Sophie Lang

Violet - Die 7. Prophezeiung - Buch 1-7


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wieder eine solche Gelegenheit.

      »Bringt sie ins Labor, wir beginnen sofort mit der Operation!«, befiehlt er.

      Kapitel 1

       3. Prophezeiung

       17 Jahre und 9 Monate später.

      Aus meinem Augenwinkel sehe ich den Schwanz der Bestie auf mich zurasen. Silberne Stacheln blitzen im Licht der Sonne auf, Luft schreit auf, als fürchte sie sich. Meine Sinne sind darauf trainiert, all das wahrzunehmen. Als wäre mein ganzer Körper ein einziger Reflex, springe ich zur Seite und ducke mich unter dem Tötungsinstrument hindurch.

      Der stachelbewaffnete Schwanz schlägt mit solcher Wucht in der Hauswand ein, dass der Putz und Teile der Steinmauer weggesprengt werden.

      »Freija, aus der Schusslinie! Zurück zu mir!«, höre ich Jesse rufen, aber ich reagiere nicht. Höre nicht auf ihn. Warum sollte ich auch? Er ist der Fernkämpfer - nicht ich. Wir sind ein Team und ich bin dazu ausgebildet, genau hier zu kämpfen, an meinem Platz, direkt Auge in Auge mit der Bestie.

      Sie hat die Größe eines Panzers und ihre schwarze, lederne Haut saugt das Licht auf, wie ein schwarzes Loch. Nur die Stacheln am Schwanz reflektieren die Sonnenstrahlen, die sich in die nach Abfällen stinkende Gasse verirrt haben. Ihre Augen sind schwarz und kaum zu erahnen. Beängstigend. Wir beobachten einander, studieren uns und versuchen den nächsten Angriff vorauszusehen, um einen Zeitvorsprung, einen winzigen Vorteil zu erhaschen.

      Für einen kurzen Moment sehe ich so etwas wie Angst in ihren Augen.

      Angst?

      Was ist das eigentlich? Nur ein verwirrendes Gefühl aus der Vergangenheit, das hier im Kampf, auf Leben und Tod, nichts verloren hat.

      Plötzlich wird mir bewusst, dass ich triumphieren werde. Jesses Warnrufe nehme ich vereinzelt wahr. Er will schießen, seine Waffe abfeuern, doch ich stehe im Weg, was mir völlig egal ist, denn der Kampf ist gleich zu Ende.

      Die Bestie reißt ihren Schlund auf. Übereinander liegende Zahnreihen, blecken mich an. Speichel trieft, spritzt und tropft in langen Fäden auf den Asphalt. Ihre Einschüchterungsversuche lassen mich kalt.

      Ich reiße mein Schwert hoch und im gleichen Augenblick prallen wir aufeinander. Ich springe zur Seite, weiche ihrem Schwanz aus, der durch die Luft peitscht. Drehe mich um die eigene Achse, entfliehe dem aufgerissenen Maul, rolle mich unter dem tonnenschweren Körper durch und entkomme ihren rasiermesserscharfen Klauen.

      In einer Vorwärtsbewegung nehme ich alle Einzelheiten wahr. Die Zeit scheint, für eine Sekunde ihre ureigene Aufgabe vergessen zu haben, nur um uns zuzusehen. Den Atem anzuhalten und zu beobachten, was jetzt passiert. Wer überlebt.

      Und dann entdecke ich die erhoffte Lücke, die einzige Möglichkeit, den Kampf jetzt zu entscheiden. Ich stoße mich wieder vom Boden ab, werfe mich schnell und langsam zugleich, absurd und trotzdem anmutig in die Luft, hechte unter den Körper der Bestie und nur knapp verfehlen mich ihre Fänge. Die Klauen greifen ins Nichts und dann bin ich da, direkt unter ihr.

      Ich drehe mich im Flug, weiß, dass ich hart auf dem Rücken aufschlagen werde und dann reiße ich meine Klinge hoch.

      Wie leicht es geht, schießt es mir durch den Kopf, als ich die Bauchdecke durchstoße und mein Schwert ins Herz der Bestie ramme. Dann, einen Atemzug zwischen zwei Ewigkeiten, krache ich mit der Seite auf den Asphalt. Der Schmerz in meiner Schulter überfordert meine Sinne.

      Ich muss mich darauf konzentrieren, meinen Körper an seine Pflicht zu atmen zu erinnern. Irgendwie versuche ich, mich weg zu rollen, aber es gelingt mir nicht sonderlich gut.

      So schnell ich noch kann, richte ich mich auf. Mein linker Arm hängt schlaff an meiner Seite herunter.

      Meine Schulter?

      Explodiert. Tobt vor Schmerzen.

      Aber das muss mir egal sein, denn ich muss bereit sein für ihren nächsten Angriff.

      Ich blicke sie an, wie sie regungslos daliegt.

      Da begreife ich es. Es gibt keinen nächsten Angriff. Es ist vorbei.

      Die Bestie ist tot. Sie liegt vor mir, erstarrt, die Augen noch immer geöffnet. Dann bin ich wieder mit mir beschäftigt. Mit meiner Schulter und den Schmerzen, die sich durch mich hindurchwälzen.

      »Freija? Alles okay? Bist du verletzt?«, höre ich Jesses Stimme wie aus weiter Ferne.

      Ich sitze auf meinem Hintern und betrachte meinen linken Arm, der jegliche Befehle, stur verweigert. Jesse legt seinen Bogen neben mich.

      »Verdammt, das sieht übel aus, Engel. Du bist schlimm verletzt«, sagt er sorgenvoll. Seine Augen versprechen nichts Gutes.

      »Ach was, die Schulter wird schon wieder«, will ich sagen, aber ich bringe nur ein Flüstern hervor. Was ist los? Wo verdammt ist die Luft zum Atmen, zum Sprechen geblieben?

      Jesse schaut ohnmächtig auf meinen Bauch. Warum um Himmels Willen der Bauch? Warum kümmert er sich nicht um meine kaputte Schulter?

      Verwirrt schaue ich an mir herab und sehe massenhaft Blut, mein Blut. Unmengen Blut? Wo kommt das her? Sie muss mich doch erwischt haben.

      Die Krallen, analysiere ich irgendwie, denn plötzlich und völlig unerwartet trifft mich der Schmerz in meinen Eingeweiden. Es fühlt sich an, als würde mir jemand mit einem verflucht großen Eisenhammer in den Bauch schlagen. Wieder und immer wieder.

      Eine unvorstellbare Kälte kriecht in jede Faser meines Körpers. Sie kommt von der Bestie, die langsam aus meinem Blickfeld schwindet. Löst sich ihr Körper bereits in Luft auf oder bin ich es, denn meine Sinne scheinen zu schwinden.

      Zum Glück nur die Sinne und nicht mein Leben, hoffe ich.

      Verschwommen sehe ich Jesse. Seine Augen sind zwei Lichter in der Dunkelheit, die mich einspinnen, zu sich ziehen.

      Was macht er da? Was sagt er zu mir? Ich kann ihn kaum hören. Er ist über mir und spricht mit mir. Wie aus einer anderen Welt, höre ich seine Worte.

      »Bleib bei mir. Bleib wach!«, fleht er. Aber ich will jetzt schlafen. Bin müde. Erschöpft. Ich habe die Bestie besiegt, bin verletzt, brauche jetzt Ruhe und schließe meine Augen und alles wird plötzlich ganz friedlich und still.

      Ich blicke in künstliches Licht, als ich sie wieder öffne.

      Kapitel 2

      Alle Erinnerungen sind sofort da. Das ganze Blut; mein Blut und die tote Bestie, die sich ins Nichts aufgelöst hat.

      Jesse, der über mir war. Er muss es geschafft haben, mich hierher zu schaffen, aber ich kann mir nicht vorstellen, wie er das angestellt hat. Wir waren mindestens vier Blocks entfernt von unserem Skygate. Skygate? So nennen wir unseren Schlupfwinkel.

      Das Skygate nimmt die komplette 77. und 78. Etage des höchsten Wolkenkratzers von ganz Sektion 13 ein.

      Sektion 13?

      Früher habe ich einmal dort gewohnt, glaube ich, weil so recht erinnern, kann ich mich daran nicht.

      In New York, so wie die Nunbones, also die gewöhnlichen Menschen, Sektion 13 nennen. Ich war auch einmal einer von ihnen, ein Nunbone. Aber das ist lange her und ich kann mich an nichts mehr aus dieser Zeit erinnern.

      Lange her, überlege ich. Ich kämpfe jetzt seit fünf Jahren gegen die Bestien, aber es kommt mir vor wie eine halbe Ewigkeit. Als ich elf war, haben sie mich gefunden.

      Die Bestien.

      Sie haben mich fast getötet. Das rätselhafte Zeichen, das sich wie eine Tätowierung, nur tausendmal schöner, über meinen ganzen Rücken erstreckt, erinnert mich jeden Tag daran. Ich sehe sie jeden Morgen im Spiegel, aber sie ist nur eine von vielen. Ich fasse an meinen Bauch. Eine von vielen wunderschönen Narben; Tattoos.

      Jemand nähert