Thomas GAST

Dog Soldiers


Скачать книгу

er noch?«

      »Lebœuf.«

      »Den meine ich. Also falls Sie die Absicht haben, ihn als Führer zu nehmen, dann kann ich Ihnen nur abraten.« Er sah sich um. »Suchen Sie sich einen anderen!«

      »Und warum, wenn ich fragen darf?«

      Er musterte mich eine Weile abschätzend und legte dann seine Hand auf meine Schulter.

      »Ich wette, dass Sie und Ihre Truppe über genügend Wertsachen verfügen. Gold, Bares oder sonst was, hab ich Recht?«

      Ich überlegte kurz, schüttelte aber entschieden den Kopf.

      »Wir bezahlen ihn, damit er uns nach Grizzly Gulch führt. Ich denke, er wird nicht mehr dafür bekommen, als üblich ist, ein paar Dollar hin, ein paar Dollar her. Reich wird er sicherlich nicht damit.«

      Jetzt lachte der Kapitän. Er lachte mich aus, so kam es mir vor. Ich hatte mich schon halb abgewandt, als seine Stimme mich erreichte.

      »Sie sind ein verdammter Einfaltspinsel, aber die Geschichte geht mich im Grunde nichts an. Tun Sie, was Sie für richtig halten, aber ein Wort noch.«

      Ich hob ihm fragend mein Gesicht entgegen.

      »Es geht nicht nur um Sie, haben Sie auch daran gedacht? Sie haben Frauen und Kinder dabei. Einen Mann hat Lebœuf schon unter die Erde gebracht. Einer weniger, der sich im entscheidenden Augenblick gegen ihn richten kann. Sie sind im Besitz von etwas, das er sich aneignen will. Und was dieser Gent nicht will, und da können Sie Gift drauf nehmen, sind einige lumpige Dollar. Farewell, Mister Fontaine, ich wünsche Ihnen viel Glück und bei Gott, das werden Sie auch brauchen.«

      Ich dachte an die Diamanten. Ich trug sie in einem ledernen Beutel auf meiner Brust, und niemand, auch Lebœuf nicht, konnte davon wissen. Carmen bildete die einzige Ausnahme, und so sollte es auch bleiben. Die Worte des Kapitäns gingen mir nicht aus dem Kopf, und ich verbrachte die nächsten Tage damit, Lebœuf heimlich zu beobachten. Nichts jedoch in seinem Verhalten gab mir einen Hinweis, der mich dazu zwang, unser Vorhaben einer grundlegenden Revision zu unterziehen. Fakt war, keiner von uns mochte ihn, aber wir waren inzwischen alle davon überzeugt, dass er der richtige Mann für uns war. In Kansas City hatten wir uns wohlweislich über ihn erkundigt. Man kannte ihn dort als Frontiersman, einen jener Männer also, welche das Land, die Indianer und die Launen der Natur sehr genau kannten. Man beschrieb ihn uns als jemanden, dem Angst ein Fremdwort und umsichtiges Handeln eine Tugend war. Er, da waren wir überzeugt, würde uns ein guter Führer und Begleiter sein. Mit den Tagen, die vergingen, vergaß ich das Gespräch mit dem Kapitän, vergaß den guten Ernst Bodenhausen und wie er gestorben war, und das war gut so. Nachdem wir den Yellowstone weit hinter uns gelassen hatten, wurde der Fluss wieder enger und Stromschnellen gehörten fortan ins alltägliche Bild. Die weitere Reise bis Fort Benton verlief ab diesem Zeitpunkt merkwürdig ruhig und so gingen wir dort mit dem Gefühl von Bord, nichts könne uns mehr etwas anhaben.

      Fort Benton

      Fort Benton war ein alter Posten der Nord Western Fur Company. Man hatte den Ort wie ein Rechteck angelegt. Es gab zwei Türme und alles in allem neun Gebäude aus Adobe-Ziegeln. Alle Gebäude hatten Fenster und Türen, diese aber nur auf den nach innen zum Platz gelegenen Seiten, um einem Angreifer keine Chance zu geben in das Fort zu gelangen. Wir erstanden vier Ochsenkarren, jeder gezogen von vier Ochsen, und ein halbes Dutzend Maultiere sowie zwei Pferde. Dazu natürlich noch all die kleineren Dinge, die benötigt wurden. Rede ich von uns, so meine ich damit, dass die Bodenhausens sich längst in allen Entscheidungen, die ich traf, uns anschlossen. Sogar über einen winzigen Teil ihres Kapitals konnte ich zum Kauf für die notwendigsten Anschaffungen verfügen.

      »Ernst hätte es so gewollt«, jammerte Annemarie, die sich nur allzu bewusst war, dass ihr Mann in absoluter Schmach und Demut, aber dennoch als Held gestorben war. Ein tragischer Held.

      An einem verschneiten, winterlichen Morgen brachen wir in Richtung Helena auf, eine Handvoll armseliger Artisten, eine führerlose, in sich gespaltene deutsche Familie und an ihrer Spitze ein großer Franzose mit einem Cape aus Biberfell Marke Astor des berühmten, mit dem Pelzhandel reich gewordenen Deutschen Johann Jacob Astor. Kaum hatte Lebœuf einen Sattel unter seinem Hintern, war er wie verändert. Er machte erst gar nicht mehr den Versuch, uns zu verheimlichen, dass wir ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert waren. Wie einst Napoleon saß er auf einem prächtigen Rappen und ritt, eine schwarze Zigarillo im Mundwinkel, ständig die kleine Kolonne auf und ab. Quer über den Sattelknauf hing eine Büchse und in seinen Holstern steckten locker zwei Colts, einer links der andere auf der rechten Seite. Dazu trug er Munition in einem Gurt, den er sich über die Brust gespannt hatte. Nur allzu oft hob er seinen Blick und sah hinüber zu der sich nähernden Bergkette, so als wartete er auf irgendetwas.

      Merkwürdigerweise wurde der Tross im Laufe der ersten Stunden bereits durch zwei weitere Reiter verstärkt. Sie waren plötzlich einfach da, ritten Seite an Seite mit uns, als ob es das Natürlichste von der Welt sei. Einer von ihnen war ein hagerer Mann mit einem schwarzen Backenbart. Er wirkte ungepflegt. Das Einzige, was er ständig sauber zu halten schien, waren seine Waffen; selbst ein Amateur, wie ich es war, konnte das erkennen. Der andere war ein Schwarzer, der sich selbst als Brunswick vorstellte. Er hatte kein Kopfhaar, dafür aber war sein Schädel eine einzige violett schimmernde Narbe.

      »Das waren Shoshone«, sagte er, als er meinen entsetzten Blick sah. »Haben mich lebendig skalpiert, und dann laufen lassen. Das hätten sie aber nicht tun sollen, denn ich hab sie alle erwischt. Bis auf den letzten Mann.«

      Lebœuf, der etwas vorausgeritten war und erst jetzt zurückkehrte, schien völlig überrascht. Er nickte den beiden zwar freundlich zu, doch ich kannte seine Körpersprache inzwischen gut genug und was diese ausdrückte, war mit zwei Worten erklärt: Widerwille und Angst! Es war klar, dass er sie kannte. Als Brunswick Lebœuf herantraben sah, schob sich seine Rechte demonstrativ und für jedermann sichtbar in die Nähe seines Coltgriffes. Er grinste dreckig. Ohne anzuhalten sagte er:

      »Du bist mir noch was schuldig, schon vergessen?«

      Lebœuf bekam einen roten Kopf.

      »Und ich hatte dir gesagt, du sollst darauf achten, mir nie wieder über den Weg zu laufen, auch schon vergessen?«

      Die Luft wurde plötzlich dick.

      Der mit dem schwarzen Backenbart ritt neben mir. Er spielte die ganze Zeit mit einem Abhäute-Messer, was Lebœuf mächtigen Respekt einzuflößen schien. »Wenn du nichts dagegen hast, begleiten wir euch ein Stück«, sagte er, schien aber nicht auf eine Antwort zu warten.

      Ich betrachtete den Tross, der sich in die Länge zog. Keiner unserer Leute schien zu wissen, was hier geschah. Keiner außer Kenneth. Er lenkte sein Pferd an meine Seite.

      »Was sind das denn für schräge Typen?«, flüsterte er.

      »Weiß ich nicht«, sagte ich wahrheitsgemäß. »Ich denke aber, es wäre klug, dass wir uns auf Ärger vorbereiten. Sag du den anderen Bescheid. Die Männer sollen ihre Waffen nicht aus der Hand legen, Frauen und Kinder die Planen der Wagen geschlossen halten. Sei diskret. Ich behalte derweil die Neuankömmlinge im Auge.«

      Er nickte, trabte langsam davon.

      Es geschah bei der ersten Rast in der Nähe einer Gruppe vom Wind geduckter uralter Douglasfichten. Wir saßen ab und kochten Kaffee, wobei wir sorgsam darauf achteten, die uns fremden Männer immer im Auge zu behalten. Unseren Frauen konnten wir es nicht verbieten, die Karren zu verlassen, ohne größeres Aufsehen zu erregen, außerdem mussten auch sie ihre Notdurft verrichten. Dasselbe galt für die Kinder. Lebœuf selber war plötzlich verschwunden. Brunswick und der mit dem schwarzen Backenbart warfen ständig Blicke in unsere Richtung. Sie tuschelten miteinander, erhoben sich und kamen schon bald darauf langsam auf uns zu. Brunswick hatte immer noch dasselbe miese Grinsen im Gesicht wie vorher.

      »’n bisschen Gesellschaft gefällig?«

      Ich wollte mich erheben, sah aber sofort in die Mündung einer abgesägten Flinte. »Beweg dich noch ’nen Zentimeter und ich verpass dir ein zweites