Lucy Pebbles

Der Berg bellt - Acht Pfoten auf dem Dach der Welt


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ins Reich der Hundeträume fiel.

       In dieser eiskalten Nacht träumte Muffin die wunderlichsten Dinge und als er am anderen Morgen erwachte, war er vollends durcheinander.

       „Himalaya“, sagte er schließlich verstört zu sich selbst. „Die lustige Schneepyramide da vorne ist sicher der Himalaya.“ Und auf einmal wurde Muffin ganz fröhlich. „Wenn das wirklich der Himalaya ist“, sagte er erleichtert, „dann kann Johanneskirchdorf auch nicht weit sein.“ Natürlich war das totaler Unsinn, aber Muffin glaubte, dass der Himalaya ein Berg in der Nähe von Johanneskirchdorf sein musste, da Mama immer sagte, dass es dort genauso kalt sei wie im Himalaya. Aber in welcher Richtung lag nun Johanneskirchdorf? Überall wo Muffin hinschaute waren nur Schnee, Eis und verdammt hohe Felsen. ‚Hm’, dachte er, ‚wenn man Johanneskirchdorf von hier nicht sehen kann, wird mir wohl nix anderes übrig bleiben, als über den dummen Himalaya drüber auf die andere Seite zu kraxeln.’

       Gedacht, getan! Und so machte sich der eingeschneite Vierpfötler schließlich auf den Weg den ‚dummen Himalaya’ zu überqueren.

      Ein Bär im Gebirge

      Natürlich dauerte es nicht lange, bis sich Muffin das erste Hindernis in den Weg stellte. Vor ihm lag ein reißender Fluss mit einer unendlich langen Hängebrücke, die ordentlich im Wind schwankte.

       „Oh nein“, sagte er ernst. „Da gehe ich sicher nicht rüber, da schwimme ich lieber.“ Doch nach einem Blick auf die starke Strömung des Gebirgsflusses überlegte er, ob es nicht vielleicht noch einen Plan C gäbe. Doch hinüber fliegen konnte er nicht und so blieb ihm nichts anderes übrig, als vorsichtig die Brücke zu überqueren.

       „Ich muss bloß ein Pfötchen vors andere setzen“, ermutigte er sich dabei und setzte vorsichtig das erste Pfötchen auf die wackeligen Bohlen. „Puh, das wäre geschafft“, sagte er schließlich, während er mit einem Pfötchen auf der Brücke und mit drei Pfötchen noch an Land stand. „Jetzt muss nur noch der Rest vom Muffin auf die Brücke und schon kann’s losgehen.“

       Doch der Rest vom Muffin wollte nicht! „Na los“, ermutigte Muffin seine feigen Knochen. „Nur ein paar Schrittchen über das dumme Wackelding und wir haben’s geschafft!“ In diesem Augenblick sprang auch das mutige Pfötchen wieder zurück zu den anderen. Ärgerlich knurrend entschied er, vielleicht doch besser zu schwimmen, doch als er unten ans stürmische Ufer kam, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen.

       „Ein Bär!“ rief er entsetzt. „Da schwimmt ein Bär!“ Natürlich hatte der Bär sein Gebrüll auch gehört und so paddelte er jetzt neugierig in Muffins Richtung. Dieser reagierte jedoch blitzschnell, nahm seine vier Pfötchen in die Hand (?) und lief…über die gefährliche Brücke ans andere Ufer.

       Vollkommen erschöpft schaute er sich um, doch der Bär schien die Verfolgung aufgegeben zu haben.

       „Ha!“ rief Muffin herausfordernd. „Da hat deine dicke Bärenplauze wohl schlapp gemacht.“ Im selben Augenblick sprang sein Verfolger aus dem Fluss, wackelte mit erhobenen Tatzen auf ihn zu und packte ihn am Hals.

       „Börps!“ sagte er dabei und schlabberte Muffin von oben bis unten wild ab.

       „ARNOLD?“ rief Muffin außer sich vor Angst und Überraschung.

       „Börps!“ erwiderte Arnold, während er seine euphorische Sabberzeremonie fortsetzte.

       ‚Wow’, dachte Muffin dabei beeindruckt. ‚Der ist ja ganz schön gewachsen, seit ich ihn das letzte Mal gesehen habe.“

       Und so machte er sich schließlich gemeinsam mit seinem bärigen Begleiter auf den Weg, das fremde schneebedeckte Land zu erkunden und einen Weg heim nach Johanneskirchdorf zu finden.

      Der Schneeyetibär

      Muffin hatte noch nie in seinem Leben so viel Schnee und Eis auf einen Haufen gesehen und er befürchtete, dass schon eine klitzekleine Lawine ausreichen würde, um Johanneskirchdorf für immer von der Weltkarte zu radieren. Darum ermahnte er Arnold immer wieder vorsichtig aufzutreten und vor allem nicht zu laut zu börpsen. Doch Arnold war das vollkommen schnuppe, er fraß weiter Unmengen der weißen Pracht und machte nebenbei noch lustige Schneehundeengel in den Schnee.

       Schließlich gab Muffin auf. „Ich werde den Großen aber sagen“, sagte er dann noch bedrohlich zu Arnold, „dass du Schuld daran bist, wenn es Johanneskirchdorf nicht mehr gibt.“ Doch auch das interessierte den schneeverliebten Neufundländer nicht, und während er gerade dabei war einen Schneemuffin zu bauen, ließ der echte Muffin sich erschöpft und hungrig in einer gemütlichen Schneehöhle nieder.

       „Ich hoffe nur“, sagte er irgendwann besorgt zu sich selbst, „dass es hier keine wilden Tiere oder so was gibt, man hört und liest schließlich die schrecklichsten Dinge über tierische Lebensformen im ewigen Eis.“

       Kaum hatte Muffin ausgeredet, sprang auf einmal ein großes pelziges Etwas auf seinen Rücken und hielt ihm kichernd die Augen zu. Im ersten Moment traute sich Muffin kaum zu atmen, bis ihm ein leises „Börps“ verriet, wer der hinterhältige Angreifer war.

       „Das ist nicht komisch, Arnold!“ fuhr er seinen kleinen Bruder an. „Ich hätte leicht eine Herzstillstandattacke kriegen können oder noch schlimmere Sachen. Tu’ das nie wieder, hörst du!“

       Etwas eingeschnappt hüpfte Arnold von Muffins Rücken, der ihm schließlich unhöflich befahl: „Los, geh und hole uns etwas Brennholz, hier frieren wir uns sonst die Schnauzen ab.“

       Als Arnold gegangen war, musste Muffin doch ein wenig schmunzeln. ‚Der Kleine hat nur Unsinn im Kopf, aber eigentlich ist er ja ganz süß’, dachte er dabei.

      Der wilde Wauzi aus Johanneskirchdorf

      Doch seine Freude währte nicht lange, da auf einmal ein riesiger Schatten an der Höhlenwand auftauchte. „Habe ich dir nicht eben gesagt, dass du mich nicht mehr erschrecken sollst, Arnold!“ fuhr er den Schatten an, doch nix börpste. „Ich hoffe nur, du hast wenigstens an das Feuerholz gedacht.“

       Aber der Schatten war nicht Arnolds Schatten.

       „Wofür brauchst du Feuerholz?“ fragte die Stimme schließlich bedrohlich. „Willst du etwa meine Höhle in Brand stecken.“ Muffin schluckte, und plötzlich stand ein riesengroßer (echter) Bär mit riesengroßen Pranken vor ihm und funkelte ihn wild an.

       „Ähm“, begann Muffin zitternd vor Angst, „Wir wollten keinen Haus…entschuldigung Höhlenfriedensbruch begehen“, erklärte er dann kleinlaut. „Darum sind wir auch fast schon wieder weg.“ Doch bevor sich Muffin aus der gefährlichen Bärenhöhle schleichen konnte, baute sich der zottelige Bewohner groß vor ihm auf.

       „Wenn du mich fressen willst, dann mach es bitte schnell“, erklärte Muffin dann, während er ihm seinen Kopf hinhielt. Doch gerade als der Bär zupacken wollte, kam Arnold mit dem Brennholz in die Höhle. Und als er sah, dass das Ungetüm seinem großen Bruder an die Wäsche wollte, stürzte er sich ohne darüber nachzudenken auf den Bären und biss ihm ordentlich in die Brust.

       „Aua!“ rief der Bär entsetzt. „Irgendwas hat mich gebissen.“ Und während er ein paar Bärentränchen vergoss, brüllte er Muffin an: „Ruf deinen gefährlichen Hund zurück, der beißt mir noch ein Loch in die Brust!“ Natürlich war das mit dem Zurückrufen gar nicht so einfach, schließlich hatte das in der Welpenschule noch nicht auf dem Stundenplan gestanden, trotzdem wollte Muffin wenigstens seinen guten Willen beweisen und sagte daher läppsch: „Aus, Arnold! Schluss, Arnold!“ Doch es half nichts, Arnold war so wütend darüber, wie der Bär mit Muffin umsprang, dass er nur noch fester zubiss. Der Bär wimmerte vor Schmerz. „Jetzt lass endlich den verdammten Bären los!“ fuhr Muffin ihn am Ende ärgerlich an und Arnold ließ daraufhin tatsächlich von seinem Opfer ab, das sich jetzt weinend in die hinterste Höhlenecke verkroch.

       Stolz und fröhlich mit dem Schwanz wedelnd kam Arnold derweil zu Muffin.