Melanie Weber-Tilse

Revenge - Amys Rache


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Schüsse von draußen zu hören waren, sprintete er vor die Tür. Die Gruppe Jugendlicher lag oder hockte auf dem Boden und er sah, wie Amy ein kurzes Stück die Straße hinunter rannte und dann stehenblieb und einem davonbrausenden Wagen nachschaute.

      Andere kamen aus der Halle gerannt, halfen den Kids auf und es entstand eine wilde Diskussion, wo er raushören konnte, dass Amy ihnen allen das Leben gerettet hatte. Er konnte seine Augen von ihr nicht abwenden, lehnte sich an die Mauer und als sie sich anschickte zu ihnen zu kommen, fiel ihr Blick auf ihn.

      Er merkte sofort, dass sie sich verschloss und betont gleichgültig auf ihn zuging. Diese Frau war nicht irgendeine kleine Kämpferin. Sie war gut ausgebildet … er bezweifelte aber, dass sie einer Regierungseinheit angehörte. Wobei er auch nicht glaubte, dass sie eine Kriminelle war. Doch hier war er sich nicht ganz so sicher. Er stieß sich von der Wand ab und schlenderte auf sie zu. Als er auf Höhe ihrer Tasche war, hob er diese auf und mit seinem geschulten Blick fielen ihm die Schmauchspuren auf. Amy hatte gut gezielt und auch getroffen.

      Wer war sie nur?

      Stumm überreichte er ihr die Tasche und wartete ab. Ein leises Seufzen verließ ihre Lippen. »Schwarzer SUV Lincoln Navigator, Baujahr 2013. Über dem rechten Rücklicht eine kleine Beule, ich tippe auf eine Schranke, die in der Höhe war. Kratzer am Blech direkt über dem Schloss zum Kofferraum. Zwei Personen im Auto. Fahrer, weiß, Amerikaner, männlich ungefähr 30 Jahre alt. Beifahrer und Schütze, männlich, mexikanischer Herkunft, nicht älter als 20. Hat versucht mit einer MP5 die Kids niederzuschießen.«

      Er war nicht leicht zu beeindrucken, dafür arbeitete er schon zu lange in diesem Job und doch hatte sie innerhalb weniger Sekunden all das aufgenommen. Ein Profi war dazu vielleicht in der Lage, dazu gehörte aber jahrelanges Training und Erfahrung. Dabei schien sie gerade einmal Mitte Zwanzig Jahre alt zu sein.

      Er hörte die Sirenen in der Ferne und sofort bemerkte er ihre Reaktion darauf. Sie würde eindeutig nicht hierbleiben und damit hatte sie ihm gerade den Beweis geliefert, dass sie bei keiner Behörde arbeitete … Undercover auf keinen Fall.

      Kurz hielt er sie fest. Er wollte ihr noch einmal in diese wundervollen Augen schauen, in denen er erkannte, dass sie sich wehren würde, wenn er sie nicht losließ.

      Sein 'Danke' quittierte sie mit einem Fingertipp, dann war sie blitzschnell in einer Seitenstraße verschwunden.

      Als die Polizei eintraf, erwähnte keiner der Anwesenden Amy mit einem Wort. Jeder wusste, dass wenn sie verschwand, nicht in die Ermittlungen hineingezogen werden wollte. Schnell hatten die Kids und die Helfer eine Geschichte zusammengebastelt, die der Wahrheit sehr nah kam und doch Amy außen vor ließ.

      Flott war die Polizei auch wieder fort. Keiner von denen wollte sich länger als nötig in dem Viertel aufhalten, dabei war es schon lange nicht mehr so schlimm, wie es einst einmal gewesen war.

      Seit die Geschwister Jace und Vicky hier fast täglich zu sehen waren, vor allen Dingen Vicky, war die Gegend relativ ruhig geworden. Die Arbeitslosigkeit bestand zwar immer noch, aber die Kriminalität hatte abgenommen. Teilweise war das dem Streetkids-Projekt von Vicky geschuldet.

      Jace und Vicky gehörten zu einen der reichsten Familien aus White Beach und doch hatten sie mit ihren Eltern nicht mehr viel zu tun. Jace hatte sogar einige Zeit der Stadt den Rücken gekehrt, war nach einer kriminellen Laufbahn schnell zum FBI gewechselt und hatte dort Jahre Undercover ermittelt.

      Nachdem er Kathy, seine Frau, bei seiner Schwester kennenlernte und herausbekam, dass deren Vater - der hiesige Sheriff - sowie der Richter des Ortes, Kathy missbrauchten, half er ihr aus dem Sumpf heraus und seither waren die beiden nicht nur zusammen, sondern mittlerweile auch verheiratet und hatten eine dreijährige Tochter.

      Victoria, die Schwester von Jace, von allen nur Vicky genannt, hatte sich gegen den Wunsch der Eltern gestellt und anstatt zu studieren und für das Familienansehen einfach nur hübsch anzusehen, war sie in das Viertel gekommen, hatte die Kinder von der Straße angefangen zu trainieren und dies lief nun sogar offiziell als soziales Projekt unter Aufsicht der Behörden. Vicky war mit Vincent, einem ehemaligen Agenten verheiratet und die beiden waren absolut glücklich. Weil Vincent aber nicht für eine Regierungseinheit gearbeitet hatte, was er damals nicht wusste, und auf Jace angesetzt worden war, hatte meine Ryan als Bodyguard für Kathy engagiert, weil der damalige Boss von Vincent fliehen konnte.

      Ryan stieß durch Zufall auf Mia, die eine Halbschwester von Jace und Vicky ist. Der reichste Mann von White Beach, der Vater von den beiden, hatte es mit der Treue nicht so ernst genommen und auf einer Geschäftsreise hatte er eine Tochter gezeugt. Diese Mia war zu dem Zeitpunkt nach White Beach gekommen, als Ryan im Personenschutz tätig war. Nachdem Mia brutal zusammengeschlagen wurde, kümmert sich Ryan um sie und nach anfänglichen Schwierigkeiten waren aus diesen beiden ein Paar geworden. Sie hatten relativ zügig geheiratet und die beiden waren Eltern eines einjährigen Sohnes.

      Nachdem der Exboss von Vincent geschnappt worden war, hatte sich Ryan selbständig gemacht und so schloss sich der Kreis. Chris war bei ihm angestellt und eben diese Menschen waren allesamt in der Halle versammelt. Eine große Familie, zu der er mittlerweile auch gehörte.

      Barney hatte den Laden für heute dichtgemacht und die Gold-Familie inklusive Chris, saßen bei Cola und Wasser im Barney neu eingerichteten Wellness- und Talkbereich und ließen den Abend Revue passieren.

      »Verdammt, das hätte ganz schön ins Auge gehen können«, vermeldete Vicky. »Wer könnte es auf die Kids, oder die Halle abgesehen haben?«

      »Normalerweise keiner. Hier herrscht kein Bandenkrieg. Das gab es noch nie. Und mir wäre auch nichts zu Ohren gekommen, das sich hier eine kriminelle Organisation niedergelassen hätte.« Barney war genauso fassungslos wie alle.

      »Wie hat der Schütze daneben schießen können?« Man merkte Jace, Vincent und Ryan an, dass alle drei die Geschichte, die man der Polizei aufgetischt hatte, nicht glaubten.

      »Amy war das«, mischte sich Chris nun ein.

      »Wer ist Amy?« Nun schien nicht nur Kathy hellhörig, sondern auch Mia und Vicky richteten sich in ihren Sitzen auf.

      »Sie war heute neu hier.«

      »Ah, stimmt«, Barney nickte und holte direkt den Anmeldebogen. »Amy Smith … der Name dürfte nicht stimmen. Hatte heute eine einmalige Nutzung bezahlt. Laut Adresse wohnt sie im Spang Motel. Na, wenn uns das nicht bekannt vorkommt.«

      Alle schauten zu Mia, die nickte. »Oh ja, du brauchst mich nicht daran erinnern, dass ich dort gewohnt habe, als ich hier in White Beach ankam. Sollte die Adresse stimmen …«

      »Ich bin mir nicht sicher, ob sie begeistert sein wird, wenn wir alle dort auftauchen«, wiegelte Chris ab. »Sie scheint generell nicht wirklich zu wollen, dass man etwas über sie weiß. Sie ist sehr gut ausgebildet. Erst dachte ich an einen der Vereine mit drei Buchstaben. Aber das glaub ich mittlerweile nicht mehr. Dafür ist sie zu gut ausgebildet.«

      »Undercover? Würde auch passen, dass sie abgehauen ist, als die Polizei kam.«

      Chris schüttelte den Kopf. »Nein, ich war selbst oft genug auf solchen Einsätzen. Ich kann sie nicht wirklich einschätzen. Weder Regierung, noch würde ich sie zur anderen Seite einstufen. Mir scheint es eher, sie macht ihr eigenes Ding. Was das allerdings ist, kann ich noch nicht sagen.«

      Jace nickte. »Ich würde vorschlagen, dass wir uns einmal darauf konzentrieren, wer die Typen waren, die meinen hier herumschießen zu müssen. Dank dieser Amy haben wir eine sehr gute Beschreibung erhalten. Außerdem würde ich vorschlagen, Chris, dass du dich mal bei dem Motel umschauen gehst, ob sie dort wirklich wohnt. Des Weiteren werde ich mal meine Kontakte spielen lassen und sie durch die Datenbanken jagen. Nicht nur diese Schweine will ich finden, sondern auch wissen, ob von dieser Frau Gefahr ausgeht.«

      »Ich glaube nicht.«

      »Chris, du weißt es aber nicht!« Ryan sein Boss klopfte ihm gutmütig auf die Schulter. Nein natürlich wusste er es nicht wirklich. »Bis die Sache geklärt ist, bist du von deiner anderen Aufgabe abgezogen. Die wird Spencer übernehmen. Du hast ein Ziel Chris: Finde heraus,