Hausaufgaben, unter anderem Biologie und Physik und widme mich erst zum Schluss meinen Schreibhausaufgaben. Das Beste kommt bei mir einfach immer erst zum Schluss, so verliere ich die Motivation auch nicht zu schnell.
Ich schreibe über den schweren Abschied von Scar und meinem Dad, wie sie beide weinen mussten. Über das Drama mit Aby und wie ich mich erleichtert und gleichzeitig hintergangen gefühlt habe. Ich schreibe sogar ein paar Sätze über Aiden. Auch, wenn er mir egal ist, beschäftigt er mich auf irgendeine Art und Weise. Ich frage mich, was für ein Buch es ist, das er veröffentlicht hat. Es ist bestimmt ein Krimi, das würde zu ihm passen. Oder vielleicht ist es ein Roman? Nein. Romantik passt ganz und gar nicht zu ihm.
Wieder einmal wundere ich mich über mich selbst, wie schnell ich doch über ihn urteile, obwohl ich ihn überhaupt nicht kenne. Ich war doch sonst nicht so.
Als ich bemerke, dass ich allein über Aiden eine Seite verfasst habe, klappe ich meinen Laptop seufzend zu. Ich muss mich auf die wesentlichen Dinge konzentrieren und da ist Aiden definitiv nicht dabei.
Die Tür geht auf und Aby kommt ins Zimmer herein. Sie hat wie immer ein Lächeln auf den Lippen. "Was würdest du davon halten, wenn ich dich heute Abend mit zu einer Lesung nehme? Da sind total viele coole Leute und du kannst dir coole Geschichten von vielleicht bald - wahrscheinlich nicht - erfolgreichen Autoren anhören."
Viele coole Leute? Ich denke nicht, dass das etwas für mich ist. Allein schon wegen des Adjektivs „viele“.
"Nein, danke. Ich denke, ich bleibe hier und lese ein Buch oder so", winke ich ab.
"Rave, komm schon. Du kannst doch hier nicht an deinem ersten Tag im Zimmer hocken."
"Rave?" Ich ziehe eine Augenbraue hoch.
"Ja, cool, oder? Ist mir heute auf dem Nachhauseweg eingefallen. Ich wusste nicht, ob du schon einen Spitznamen hast, deshalb einfach: Rave. Aber wie auch immer, bitte, komm heute mit. Dann können wir uns ein wenig besser kennenlernen. Bisher wissen wir ja noch nicht so viel voneinander." Ich wundere mich schon fast, dass sie nicht auf Knien rutscht und mich anbettelt. Sie scheint wirklich zu wollen, dass ich mitkomme.
Ich möchte eigentlich wirklich nicht mit. Aber eine Lesung stelle ich mir extrem interessant vor, ich war vorher noch nie auf einer.
Ich seufze ergeben. "Okay."
"Okay?"
"Ja, okay, ich komme mit."
"O, danke, danke, danke! Ich verspreche dir, das wird super! Danach können wir, wenn du Lust hast, noch in eine Bar oder so gehen."
Ich bereue jetzt schon meine Entscheidung. Ich hoffe nur, dass so etwas wie heute nicht öfter vorkommt. Auf gar keinen Fall darf ich mich von der Schule ablenken lassen. Dieses College entscheidet wirklich alles für meine Zukunft.
Nachdem Aby mir ungefähr eine Stunde das Ohr über jegliche Autoren abgekaut hat, die bei diesen Lesungen gewesen sind und heute erfolgreich sind, machen wir uns endlich auf dem Weg zum Café, in dem die Lesung stattfindet.
Wir betreten das Café und sofort fällt mir dieser berühmte Charme von Lesungen entgegen. Ganz vorne ist eine kleine Bühne aufgebaut, davor stehen Stühle in Reihen aufgestellt. Hier können ungefähr dreißig Leute sitzen. Relativ klein für eine Lesung, aber es ist definitiv gemütlich.
"Komm, da hinten sind sie", sagt Aby und winkt zum anderen Ende des Raumes.
Wer, sie? Ich dachte, wir gehen allein. Na, klasse. Auf neue Bekanntschaften habe ich wirklich keine Lust. Ich wusste, ich hätte einfach im Zimmer bleiben sollen.
Sie führt mich zu einer Gruppe von jungen Männern und alle sehen mich an, als wäre ich irgendein Tier im Zoo. "Rave, das ist Noah." Sie deutet auf einen etwas kleinen Kerl mit blond gefärbten Haaren.
Er streckt mir mit einem sehr sympathischen Lächeln die Hand entgegen. "Hallo, Rave."
Ich schüttle lächelnd seine Hand und schaue zu dem Typen neben ihm.
"Das ist Leon", erklärt Aby wieder glücklich und auch Leon begrüßt mich.
Er ist etwas größer als Noah und hat kurzes braunes Haar. Er sieht auch ein wenig älter aus als er, aber trotzdem sieht er nett aus.
"Und zu guter Letzt: Lucas."
Lucas schüttelt meine Hand. "Hey, Rave. Wir haben gehört, dass dich nachts Bilder von Boybands verfolgen, stimmt das?", fragt er ernst.
Ich sehe ihn fragend an. "Ähm ..."
"War doch nur ein Spaß! Aby hat uns nur erzählt, wie du geguckt hast, als die ganzen Bilder von den Beatles in eurem Zimmer hingen. Es soll ein Meisterwerk von einem Drama gewesen sein." Er lacht laut. Seine Lache klingt wie die einer Hexe. Um Gottes Willen.
"Für mich war es eher eine Komödie", stimmt jetzt Aby mit ein.
"Für mich war es purer Horror!", lache ich mit und fühle mich gleich ein wenig sicherer in dieser Konversation.
Lachen ist immerhin ein gutes Zeichen.
Ein älterer Mann bittet alle Anwesenden durch ein Mikrofon sich zu setzen, damit die Autoren ihre Geschichten vorlesen können. Ich bin froh, dass wir uns in die letzte Reihe setzen, obwohl rechts neben mir noch ein Platz frei ist und ich Angst haben muss, dass sich dort jemand Fremdes hinsetzen würde und mich vollsülzt, während ich die Geschichte hören möchte.
Ich bin froh, dass dort immer noch niemand sitzt, als der erste Autor sein Buch vorstellt.
Er beginnt mit dem Prolog. Es scheint ein Drama zu sein.
"Seine Tochter leidet an Krebs, stirbt und er bringt sich letzten Endes um." Jemand scheint sich doch auf den freien Platz neben mir gesetzt zu haben.
Ich drehe mich nach rechts und ... Das kann doch wohl nicht sein Ernst sein.
"Das ist hoffentlich ein schlechter Scherz", sage ich mehr zu mir selbst und verdrehe die Augen.
Mister Neunmalklug.
"Nein, es ist eine Tatsache. Er hat das komplette Konzept des Buches von Morris Hendler geklaut. Das bemerkt eigentlich jeder Vollidiot." Er macht sich immer unsympathischer und soll einfach die Klappe halten.
"Könntest du bitte still sein? Es fällt mir schwer, mich zu konzentrieren, wenn ständig dumme Worte aus deinem Mund kommen.“ Ich sehe ihn nicht mal an.
Aiden schnaubt, ist dann aber tatsächlich still. Tja, leg dich bloß nicht mir an.
Ich kann ihn bis hier hin riechen. Moschus und Jasmin. Ich liebe Jasmin ... Stop, konzentrier dich auf die Lesung. Stell dir einfach vor, er wäre gar nicht hier. Leider gar nicht so einfach. Sein betörender Duft vernebelt meine Sinne total und ich höre der Geschichte nur noch halbherzig zu.
Aiden hatte Recht. Die Tochter des Protagonisten litt an Krebs und der Vater brachte sich am Ende um.
Nachdem noch zwei weitere Autoren ihre Bücher vorgelesen haben war ich erleichtert, dass Aiden keine Kommentare mehr abgegeben hat, sondern einfach nur noch schweigend neben mir saß und seine Düfte verteilt hat.
Ich wende mich an Aby, die links neben mir sitzt. "Was machen wir jetzt?"
"Wir könnten -" Aby stoppt und sieht hinter mich. "Hey, Aiden, ich wusste gar nicht, dass du auch kommst."
Ich verdrehe die Augen und sehe nicht mal hinter mich. Wahrscheinlich grinst er wieder blöd mit seinem Grübchenlächeln.
"Hab mich spontan dazu entschieden mal wieder vorbeizuschauen. Auch, wenn ich heute nichts vorlese", höre ich ihn sagen.
"Aby", quengle ich ungeduldig. Ich will keine Sekunde mehr neben diesem arroganten, gut riechenden Grübchenlächeln sitzen. Er bringt mich durcheinander und macht mich nur wütend, das kann ich momentan nicht gebrauchen.
Aby sieht jetzt wieder mich an. "Ach so, ja, wir könnten zu Clavers in die Bar gehen. Die anderen Jungs wollen auch mit." Sie sieht wieder grinsend zu Aiden rüber.