

      2. ROLLEN

      Ein Sportler rennt im Raum.

      Er möchte von mir, Tata, alles wissen, wie er sich sportlich verbessern kann.

      Sowohl körperlich, wie mental.

      Wie viele Stunden muss er trainieren? Wie oft soll er täglich trainieren? Sein Ziel ist es, der beste Fußballer der Welt zu werden. Geld und Frauen spielen auch eine wichtige Rolle.

      Ich schweige.

      Nach einiger Zeit überreiche ich dem ehrgeizigen Sportler den Artikel SPIELER, PILGER, STUDENT, MENSCH.

      2.1 SPIELER, PILGER, STUDENT, MENSCH

      Ich habe viele Jahre Fußball gespielt. Ich habe solange gespielt, bis mich eine Verletzung ausgebremst hat. Ich habe mich davon erholt. Ich fing an, in einer höheren Liga zu spielen. Ich habe bis zum Kollaps trainiert. Ich habe kaum ein Match gespielt. Ich bin bis an meine Grenzen gegangen. Ich war zu ehrgeizig. Ich war lange vom Traum besessen, reich zu sein, Geld zu haben, eine große Villa zu haben, berühmt zu sein. Ich wollte von anderen respektiert werden, für das, was ich kann. Nicht für das, was ich bin. Ich war vollständig in der materiellen Welt gefangen. Mein Ego wollte nicht vor der Angst einer möglichen Niederlage loslassen. Ich wollte der beste Fußballer des Universums sein. Ich wollte immer gewinnen. Immer mehr. Immer weiter. Immer höher. Dabei habe ich immer mehr verloren. Es ging so weit, dass ich zwar körperlich fit wirkte, obwohl ich mental müde war.

      In dieser Zeit habe ich einen Bericht über den Jakobsweg in Spanien gelesen. Das will ich auf alle Fälle unternehmen. Eine Herausforderung, physisch und mental. Die ultimative Prüfung. Einige Monate später bin ich den Jakobsweg in Spanien gepilgert. Respekt. Ich habe viele Kilometer zurückgelegt. Ich habe viele Eindrücke gesammelt. Es war eine schwere Reise. Ich habe mich schnell an die langen Distanzen gewöhnt. Ich war körperlich fit. Insbesondere hat sich mein Geist, meine Seele gemeldet. Ein Mitpilger sagte einmal, dass ich mich wie eine Uhr bewege. Immer mit voller Energie, bergauf und bergab. Immer im gleichbleibenden Rhythmus. Ich war nicht in der Lage, mich an die individuelle Beschaffenheit des Weges anzupassen. Ich war als Fußballer auf einem Egotrip. Als Pilger wollte ich Dinge anders angehen. Ich wollte nicht mehr viele materielle Dinge besitzen. Jetzt will ich mir Wissen in einem möglichst hohen Tempo aneignen.

      Auf diesem Weg habe ich Interesse für Sprachen entwickelt. Im Bereich der Psychologie interessiert es mich, wie der Mensch so tickt. Ich habe mich von meinen Zielen im Außen entfernt. Mein Ego hat sich weniger mit den materiellen Dingen identifiziert, sondern mit dem intellektuellen Wissen. Die neuen Themenbereiche waren Sprachen, Psychologie und Wirtschaft. Diese Themen wurden zu meinem neuen ich, womit Ich mich identifiziert habe. Karriere. Das will ich jetzt. Viele Jahre lang habe ich allen Leuten erzählt, dass mir materieller Reichtum egal ist. Mein Leben, die perfekte Karriere. Das war der Plan bis zum physischen Tod. Die Egoidentifizierung bewegte sich weg von der materiellen Ebene und hin zur intellektuellen Ebene. Ich war gefangen in meiner eigenen, kleinen Welt. Mein Ego hat sich zum Größenwahn entwickelt. Alles soll perfekt, ordentlich und unter Kontrolle sein. In diesen Prozess wurde jede Störung als persönliche Beleidigung aufgefasst. Und manchmal habe ich Jahre lang nicht mit Menschen gesprochen, die mir mit alltäglichen Anliegen in die Quere gekommen sind.

      Beziehungen und Gespräche mit den Mitmenschen waren Mittel zum Zweck. Ich war ständig dabei, die Zukunft auf perfekte Art zu planen. Dabei habe ich den jetzigen Moment ignoriert. Das war im Studium offensichtlich. Ich habe längere Zeit an unterschiedlichen Universitäten studiert. Ich bin nie auf die Idee gekommen, dass es so etwas wie Sicherheit womöglich nicht gibt. Ich habe meinen Ehrgeiz und Perfektionismus ins Extreme gesteigert. Alles war dem Studium untergeordnet. Die letzten Plätze der Prioritätenliste waren für Beziehungen, Gesundheit und Freude reserviert. Ich studierte wie verrückt. Ich habe alle Prüfungen bestanden. Am Ende des Studiums fehlte nur die Abschlussarbeit. Plötzlich bin ich tief gefallen und für meine Mitmenschen tatsächlich verrückt geworden.

      Ich wünschte mir Anerkennung, Status, Sicherheit, Geld und Wissen. Das war wichtiger, als auf meine Seele zu hören. Es ist egal, wie viel ich habe. Es ist egal, wie viel ich weiß. Es ist wichtiger und einfacher zu erkennen, dass ich einfach bin. ICH BIN. Daraus kann