Klaus Fleischer

Aus dem puren Leben gegriffen Teil 8


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      Ich bewohnte auch so eine oben beschriebene Wohnung (sozial) mit meiner kleinen vierköpfigen Familie und hatte ebenfalls wie schon beschrieben solche pappendeckeldünnen Wände zu meinen ringsumher lebenden Nachbarn.

      Im Grunde ist das ja eigentlich kein Problem – die dünne Trennwand. Zu mindestens hockt man dadurch nicht täglich Auge im Auge mit dem mehr oder weniger angenehmen Menschen der Nachbarschaft zusammen. Deshalb sind die dünnen Mauern immerhin besser, als wenn 5 – 8 Familien in einem Großraumbüro zusammenleben müssen.

      Natürlich bedingt diese Erkenntnis der fast total Schall durchlässigen Wände, dass man damit einigermaßen vernünftig umgehen kann. Im Klartext heißt das, ganze leise pupsen, denn Kinder einen Knebel in den Mund, liebestolle Ausschweifungen nur noch im Stadtpark oder angrenzendem Wäldchen und vor allen Dingen mit dem eigenen Fernsehton vom Pornofilm den Nachbarn nicht beim Lauschen von Aida und ähnlichen Arien aus der Welt der Oper zu stören.

      Sie sehen, meine lieben Leser, die Sache spitz sich zu und ich glaube ohne es zu wissen, die grünen Männchen können auch nicht anstrengender sein.

      Nun komme ich mal zum besseren Verständnis meiner fachlichen Ausführungen zu einem damaligen praktischen Bestandteil meines Miethauslebens.

      Wir hatten eigentlich ganz annehmbare Nachbarn und wir konnten uns nur alle zwei bis drei Wochen mal über irgendetwas unwichtiges durch dessen Mitteilung an die jeweiligen Betroffenen beschweren. Ich kann nämlich von mir behaupten, dass ich ein äußerst umgänglicher und verständnisvoller Mensch bin.

      Aber es sollte doch mal etwas „Übersinnliches“ passieren.

      Entweder hatte mein lieber Nachbar seine Mietwohnung irgendwie umgestaltet, zum Beispiel das Zimmer vom pubertären Sohn mit dem Wohnzimmer vertauscht oder der ältere Mietkollege von Vater war in irgendeine persönliche Krise gestürzt.

      Ich muss hier aber unbedingt erwähnen, dass ich persönlich sehr gerne Musik höre, aber leider hat bis heute mein Gehörgang noch keine passende innere Schwingung zu jeglicher Opern- und Klassikmusik gefunden. Wobei ich fest davon überzeugt bin, dass das bestimmt eine tolle Musik ist, wenn sie einem gefällt.

      So kam es wie es kommen musste.

      Wir, d.h. zwei Erwachsene und zwei kleine minderjährige Jungen saßen gerade am Sonntagmorgen ganz entspannt so gegen 09.00 Uhr mitteleuropäischer Uhrzeit beim Frühstücksei essen am, an der zum lieben Nachbarn liegenden Zimmerwand befindlichen Frühstückstisch.

      Plötzlich ohne Vorwarnung sprangen zwei der noch nicht geschälten Eier aus ihren ihnen zugestandenen Eierbechern, die Kaffeekanne hatte plötzlich einen Sprung in der Schüssel und unsere Jüngster war wie von einer Tarantel gestochen schreiend ins Bad geflüchtet. Die Wand an unserem Frühstückstisch schien irgendwie im Rhythmus eines riesigen Schlaginstruments aus den Tiefen der Buschmänner zu schwingen.

      „Klaus geh mal rüber und sagen denen Bescheid.“, schrie meine Ehehälfte aus voller Kehle in meine ansonsten noch gut funktionierenden Hörmuscheln.

      Natürlich wieder ich. Komisch, dass unsere lieben Frauen oft stundenlang mit all den lieben Nachbarinnen im Treppenhaus tratschen können, aber wenn es mal ernst wird müssen wir Männer uns die Köpfe einschlagen.

      Mein halbes Frühstücksei noch zwischen den Lippen und dem Eingang zur Röhre in den Magen stand ich vom immer noch in Schwingung befindlichen Tisch auf und zog mir im Flur erst einmal die schusssichere Weste über.

      „Guten Morgen Herr Stanneswitz-Obermeier.“, fing ich vorsichtig nach der Türklingel beim Nachbar an, denn dieser war immerhin ca. 30 Kilo schwerer als ich.

      „Was gibt’s, Herr Nachbar?“, war die Gegenfrage und ich konnte mit relativer Sicherheit ein kämpferisches Funkeln in seinen Augen entdecken.

      „Mein kleiner Sohn hat gerade seinen ersten Trommelfellschaden bekommen und es wäre doch wirklich wunderschön, wenn Sie die Freunde aus Afrika wieder zurückschicken könnten.“, hörte ich mich sagen und der gute Mann hatte Gott sei Dank auch nur die Hälfte davon verstanden.

      „Peter!“, rief er so laut es seine Sprachorgane ermöglichten, „Peter, mach mal die Musik leiser!“

      „Danke Herr Stanneswitz-Obermeier. Vielen Dank.“, fast wäre ich noch auf meine Knie gesunken, aber meine verkorkste Bandscheibe ließ diese Bewegung gerade nicht zu.

      „Und noch einen schönen Sonntag und Gruß an die geehrte Gattin“, folgte von mir durch die gerade geschlossene Wohnungstür meines lieben Nachbar.

      So weit so gut. Der Sonntag war gerettet und alles wieder friedlich und ohne Schutzweste.

      Aber wie ich schon geahnt hatte, lebte seit dem Sonntag dank Umgestaltung der Innenräume unseres Nachbarn der noch nicht ganz volljährige Sohn und mit Namen oben schon erwähnte Peter jetzt neben unserem Wohnzimmer. Und dieser liebte Urwaldtrommeln wahrscheinlich doch über alles.

      Er hatte dann auch noch dank längerem Suchen in seinem Radio den richtigen Sender aus dem schwarzen Kontinent erwischt, denn andere Tonquellen, wie Schallplatten und Bandkonserven besaß der liebe Junge Gott sei Dank noch nicht.

      Es sollten einige Tage ein Wechselbad der Gefühle und heißen Debatten im Treppenhaus folgen, was ursächlich auf die regelmäßigen und oft zur unpassenden Zeit stattfindenden Paukenschlagklänge, welche immer noch durch die dünne Pappendeckelwand zu uns hinüber schwanken, zurück zu führen waren. Die Fronten hatten sich bald verhärtet und rings um unsere bescheidene drei Zimmerwohnung befand sich nach kurzer Zeit ein vollständig ausgebauter Schützengraben.

      Dann aber geschah dieses schon erwähnte „übersinnliche“.

      Eines Sonntagmorgens als wieder zufällig die Kriegstrommel von Peter am Arbeiten waren, befand ich mich gerade dabei, wie schon immer mal regelmäßig aller 2-4 Wochen im Badezimmer voller Entspannung mittels meines uralten Elektrorasierers die nun schon etwas in die Länge gekommenen Bartbestandteile zu entfernen. Es summte ganz herrlich ganz dicht bei meinem rechten Ohr, als in dem Buschtrommelzimmer plötzlich irgendwas am Passieren war.

      In den tollen Klängen aus Peters Zimmer tauchten plötzlich seltsame krachsende Geräusche auf. Sie vermischten sich verstümmelnd mit den großen Trommeln und dem Rest der vorhandenen Rockmusik. Hektisch wurde drüben die Sendereinstellung benutzt, um wieder einen vollen Klang der beliebten Buschtrommelmusik zu erhalten.

      Ich schaltete den Rasierer ab und lauschte. Die Klänge von drüben waren wieder ohne jegliche Störungen gut und intensiv auf unserer Seite zu hören.

      Rasierer an, denn ich war ja noch lange nicht fertig mit meiner persönlichen Schafschur und schon war man in der Nachbarwohnung wieder emsig am kurbeln, um das Störsignal zu entfernen.

      Nachdem ich noch einige wichtige Tests mittels ein- und ausschalten meines Barthaarwuchs Entferners durchgeführt hatte, war es mir wie Schuppen von meiner schuppen trächtigen Kopfhaut in die Augen gefallen.

      Ich hatte eine Waffe gegen den tosenden Lärm von nebenan.

      Ich wollte mir zwar schon vor einiger Zeit einen neuen Rasierer zulegen, denn das gute Stück hatte ja schon fast das zeitliche gesegnet, aber diesen Kauf schob ich vorerst einmal auf die lange Bank.

      So sollte es kommen, wie es kommen musste. So oft wie damals habe ich mich in meinem ganzen vorherigen Leben nicht rasiert. Und dann noch zu den unmöglichsten Zeiten.

      Nach einem fast zweiwöchigen Kampf Rasierer gegen Radio hatte ich gewonnen.

      Peters Vater entschloss sich nach langer Überlegung das möglicherweise defekte