Günther Dümler

Mords-Kerle


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die „ewich Dreuen“, den Leipold Fredi. Wassd scho, der wo immer mit sein Glubbschal und derer dungglroudn Schirmmützn aufn Kubf rumgrennd iss.“

      Gisela machte ein völlig verblüfftes Gesicht, was sich in ihrem speziellen Fall hauptsächlich in einem tonlos geöffneten Mund und stark hervortretenden Augen manifestierte. Peter, der daraus schloss, dass die schreckliche Nachricht noch nicht wirklich Eingang in ihr Gehirn gefunden hatte, beeilte sich zu ergänzen.

      „Der Fredi! Den kennsd scho! Der hodd bei uns öfder amal Brunzkaddler10 gmachd, abber mir homm nern nedd gern mitmachn lassn, wall er ka anders Deema wäi ner blouß sein heissgeliebdn Glubb kennd und mit an jedn glei an mordsdrumm Streid angfangd hodd, der nern nedd sofford Rechd gebn wolld.“

      „Ja, ich bin doch nedd vollkommen begriffsschduzich! Ich wass scho wensd maansd. Allmächd na! Und desweeng hodd nern anner wohl glei endgüldich äs Schandmaul gschdobfd?“

      Auf diese Idee war Peter noch gar nicht gekommen. Natürlich könnte dies ein mögliches Mordmotiv sein. Der Fredi hatte im Laufe der Zeit eine ganze Reihe von Menschen beleidigt, gekränkt und in ihrer Ehre herabgesetzt. Vielleicht war er ja tatsächlich einmal einen Schritt zu weit gegangen. Vielleicht hatte er jemandem mit seiner verletzenden Art einen wirklichen Schaden zugefügt und war aus Rache beseitigt worden. Es würde sich lohnen, diese Spur weiter zu verfolgen. Und einen weiteren, allerdings kaum ernst zu nehmenden Aspekt brachte Gisela in die Diskussion mit ein.

      „Nach dem Schiffermüller Gerch iss dess etz fei scho der zweide Schafkobfer, der umbrachd wird. Dess hädd mer aa nedd denkd, dass dess Kaddln a so a gfährlichs Hobby iss. Maansd dou gibds a Verbindung, Beder?“

      „Na, na, Gisela“, beeilte sich der Angesprochene zu versichern, „da dermit hadd dess ganz beschdimmd nix zum dou, sicher steggd dou woss ganz woss anders derhinder“ und mit etwas Abstand fügte er hinzu: „ Also, inderessiern däds mi ja scho.“

      Daran konnte es für jemand, der Peter auch nur ansatzweise kannte, von der ersten Sekunde an ohnehin keinen Zweifel geben. Das plötzliche Ableben eines Röthenbacher Bürgers, noch dazu einer Person, die Peter persönlich bekannt, wenn auch nicht sonderlich sympathisch war, konnte nicht ohne eingehende Untersuchung bleiben. Im Grunde hatte er schon den ganzen Heimweg über mögliche Ansatzpunkte nachgedacht.

      „Gisela, maansd, du könnsd mer a Lisdn machen von alle, dee in Rödnbach zu dem FCN-Fanclub „ewiche Dreue“ ghörn? Du konnsd di doch dou unauffällicher umhorchn als wäi ich, bei mir fallerd dess doch vill mehr auf. Und ich will auch nedd direggd zu dem Verein hiegäih. Des schauerd ja gor äsu neugierich aus.“

      Und nach kurzem Nachdenken fügte er hinzu:

      „Und außerdem, wenni so offnsichdlich Nachforschunger anstellerd, dann däd dess denjenichn, der Dreeg am Steggn hodd, blouß unnödich aufschreggn. Nana! Ich schnabb mer dee Brüder läiber einzeln.“

      Gisela konnte, das heißt, sie selbst hatte keinerlei Zweifel an ihrer Fähigkeit, die benötigten Informationen durch gezielte Befragung ihrer zahlreichen, an Dingen des öffentlichen Interesses äußerst interessierten Kundinnen beschaffen zu können. Das würde eine interessante nächste Woche werden.

      Montag, 28. Oktober, Vormittag

      Es war eines dieser täglichen Routinetreffen, bei dem die beiden Kriminalkommissare in ihrem gemeinsamen Büro zusammensaßen und mit Hilfe einer stimulierenden Tasse Kaffee versuchten, wenigstens ein kleines bisschen Ordnung in das bestehende Chaos aus offenen Fragen und ungeklärten Hinweisen zu bringen. Heute natürlich hatte diese Sitzung eine gewisse zusätzliche Brisanz dadurch gewonnen, dass es wieder einmal um eine Röthenbacher Leiche ging, die, wie sollte es auch anders sein, diesen verdammten Hobbyschnüffler Kleinlein auf den Plan gerufen hatte. Dieser Kerl fühlte sich anscheinend verpflichtet, wann immer ein Bewohner des Dorfes in den Fall verwickelt war, sei es als Opfer oder Täter, der Polizei zuvorzukommen, sozusagen einen Heimsieg einzufahren. Doch die Polizei, in Person von KHK Schindler und KOM Havranek war schließlich auch nicht auf den Kopf gefallen.

      „Wenigstens der Kaffee ist ein Lichtblick. Die neue Sektretärin scheint ja nicht ganz unbegabt zu sein. Wurde aber auch höchste Zeit, das Automatengesöff war ja nicht mehr zu ertragen. Also! Was haben wir bisher?“

      Die letzte Frage hatte Erwin Schindler mehr oder weniger an sich selbst gerichtet, rein rhetorisch also und daher ohnehin nicht zur Beantwortung vorgesehen. Havranek kannte das und hatte auch gar keinen Versuch in diese Richtung unternommen. Vielmehr fuhr der Kommissar ohne Unterbrechung fort, unter Zuhilfenahme seiner, aufgrund seiner fürchterlichen Klaue schwer leserlichen Notizen, seine Sicht der Dinge im Fall Alfred Leipold zu schildern.

      „Alfred, genannt Fredi, Leipold, geboren 1972 in Fürth, KFZ-Mechaniker, Vorsitzender des FCN-Fanclubs „ewige Treue Röthenbach“, unbescholten, nach Auskunft seiner Freunde relativ gesund, jedenfalls nicht zu Selbstmordgedanken neigend, wenn man die ersten Stunden nach Niederlagen in Derbys, also gegen Bayern oder Fürth, einmal ausnimmt, bei denen er mit großer Regelmäßigkeit völlig aus dem Gleichgewicht geriet. Aber das stand im Augenblick seines Todes ja nicht zur Debatte, denn bis zu seinem Tod hatte er immerhin eine ganze Woche Zeit gehabt, über den jüngsten dieser gefühlten Weltuntergänge hinwegzukommen, dieser Spinner.“

      Kollege Havranek nickte zustimmend. Er teilte die Einschätzung seines Vorgesetzten. Als gebürtiger Franke kannte er die Problematik noch aus seiner Zeit bei der Schutzpolizei und wusste, dass solche Kurzschlusshandlungen entweder sofort oder gar nicht mehr erfolgten. Meistens bestanden sie ohnehin maximal in einem gehörigen Rausch inklusive unangenehmer Erinnerungslücken und eventuell der einen oder anderen verbrannten Vereinsfahne, die dann auch nach überstandenem Kater ungehend durch eine neue ersetzt wurde.

      Etwas anders verhielt es sich allerdings mit der jüngsten Pokalniederlage gegen die Spielvereinigung vor gerade mal einer Woche, die sein Vorgesetzter eben angesprochen hatte und in deren Folge auch Übergriffe auf die Fangruppen des Gegners gemeldet wurden. Der Polizeibericht sprach von über hundert Nürnberger Anhängern, die nach dem Spiel den Nachbarstädtern aufgelauert, sie im Zuge eines erbittert geführten Zermürbungsfeldzugs bis zur Stadtgrenze hinübergetrieben und die im weiteren Verlauf das sportliche Ergebnis völlig auf den Kopf gestellt hatten. Aus einer tatsächlichen peinlichen 0:1-Niederlage war innerhalb einer knappen Stunde ein gefühlter 3:0-Sieg geworden, etwas, das sie auf dem Platz seit Monaten nicht mehr geschafft hatten. Eine Art virtuelle, nur in den Köpfen stattgefundene Ergebniskorrektur in der Nachspielzeit außerhalb des Stadions!

      Im Nachgang der Ereignisse gab es zwar etliche Anzeigen wegen Körperverletzung unterschiedlich schwerer Art, Bedrohung, Beleidigung und dergleichen, die sich aber im Gegensatz zu der Heftigkeit der Kampfhandlungen überraschenderweise in geradezu bescheidenem Rahmen hielten. Bis auf wenige unverschuldet zwischen die Fronten geratene Pechvögel hatten sich im Prinzip ohnehin lediglich zwei gleichgesinnte Banden auf einander gestürzt. Der Unterschied bestand allenfalls in der Farbe der Uniformen und den aufgestickten Emblemen auf denselben. Weinrot gegen grün. Dabei hätte die Eskalation völlig vermieden werden können, wenn der Schiedsrichter den lächerlichen Elfmeter für die Kleeblättler erst gar nicht gegeben und auch auf die rote Karte für den sowohl unschuldigen, als auch leider sehr impulsiven südamerikanischen Gerechtigkeitsfanatiker in Nürnberger Diensten verzichtet hätte. Es wäre vielleicht sogar dann noch gut gegangen, wenn nicht völlig unnötig auch noch der Fürther Torschütze in provizierender Manier vor der Nürnberger Fankurve in maßlos übertriebenen Jubel ausgebrochen wäre. Somit, und da waren sich die einheimischen Fans ausnahmslos einig, hatten die Gäste das nachfolgende Debakel inklusive Einsatz einer ganzen Reihe aufgebrachter Racheengel weitgehend selbst herauf beschworen.

      Die Frage, die Schindler und Havranek in diesem Zusammenhang bewegte war die, ob Fredi Leipold an der nachfolgenden Ergebniskorrektur zwischen Stadion und Stadtgrenze beteiligt war und ob bei einem oder mehreren der Gegner daraus ein genügendes Maß an Rachegedanken erwachsen sein konnte, ausreichend, um ihm eine geschlagene Woche später einen Denkzettel zu verpassen.

      „Die könnten ihm ja auf der Brücke aufgelauert