abzustützen, da er einen kleinen Stups vor die Brust bekommt. Sie lächelt.
„Mirjam“, haucht sie knapp.
Wie lange war es her, dass er in so blaue Augen sah? Blau wie das Meer vor Madeira, strahlend und voll Leben. Kay hatte vergessen, wie sehr er blaue Augen mochte. Sommersprossen, mittelblonde Haare, kleine gedrehte Zöpfe spielten um ihr Gesicht. Er hatte tatsächlich alles vergessen was keine braunen Mandelaugen besaß. Es war besser die Augen wieder zu schließen und sich zurückfallen zu lassen. Nicht mehr sehen ist eins öhren das Andere.
„Katrin hat gesagt ich soll mich um Sie kümmern. Sieht nicht gut aus, wie lange laufen Sie damit schon rum? Egal, ich massier das mal etwas, damit sich das Blut nicht staut.“
Wo sein Blut sich staut, das wusste nur er allein, wenigstens glaubte er das. Doch musste er zugeben es war ein angenehmes Gefühl. Lies der Schmerz wirklich nach oder überfiel ihn ein Chaos.
Mirjam musterte ihn genau, so hatte sie sich den großen Bruder von Katrin nicht vorgestellt. Bis vor wenigen Minuten meinte sie ihn zu kennen, denn jeden Brief den er seiner Schwester schrieb hatte sie gelesen. Und schreiben konnte er! Seitenlange faszinierende Beschreibungen von fernen Ländern und Kulturen, Bräuche auch das Kochen vergaß er nicht. Dann tippten sie abwechselnd seine Berichte in den Computer – falls e mal ein Buch schreiben möchte. In ihren Augen war er eher so ein Meister Proper mit riesigen Pranken, schütterem ausgebleichtem Haar und breitem Lachen.
Irgendwann versuchte sie seinen Rechner zu knacken. Warum? Schlichte Neugier, so ein Phantom im fernen Ausland das hatte was. Sie kam nicht an seine Dateien obwohl der Rechner ein altes Jahrhundert Modell war.
Mit den Firmenrechnern kannte sie sich aus. Regemäßig schlich sie mit ihrer Oma in die Bürogebäude und knackte den Rechner ihres Vaters auf Geheiß der Großmutter, die ihrem Schwiegersohn nicht traute. Die Sorgen waren unbegründet, aber sie liebet Großmutters Courage, die nicht das letzte Heft aus der Hand geben wollte.
Jedenfalls war sie nie auf die Idee gekommen ihn einmal leibhaftig zu erleben. Katrin hatte sein Erscheinen nie erwähnt.
Und da war das Problem wieder, Mirjam wollte nie wieder intensiv über Männer nachdenken. Bernt pumpte sie dauern an, Niclas verstand das Wort treue nicht, Lars wurde nicht erwachsen, Jens war nicht beziehungsfähig, Karsten hasste Kinder, Lasse liebte seine Musik mehr als sie. Aber ein Kind wollte sie bis zum Dreißigsten. Klar da war noch genug Spielraum, aber ein geeigneter Genträger musste noch gefunden werden. Was sie sah gefiel ihr – rein optisch, mehr nicht! Das absurdeste was ihr gerade in den Kopf schoss, war, dass sie hier immer in seinem Bett geschlafen hatte, während er in der Kulisse der Kirschblüte und sattgrüner Reisfelder wandelte und Asiatinnen vernaschte.
Verfluchter Kerl! Was treib er wirklich? Die schöne Natur zerstört, Dörfer versunken, Menschen vertrieben, weil er Talsperren baute die Täler überfluten. Und jetzt kommt er hier her, verlangt nach Kaffee, gepflückt von den Armen dieser Welt, ausgebeutet auf ihren Plantagen.
Es roch nach Kaffee und Apotheke. Irgendein kühles Gel auf seinem Knöchel. Was für ein Aufwand man in Deutschland um so einen kleinen Knöchel treibt. Hätte man in Asien doch auch nur etwas von dieser Führsorge wäre Heinz nicht in seinen Armen gestorben. Tassen klappern.
„Nein Mirjam, nicht Kay! Der ist auch viiiel zu alt.“
Klar, noch ist er ein U-Fünfzig, bald Grufti. Kay macht sich hoch, schnappt den Kaffeebecher und verschwindet im Bad.
„Männer sind wie Autos, ein schönes Heck trägt erheblich zum guten Aussehen des Modells bei“, flötet Mirjam.
5 Er hatte
sich für seinen dunkelgrauen Anzug entschieden und einen schwarzen Rollkragenpullover. Zufrieden bemerkt er, dass er immer noch in die Klamotten passt. Das Jackett hängte er auf den Stuhl am Schreibtisch. Langsam sollte er etwas Essbares zu sich nehmen, so ging er in die Küche.
Femme fatal, schoss es Kay spontan in den Kopf. Die beiden Mädels räumte auf, dabei wollt er nicht stören und er war echt froh, dass sie keine Ansage von ihm dazu benötigten. Für seinen Geschmack kichert sie zu viel dabei. Sobald er mit Katrin alleine ist wir der mit ihr über das abgebrochene Studium reden müssen. Und er hofft, sie hat eine plausible Erklärung, die er akzeptiert. Ohne auf die beiden jungen Damen zu achten schenkte er sich noch einen Kaffee ein. Perfekt, Katrin hatte nicht vergessen, wie gerne er frische Eier zum Frühstück mochte. Er stellte eine Pfanne auf den alten Gasherd auf, schleuderte ein Stück Butter hinein und erhitzte das Fett. Vier Eier landeten in der Pfanne, kurzes Grübeln und er schlug zwei Weitere auf. Genau zum richtigen Zeitpunkt, nicht zu fest und nicht zu wabbelig landeten die Eier auf dem bereitgestellten Teller. Über die Konsistenz von Rühreiern konnte Kay mit ellenlangen Abhandlungen aufwarten. Nur keiner wollte es hören. Salz und Ketchup auf die Eier und er war äußerst zufrieden. Das nahm ein jähes Ende.
„Wissen Sie eigentlich wie ungesund das Zeug ist, was Sie ihrem Herz zumuten.“ Mirjam kam direkt auf ihn zu und pflanzte sich vor ihm auf wie sein Kindermädchen aus dem Mittelalter. Fünf Stiche hatte die Narbe am Kinn mindestens, bemerkte Mirjam. Stand ihm gut frisch rasiert und der Oberlippenbart gestutzt.
Während Kay sich sicher war, dass sein Herz nur ihn was anging motzte das kleine Biest weiter.
„Wissen Sie was das kostet, wenn Sie einen Herzinfarkt bekommen und wir mit unseren Krankenkassen Beiträgen aufkommen müssen.“
Kay hört sich sagen er sei privatversichert. Was ging die Göre das an? Warum reagierte er überhaupt? Herzinfarkt, ausgerechnet er, er war gesund bis aufs Mark.
„Das ist auch eine Gemeinschaft die für Sie aufkommt!“
„Also besser gleich abkratzen“, maulte er. Dabei schob er sie ostentativ bei Seite, Kurs Schreibtisch. Nichts auf die lange Bank schieben, Bewerbungen schreiben.
„Na Sie haben ja ein schlichtes Gemüt“! sagte Mirjam.
„Nicht nur das, ich bin auch verdammt schlicht.“ Warum hat er jetzt der Schnepfe schon wieder geantwortet?
„Wie lange bleibst du diesmal?“, fragte Katrin. Von großem Interesse war die Frage nicht, denn sicher würde er bald, nach ein paar Tagen wieder im Flieger sitzen. Doch leider.
„Ich bleibe hier!“ Hätte er so nicht sagen sollen, denn Katrin fielen vor Schreck, mit lautem Getöse die Gläser aus der Hand.
Kay zog eine Grimasse. Passiert ist Passiert nörgeln rettet die Gläser auch nicht mehr.
„Und wie willst du das anstellen? Ich meine Arbeit und so, ja überhaupt?“
Kay startete den Rechner und ärgerte sich über den alten Computer. Ein neuer Rechner wäre eine unliebsame Geldausgabe.
„Sag ml, redest du nicht mit jedem?“ reklamiert Katrin.
Kay lässt sich nicht ablenken. Zwar ist er nicht arbeitslos, aber den man ihm am Heimatstandort angeboten hat will er nicht antreten.
„KAY!“ ruft Katrin.
„Was? Ich bleibe hier und gehe in die Akquisition.“
Katrin lacht. „Der personifizierte Trapper designiert zu Nadelstreifen.“
„Eben, dazu hat er keine Lust“, antwortet er. Er drehte sich um und sah die beiden Frauen an, dabei versenkte er die Hände tief in den Hosentaschen. Ihr Blick verriet ihm, dass er vermutlich gerade aus der Umlaufbahn vom Mars gestürzt sie. Seltsamer weise fixierte ihn Mirjam besonders intensiv.
Kay zog aus seinem Rucksack einen USB-Stig . Die Anschaffung eines neuen Rechners blieb ihm nicht erspart, wenn er weiter an seinem Projekt arbeiten wollte. Hier und heute fehlte ihm aber die nötige Konzentration um seine Änderungen, die er im Flugzeug erdachte in die Datei einzugeben.
„Wo hat er die Narbe am Kinn her?“ fragte Mirjam Katrin leise.
Sie konnte nicht wissen, dass Kay wie ein Maulwurf besaß, gut trainiert,