Sofi Mart

Blutlegende


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Er hatte mich in den vergangen sechs Monaten bei meiner Ausarbeitung unterstützt. Uns vorzustellen war Prof. Stonehavens geniale Idee gewesen.

      Meine offizielle Bewerbung beendete ich mit den Worten: »Mein Dank gilt Nathan Dunn und seiner fachlichen Unterstützung.«

      Ich schaute ihm fest in die Augen: »Dankeschön«, und mit einem smarten Lächeln sammelte ich meine Unterlagen zusammen.

      Ein paar Tage würde ich noch auf die endgültige Entscheidung von Dr. Nail warten müssen, doch mich überkam zum ersten Mal an diesem Tag ein gelöstes Gefühl.

      Prof. Stonehaven beglückwünschte mich, für seine Verhältnisse überschwänglich, und schüttelte mir die Hand. Stolz und nochmals dankbar fiel ich danach in Nathans Arme.

      »Du bist der Allerbeste«, flüsterte ich ihm dabei ins Ohr.

      »Und du bald meine persönliche Kaffeesklavin.«

      Wenn das alles ist, verkniff ich mir lieber, denn so eindeutig zweideutig war unser Verhältnis dann doch nicht.

      Prrring, klingelte es an der Tür. »Auweia, schon so spät?!«, bemerkte ich und schaute an mir herunter. Das Kleid offen und verdreht, barfuß - um mich herum ein Schlachtfeld aus Kleidung, Schuhen und Accessoires. Diesen Krieg hab ich eindeutig verloren.

      Ein Blick in den Spiegel besiegelte meine Stylingniederlage. Meine Haare: das Grauen. Ich wollte eine Frisur: Schlimmer ging’s nimmer.

      Wenigstens schminken musste ich mich nicht mehr. Etwas Lipgloss und Wimperntusche - fertig. Dem Kampf mit dem Farbkasten fühlte ich mich nicht im Ansatz gewachsen, das konnte nur schief gehen.

       Prrring, Pring, Prrring.

      »Jaha!«, schrie ich zur Tür. »Taub bin ich noch nicht!«

      Ich öffnete, war jedoch noch im Gerangel mit dem Reißverschluss meines Kleides und humpelte auf einem Schuh. Den anderen hatte ich mir sehr vorteilhaft zwischen die Zähne geklemmt.

      Nathan strahlte mich an: »Wow, ein Vogelnest, wie apart!«

      »Sehr charmant, du Holzkopf«, nuschelte ich verlegen durch den Schuh zurück, noch immer im Clinch mit dem Reißverschluss liegend.

      »Halt still, ich mach das.« Mit nur einer Hand-bewegung saß mein Kleid so, wie es geplant war. Auf dem Weg ins Bad zog ich mir rasch den anderen Schuh über. Dann entfernte ich unbeholfen die vorher so kompliziert eingesetzten Haarnadeln.

      Also einmal wie immer. Ich schaute mir das Resultat im Spiegel an.

      »Sei nicht sauer, Süße, dein Kleid ist dafür der Hammer«, hallte Nathans Stimme durch die Wohnung.

      »Dann zieh ich es sofort wieder aus«, erwiderte ich gleichgültig, als ich den Flur entlang stolzierend versuchte, meinen zweiten Auftritt, besser hinzubekommen.

      »Nein! Sei nicht blöd und komm jetzt endlich, Tess wartet im Auto in zweiter Reihe.«

      Bevor ich noch etwas sagen konnte, packte Nathan mein rechtes Handgelenk, schnappte sich mit der Linken meine Schlüssel und zog mich aus der Wohnung. Mit Mühe konnte ich gerade noch die Tür schließen, bevor ich fast die Treppe runter flog: »Hey Mann, langsaaam!«

      Der letzte Clubbesuch schien Ewigkeiten her zu sein, vom Tanzen ganz zu schweigen.

      An diesem Abend konnte ich Nathan einen Drink zum Anstoßen nicht abschlagen. Die anstrengenden Nächte in der Bibliothek waren erst einmal vorbei. Endlich konnte ich wieder schlafen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Definitiv ein Grund zum feiern.

      Tess begrüßte mich mit Küsschen und Glückwünschen, plapperte dann aufgeregt drauf los. Ein Moment, in dem ich herrlich abschalten konnte und mich insgeheim auf mein Bett später freute. Die komplette Fahrt in ihrem roten VW-Beatle bekam ich daher auch nicht richtig mit.

      Kaum ausgestiegen, nahm Tess meine Hand und zog mich hinter sich her. Wie gewöhnlich stellte sich diese zierliche Frau nicht hinten an einer Schlange an.

       Typisch!

      Ich schmunzelte verlegen in der irrealen Hoffnung, unsichtbar zu sein. Der bullige Türsteher winkte uns durch und öffnete sofort das rote Absperrseil. Mit: »Dank dir Honey«, und einem umwerfenden Lächeln revanchierte sich der dunkelhaarige Wuschelkopf, der meine Hand fest umklammert hielt.

      Theresa hasste es, wenn man sie so nannte. Sie war Nathans kleine Schwester und ein emotionales Feuerwerk. Woher sie diese Energie nahm, war mir ein Rätsel. Auch mich wickelte sie mit ihrer unbeschwerten Art um den kleinen Finger.

      »Metropolitan?« Ohne meine Antwort abzuwarten, deutete Tess Nathan an, ihre Bestellung aufzugeben. Er fügte sich, und drei Minuten später stand ich mit einem Cocktail an der Bar.

      Der Club war schummrig, aber erfüllt von bunten Lichtern. Bodennebel auf der großen Fläche vor mir ließ die Beine der tanzenden Menge fast bis zum Knie verschwinden. Die Latino-Rhythmen wummerten in meinen Ohren, aber meine Hüfte wippte von allein im Takt mit. Meine Augen passten sich den Lichtverhältnissen an.

       Schön hier...

      Weiter kam ich nicht mit meinen Gedanken. Tess packte mich erneut am Arm und zerrte mich ohne Rücksicht auf Verluste oder meinen kleinen Protest weiter hinein in die Menge.

      »Hey!«

      Einzig Nathans Umsichtigkeit verdankte ich es, dass sich der Drink nicht komplett über mein neues Kleid ergoss.

      »Los, Süße, beweg dich, hab Spaß«, tänzelte Theresa um mich herum. Der dünne Stoff ihres purpurroten Kleides flatterte im Takt zu ihren Bewegungen. Ihre wasserblauen Augen leuchteten vor Begeisterung. Die Freude war ihr förmlich ins Gesicht geschrieben.

      Da ich nicht gern auffiel, kam reserviertes und steifes Herumstehen nicht infrage. Also verwarf ich alle Zweifel über meine Tanzkünste und tat, was Tess mir befahl. Ich hatte tatsächlich Spaß und hörte auf, mir über alles und jeden den Kopf zu zerbrechen.

      Tanzen, Tanzen und nochmals Tanzen! Endorphine durchströmten meinen Körper, ach, einfach alles, was der Enzymhaushalt hergab. Ich fühlte mich frei, leicht und absolut fantastisch.

       Dank dir, verrückte, süße Tess.

       ***

       Es war gewiss nicht leicht, unbemerkt in einen Club zu kommen, doch für Readwulf nicht im Ansatz eine Herausforderung. Er kletterte mühelos und äußerst elegant durch ein offenes Fenster im Damen-WC, um sich dann direkt vor zwei jungen Frauen aufzubauen.

       Beide betrachteten gerade aufmerksam ihr Spiegelbild und musterten sich dazu noch gegenseitig. Amüsiert über diesen doch sehr frauentypischen Anblick, erklärte er mit seinem charmantesten Lächeln: »Bitte stören sie sich nicht an mir, meine Damen, sie sehen heute Abend bezaubernd aus.« Als die beiden Grazien mit weit offen stehenden Mündern herumfuhren, entsprach diese Aussage auch nur im Entferntesten der Realität.

       Dass keine von beiden laut aufschrie, lag an Readwulfs umwerfendem Äußeren und der reglosen, freundlich-cool wirkenden Pose, die er unter dem Fenster, auf der anderen Seite des Raumes, einnahm.

       Bevor eine von ihnen doch noch die Beherrschung verlor, trat Readwulf näher und nahm die rechte Hand der näher stehenden Blondine für einen perfekten Handkuss in Beschlag. Danach war die Rothaarige dran.

       Natürlich hätte er die Begegnung mit den beiden Ladys vermeiden können, aber einen kleinen Scherz mit der Damenwelt gönnte er sich ab und an. Zu genau wusste er um seine Wirkung bei der holden Weiblichkeit und reizte diese schamlos aus.

       Schmunzelnd verabschiedete er sich: »Guten Abend die Damen.« Dann verließ er pfeifend die Örtlichkeit.

      Auf der Tanzfläche herrschte großes Gedränge. Es war stickig und heiß. Körper rieben sich aneinander. Nicht unbedingt der liebste Ort, an dem Readwulf