Hans Müncheberg

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit


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über das Geschehene zu sprechen.

      „So, und jetzt bedanken wir uns beide bei Frau Neusche für ihre Hilfe.“ Georg reichte Frau Neusche die Hand. „Wir bringen zuerst meine Frau ins Krankenhaus und fahren dann gleich weiter.“ Und zu dem Jungen gebeugt: „So, Thorsten, jetzt bist du dran, danke zu sagen.“ Georg musste den unbeweglich Sitzenden von der Treppenstufe hochziehen.

      Der Junge stand nun mit gesenktem Kopf da. Erst als Georg ihn mahnend anstieß, gab er Frau Neusche die Hand, sagte „Tschüs!“, drehte sich gleich wieder um und ging ins Freie.

      Georg nahm vor dem Haus Thorstens Hand und zog ihn mit sich auf die Straße. Erst als der Knabe sah, dass Helga bereits neben dem Auto stand, lief er zu ihr. Er griff nach ihrer Hand und hielt sie fest, bis er sicher war, im Auto hinten neben ihr zu sitzen.

      Vor dem Haupteingang zum Krankenhaus Köpenick gab es an diesem Morgen Platz genug, um mit dem Auto dort zu halten. Als Helga ausstieg, wollte Thorsten mit ihr gehen. Sie mussten ihm klarmachen, dass es nicht möglich war. Dennoch blieb er ganz dicht neben ihr stehen.

      Georg umarmte seine Frau und flüsterte ihr zu: „In zwei Stunden bin ich wieder hier, spätestens.“ Dann aktivierte er die sogenannte Kindersicherung an den beiden hinteren Türen seines Wartburg, packte Thorsten, setzte ihn wieder auf die hintere Sitzbank und schlug die Türen ins Schloss.

      „Fahrt vorsichtig!“ mahnte Helga. „Ein Unglück ist schon mehr als genug!“

      Georg nickte ihr zu, stieg ein und fuhr sofort los. Ihn würgte es in der Kehle. Thorsten saß da, hielt seinen Rucksack auf dem Schoß und starrte nach vorn auf die Straße, sagte kein Wort.

      Über den gestrigen Tag und sein unseliges Ende mochte Georg nicht mit ihm reden. Es fiel ihm aber auch schwer, jetzt über Belanglosigkeiten zu plaudern, also schaltete er das Radio an und ließ Musik eine akustische Decke über alles Ungesagte legen.

      Voller Furcht, Malte könnte doch schwerer geschädigt worden sein, als es die Ärzte am gestrigen Abend auf ihre zurückhaltende Art übermittelt hatten, erkundigte sich Helga bei der Anmeldung des Krankenhauses, auf welcher Station sich ihr Sohn nach überstandener Operation befinden würde.

      Es war die Chirurgie und nicht die Intensivstation, doch auch dort hatte man den Jungen in ein Einzelzimmer gelegt.

      „Damit ihn in seinem Wärmebett nichts ablenkt und zu unbedachten Bewegungen verleitet“, sagte der Stationsarzt, während er Helga zu dem Zimmer führte. „Er muss noch eine längere Zeit auf dem Bauch liegen. Das ist für ein Kind seines Alters gewiss nicht leicht, aber bis sich auf seinem Rücken die Haut erneuert hat und belastbar geworden ist, können Wochen vergehen. Sie werden verstehen, dass wir eine entsprechende Medikation für unerlässlich gehalten haben.“

      In dem normal großen Krankenzimmer wirkte das eine freistehende Bett seltsam verloren. Helga sah zuerst nur ein hohes, halbrundes Gewölbe über der Liegefläche. Sie stockte für einen Moment, musste erst Atem schöpfen, um das schmerzhaft pochende Herz zu beruhigen, dann zog es sie mit aller Kraft dicht an das Kopfende des Bettes heran.

      Malte schien zu schlafen. Er lag bäuchlings nackt auf einer wattierten Unterlage, das Gesicht dem Fenster zugewandt.

      Helga hockte sich neben das Kopfende des Bettes und sprach ihn mit verhaltener Stimme an: „Malte ... - Malte mein Kind!"

      Sie musste Geduld haben, ihn mehrfach leise und mit viel Zärtlichkeit in der Stimme rufen, bis er ein wenig die Augen öffnete und sich der Anflug eines Lächelns auf seinem Gesicht zeigte. Das Lächeln schien an seinen Mundwinkeln zu verweilen, auch nachdem sich die Augen wieder geschlossen hatten.

      Am Hilde-Coppi-Heim musste Georg klingeln und mit Thorsten auf dem kleinen Podest warten, bis aufgeschlossen wurde. Zu ihrem Glück war es Frau Schultes. Georg nannte ihr den Grund der frühen Rückkehr. Die Erzieherin hob vor Schreck abwehrend die Hände, dann nahm sie Thorsten den Rucksack ab. „Alles klar. Das geht hier seinen Gang. Gute Besserung wünsche ich für ihren Jungen.“

      Nun erst schaute Thorsten unsicher zu Georg hinauf. Fast furchtsam fragte er: „Kommta wieda?“

      Georg musste tief Luft holen, zögerte, war sich nicht sicher.

      Frau Schultes verstand, wie schwer es fallen musste, sich jetzt festzulegen. Um ihrem Schützling die Hoffnung zu lassen, sagte sie: „Weißt du, Thorsten, erst muss doch dein Freund Malte wieder gesund werden.“

      Auf der Fahrt zurück nach Berlin trieben die Sorge um Malte und eine wachsende Ungeduld Georg an, mit seinem Wartburg langsamere Fahrzeuge im Stil eines Rallyefahrers zu überholen.

      Vor dem Krankenhaus Köpenick musste er erst eine Parklücke finden, ehe er zum Hauptgebäude eilen konnte. Mit der Auskunft: „Ihre Frau ist bestimmt noch auf der Station“, lief er in die zweite Etage hinauf und erhielt dies von der Stationsschwester bestätigt. Sie führte ihn den Gang entlang und antwortete auf seine dringlichen Fragen mit Formulierungen, wie Helga sie vom Stationsarzt gehört hatte.

      Als Georg leise die Tür öffnete, blickte Helga auf und sah ihm mit einem Ausdruck geduldiger Hilflosigkeit an. Er kam dicht an das Bett heran und betrachtete wie sie das Gesicht des entspannt ruhenden Sohnes. Da er Malte nicht berühren durfte, weil ihm ein mögliches Erschrecken gefährlich werden könnte, zog er Helga zu sich hoch und umarmte sie schweigend. Lange blieben sie so stehen, sahen hinab auf den schlafenden Jungen und stützten einander.

      Es dauerte Wochen, bis Helga und Georg ihren Malte aus dem Krankenhaus heimgebracht bekamen, weitere Wochen, bis er nicht mehr unter einem von Decken umhüllten Gewölbe auf dem Bauch liegen musste. Sie haben nicht gezählt, wie viele Sprühdosen mit hautpflegendem Panthenol-Schaum über Maltes Rücken entleert wurden.

      Im Krankenhaus hatten Medikamente seine Schmerzen gedämpft, daheim sollten Helga und Georg versuchen, dies durch liebevolle Pflege zu schaffen, unterstützt vom Kinderfernsehen, von Langspielplatten und Bilderbüchern. Da war es gut, dass Georg seine Dramaturgen-Arbeit weitgehend zuhause erledigen konnte. An den Tagen, an denen er zu Besprechungen fahren oder bei Proben anwesend sein musste, machte es Helga möglich, daheim zu sein.

      Endlich konnten die Ärzte den aufatmenden Eltern versichern, auf dem Rücken ihres Sohnes bilde sich über dem Bindegewebe eine neue Epidermis, eine Oberhaut, man dürfe sogar darauf hoffen, dass nicht einmal Narben zurückbleiben.

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