Gerhard Wolff

Return, Viktoria


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seit sie laufen konnten Tennistraining erhielten, gewundert und war dann beim gemeinsamen Mittagessen oder beim Abschlussessen der beiden Mannschaften zu ihrer Überraschung mehrfach auf Vickys Talent angesprochen worden. Genauso stolz wie nachdenklich fuhr sie schweigend nach Hause. Sie überlegte, was da gerade mit ihnen geschah. Und das tat auch ihr Mann, der auch am Wochenende für die Firma arbeitete, wenn sie ihm davon erzählte. Und das tat auch Beth, die ihr Wochenende lieber mit ihren Freundinnen verbrachte, als ihre Schwester zu bewundern.

      Nachdem sie irgendwann am späten Nachmittag alle wieder zuhause angekommen waren, trafen sie sich auf der Veranda zum Kaffee oder zum Abendessen. Dann war aber nur noch Vicky das Gesprächsthema.

      „Du warst einfach spitze!“, meinte Sofia voller Bewunderung. „Wie leicht du deine Spiele gewonnen hast, unfassbar!“

      „Ist das wahr?“, fragte Frank stolz.

      „Und wie du dich bewegt hast, wie du die Bälle getroffen hast, wie du die Gegnerinnen ausgespielt hast!“, schwärmte Sofia weiter. „Ich bin kein Tennisfachmann, bei Gott nicht, aber das konnte jeder sehen.“

      „Unglaublich!“, kommentierte Frank.

      Beth saß nur schweigend da und verzog die Miene.

      „Und die Leute, die saßen mit offenem Mund da und staunten über dein Spiel!“, ergänzte Sofia. „Ständig wurde ich gefragt, ob du meine Tochter bist.“

      Frank nickte stolz. „Das muss ein schönes Gefühl gewesen sein, ich muss schon sagen.“ Er dachte nach. „Ich glaube, da muss man aufpassen, dass man nicht größenwahnsinnig wird, wenn man so eine Tochter hat!“

      In diesem Moment sprang Elisabeth so heftig auf, dass ihr Stuhl nach hinten fiel, und stürzte schluchzend davon.

      „Was, was hat sie denn?“, fragte Frank nichts ahnend.

      Sofia sah ihn kurz nachdenklich an. „Ich glaube, ich weiß es!“, versicherte sie und stürmte hinter Elisabeth her. Gleich darauf war sie vor ihrem Zimmer, sie klopfte an, öffnete die Tür, obwohl sie nicht herein gebeten worden war, die Tatsache, dass die Tür nicht verschlossen war, zeigte ihr, dass Elisabeth wollte, dass sie herein kam. Sie ging ohne Umschweife zu ihrer Tochter, die weinend auf dem Bett saß, setzte sich neben sie und nahm sie in den Arm.

      Elisabeth stürzte sich auch gleich in ihre Arme, genoss die Umarmung, weinte jedoch bitterlich weiter.

      Sofia schwieg, ließ sie sich ausweinen, schließlich war es totenstill im Raum. „Schon schwer, wenn man so ein Wunderkind als Schwester hat!“, meinte die Mutter.

      „Furchtbar schwer!“, bestätigte Elisabeth. „Ihr seht ja nur noch sie. Vicky hier, Vicky da! Ich glaube, ich könnte entführt werden oder sterben und ihr würdet es nicht merken!“ Sie sah ihre Mutter vorwurfsvoll an.

      „Mach dir keine Sorgen, Beth!“, beruhigte sie Sofia. „Wir haben dich genauso lieb, wie Vicky.“

      „Leicht gesagt, Mama. Ich empfinde es ganz anders.“ Sie sah ihre Mutter mit einer Mischung aus Trauer und Verzweiflung an.

      „Keine Angst!“, tröstete sie die Mutter. „Es ist halt jetzt erst mal auch für uns neu. Wir müssen das auch erst mal alles verarbeiten. Du wirst sehen, das legt sich bald, bald haben wir uns daran gewöhnt und dann ist alles so wie früher.“

      „Versprochen?“, wollte Elisabeth mit flehendem Blick wissen.

      „Versprochen, Beth!“, meinte die Mutter und drückte die Tochter nochmals fest in den Arm. „Weißt du, ich glaube, man kann leicht überschnappen, wenn man so ein Wunderkind hat, jemanden, der in irgendeinem Bereich einzigartig ist und der von allen deswegen hochgejubelt wird. Man muss in so einer Lage versuchen, sich normal zu verhalten!“ Sie dachte nach. „Es sind schon viele übergeschnappt, die das nicht wussten. Das wird uns nicht passieren!“

      Beth atmete auf.

      „Ich werde gleich mit Vater darüber reden, damit ihm das auch bewusst wird.“

      Nun war Elisabeth völlig beruhigt und lächelte ihre Mutter wieder an.

      4

      Einige Monate waren vergangen, alles war für Vicky eingerichtet und zur Routine geworden und so trainierte sie fleißig, entweder in der Gruppe mit den anderen Spielerinnen, oder mit einer Sparringspartnerin oder im Einzeltraining mit ihrem Trainer Tom.

      „Was, was ist denn nun los?“, rief Frank fragend über den Trainingsplatz, sprang von seinem Tribünenplatz auf, von wo aus er Vickys Training mit kritischem Blick beobachtete, stützte sich auf den Vordersitz und beugte sich hinüber, so als wolle er auf das Spielfeld springen. „Warum, warum hört ihr denn schon auf zu trainieren?“

      Tatsächlich hatten sich Vicky und ihr Trainer Tom zu der Bank begeben auf der ihre Tasche und ihr Schläger lagen und Vicky hatte begonnen, ihre Sachen einzupacken. Da sie ihren Vater akustisch nicht ganz verstanden hatte, winkte sie ihm lächelnd zu.

      Frank lächelte jedoch nicht zurück, sondern hastete durch die Tribünenreihen und dann nach unten zu den Beiden. „Was soll das? Warum hört ihr denn schon mit dem Training auf?“

      Tom schwieg vorsichtig, aber Vicky sah ihren Vater fragend an. „Aber hat dir denn Mutti nicht gesagt, dass ich zum Kindergeburtstag eingeladen bin. Und der beginnt in einer halben Stunde.“ Sie hob den Zeigefinger. „Da ich noch schnell duschen will und wir sicher fünfzehn Minuten Fahrt haben, ist es jetzt höchste Zeit, aufzuhören.“ Damit wandte sie sich wieder dem Einpacken zu.

      Allerdings hatte sie nicht mit ihrem Vater gerechnet. Dieser packte ihre Tennisschlägertasche und holte den Schläger heraus. „Nichts da!“, brüllte er die Beiden an. „Dein Training dauert bis vier Uhr und so lange wirst du auch trainieren!“

      Vicky sah ihn überrascht und ratlos an. „Aber, dann komme ich zu spät zur Eröffnung des Kindergeburtstages. Da gibt es immer lustige Vorstellungsspiele. Und wenn man nicht von Anfang an dabei ist, dann gehört man irgendwie den ganzen Tag nicht dazu. Da kann man gleich wegbleiben.“ Sie schüttelte den Kopf und wollte den Schläger wieder wegpacken, weil sie nicht mit der Beharrlichkeit ihres Vaters gerechnet hatte und seinen Willen auch noch nicht begriff.

      „Gut!“, antwortete dieser. „Dann gehst du eben gar nicht. Jetzt jedenfalls trainierst du noch!“ Damit packte er den Schläger wieder aus und drückte ihn ihr in die Hand.

      Vicky sah ihn unsicher an, verstand noch immer nicht, dass er es ernst meinte.

      Da packte er ihren Arm so fest, dass sie leise aufschrie und zog sie in Richtung Trainingsplatz.

      Tom begriff, dass mit Mr. Taft nicht gut Kirschen essen war, wenn dieser etwas durchsetzen wollte. Er wollte aber auch Vicky beistehen. „Wir haben heute wirklich schon genug geübt, Mr. Taft. Ich denke eine halbe Stunde mehr oder weniger macht den Kohl da auch nicht fett.“ Er lächelte verbindlich.

      Frank ließ sich jedoch davon nicht beeindrucken. „Erstens hat Sie niemand nach Ihrer Meinung gefragt, Tom. Zweitens geht Sie die Sache auch nichts an. Und drittens werden Sie bis vier Uhr bezahlt, also erfüllen Sie Ihre Arbeitszeit!“ Er sah ihn wütend an.

      Tom war klar, dass mit Frank nicht zu reden war, er bemerkte jedoch das traurige Gesicht Vickys, die den Tränen nahe war. Da versuchte er es nochmals gegen besseres Wissen. „Ich glaube, Vicky wünscht sich sehr, pünktlich beim Geburtstag zu sein. Und wir haben heute wirklich schon so viel geübt, dass Vicky kräftemäßig am Ende zu sein scheint. Wir wollen sie doch nicht verheizen oder riskieren, dass sie die Lust verliert. Sie übt ja eh am meisten von allen Spielerinnen.“ Er hoffte, Frank mit der Aufzählung der Risiken beeindruckt zu haben, irrte sich jedoch.

      „Das lassen Sie mal meine Sorge sein!“, meinte dieser nur leise und jeder, der ihn kannte, wusste, dass das ein sicheres Zeichen war, dass er sehr zornig war. „Und jetzt gehen Sie bitte an Ihre Arbeit. Sonst müsste ich mich vielleicht nach einem anderen Trainer umsehen.“

      Tom warf Vicky einen bedauernden Blick zu und begab sich auf