Sandra Dittrich

Die silberne Stiefelschnalle


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um den Maibaum, während die ledigen Frauen sich, mit Blumenschmuck im Haar, auf den Tanz freuten. Eva Picht winkte ihrer Freundin Lisbeth, über die Köpfe der anderen hinweg, zu. Ihre strahlend blauen Augen leuchteten vor Freude. „Stell dir vor, der Gabriel Rücker hat mich als Maigräfin auserkoren, mich.“

       „Glaubst jetzt endlich, dass er dich gern hat“, sagte Lisbeth. Sie reckte den Hals. Wo war Melchior geblieben. Die Frau des Forstmeisters stand bei Melchiors Mutter. Die zwei tuschelten miteinander. Irgendwie kam Lisbeth sich beob-achtet vor. Üppiger Fliederduft erfüllte die Luft. Die Musikanten machten sich bereit. Ob der Herr Wilhelm von Grumbach kommen würde? Lisbeth konnte keinen Gedank-en mehr daran verschwenden. Zwei Hände hielten ihr die Augen zu. Melchior drehte seine Angebetete überschwänglich um, und überreichte ihr einen winzigen Veilchenstrauß. „Da bist du ja!“, freute sich Lisbeth, „recht schönen Dank für deinen Baum. Hast dir einen besonderen Platz dafür ausgesucht.“ Sie drückte Melchior einen Kuss auf die Wange und nahm seine Hand. „Ging nicht anders. Der Adrian wollte mich nicht ins Dorf lassen“, antwortete Melchior und rückte ein Stück näher an Lisbeth heran. „Wann lässt der uns endlich in Ruhe“, entgegnete diese. Daniel Haupt der Bürgersprecher schritt, mit seiner Frau Uta, an ihnen vorbei, und eröffnete den Tanz.

       Bald tönten Gelächter und Gesang bis hinauf zur Burg, wo Anna von Grumbach seit Stunden auf die Rückkehr ihres Gemahls wartete. Eine steile Zornesfalte zierte ihre Stirn. Pfarrer Ziegler versuchte die Dame abzulenken. „Selbst die billigen Bauerndinger sitzen nicht allein in ihrem schäbigen Unterschlupf an diesem Tag. Vielleicht bedient der Herr von Grumbach sich wieder mal an so einer!“, zischte die Burg-herrin. „Geduld verehrte Frau von Grumbach, vergesst nicht, lieber ist es uns, wenn unsere Bauern um den Maibaum tanzen, als stürmten sie die Burg. Wer weiß, ob die Saat aufgeht und diese Bauern sich morgen gegen uns erheben. Denkt an die Belagerer um Würzburg. Da müsst ihr dankbar sein, wenn der Ritter von Grumbach unversehrt zurückkommt.“ Anna nickte ergeben. Ihr Blick schweifte aus dem Fenster hinüber zur Spitze des Maibaumes.

       Seit fünf Jahren, war es Brauch geworden eine große Birke am Dorfplatz aufzustellen. Allerdings hielten selbst die Forstgehilfen am Ausbringen der kleinen Liebesmaien fest. Ob Wilhelm dort unten war, es nicht für nötig hielt seine Frau zu begrüßen? Es klopfte an der Tür ihrer Kemenate. Enttäuscht sank Anna beim Anblick des alten Mannes auf ihre Bank im Erker. „Seid gegrüßt Schwiegervater“, erhob sie die Stimme. Conrad von Grumbach komplimentierte den erschöpften Burgpfarrer hinaus. „Anna was grämst du dich? Du weißt wie gefährlich es ist im Land“, versuchte Conrad seine Schwiegertochter abzulenken. „Ja, im Notfall bin ich alleine, mit einem greisen Mann und einem Pfarrer, der in seinem Oratorium sitzt und bibbert“, bemerkte sie gehässig. „Sei nicht ungerecht Anna. Wilhelm erfüllt dir jeden Wunsch und er ist vernarrt in eure Tochter Ursula, obwohl ein Erbe besser gewesen wäre. Der Michael Trehninger und seine Leute sind erfahren genug, als Bewacher der Burg. Selbst mir Greis ist`s eine Ehre meine kleine Feste zu verfechten!“, mahnte Conrad von Grumbach. „Ach ihr redet wie der Pfarrer“, schmollte Anna. Conrad verließ die Kemenate. Diese Frau sollte zufrieden stellen wer wollte. Seit ihrer Ankunft auf der Burg, musste alles nach ihrem Kopf gehen. Die von Hutten hatten ihre Tochter verhätschelt wie einen Schoßhund. Selbst das Führen des Haushaltes bereitete ihr anfangs Probleme. Für Wilhelms politische Reisen und den Kriegsdienst, den er leisten musste, zeigte sie keinerlei Verständnis. Das Beste war für Anna nicht gut genug.

       Auf dem Dorfplatz erreichte das Frühlingsfest seinen Höhepunkt. Die Sonne versank orangerot hinter den Hügeln und die Dämmerung setzte ein. Der Maigraf Gabriel Rücker entzündete, mit einer Pechfackel, das Maifeuer. Adrian Kraft wankte an den tanzenden Pärchen vorbei, drehte suchend seinen Kopf und torkelte. Schließlich fand er das Objekt seiner Begierde. Lisbeth stand, mit Eva Picht und der Burgköchin am Brunnen. Ein frischer Wind kündigte die Nacht an. Adrian Kraft stolperte in die Gruppe der Frauen, packte Lisbeth und zog sie mit sich fort. Eva Picht schrie auf und strauchelte, als Adrian sie streifte. „Ein Tänzchen musst du mir gewähren, Lisbeth! Kannst meinen Liebesmaien schmähen! Trotzdem, der Melchior ist nicht gut genug für dich“, lallte er unverständlich. „Lass mich, Adrian. Geh, schlaf deinen Rausch aus! Besoffen wie ein siegestrunkener Landsknecht bist du!“, entrüstete sich Lisbeth. Sie wich angewidert zurück, ob des weinseligen Geruches, den der Knecht verströmte. Warum ließ er sie nicht endlich in Frieden! Da sprang Melchior herbei.

       „Schlägerei!“, grölte der alte Bastlein unter der Dorflinde hervor. Adrian bekam einen heftigen Hieb auf die Nase. Ein blutiges Rinnsal war das Ergebnis. Dafür traf er Melchior am Auge. Der holte erneut aus. Daniel Haupt und Gabriel Rücker hielten ihn fest. Zwei andere umklammerten den tobenden Adrian Kraft, als eine voluminöse Stimme der Schlägerei lautstark ein Ende setzte. „Ihr Taugenichtse, zeigt gefälligst mehr Respekt, wenn euer Herr nach Hause kehrt!“ Majestätisch saß Wilhelm von Grumbach, in voller Rüstung, auf seinem schwarzen Hengst. Die Streithähne stoben auseinander. Adrian Kraft wankte Richtung Niederhof davon, während die restlichen Dorfbewohner ihren Herrn gebührend begrüßten.

       Der Bürgersprecher, Daniel Haupt, reichte ihm unterwürfig einen Becher Wein. Wilhelm leerte ihn durstig in einem Zug. Sein Blick fiel auf Eva Picht, die neben Gabriel Rücker stand. „Saubere Maigräfin hat er sich auserkoren“, sprach er den Stallknecht seines Rittergutes an, und schaute lüstern auf Evas volle Brüste. Dann befahl er seinem Tross, mit einem Wink, den Aufbruch. Wilhelm warf den geleerten Becher in die Arme von Cunz Leuboldt und ritt los. Bevor die Dunkelheit den Ritter umschloss, blickte er Eva Picht direkt an. Der Magd lief es eiskalt über den Rücken. Da packte Gabriel sie plötzlich. Melchior und Lisbeth sprangen gerade, Hand in Hand, über das heruntergebrannte Feuer. „Wollen wir auch?“, hörte Eva seine Stimme nah an ihrem Ohr. Eva nickte. „Ich wusste gar nicht, dass es dir so ernst ist“, lächelte sie verlegen. „Ich auch nicht bis vorhin“, gestand Gabriel, im warmen Schein der Flammen. Von Glückseligkeit überrollt drückte Eva seinen Arm, ein Sprung über das Feuer kam einem Eheversprechen gleich. Beide landeten unversehrt auf der anderen Seite. Eva war schwindlig vor Freude. Tausend Gedanken jagten durch ihren Kopf und ein Kribbeln erfüllte ihren ganzen Körper. Lisbeth zwinkerte ihrer Freundin zu. „Wartest du vorne an der Linde auf mich“, flüsterte Gabriel, „ich möchte gern mit dir alleine sein.“

       Eva kicherte nervös. Sie war bereits lange heimlich in Gabriel verliebt. Gedankenverloren ging sie zur Linde, deren honigsüßer Duft sie umfing. Burkhardt Bastlein schnarchte dort am Boden. Eva war aufgeregt. Noch nie war sie mit einem Mann allein gewesen. Die junge Frau lehnte sich an den Baumstamm, als sich ihre Nackenhaare sträubten. Jemand versteckte sich auf der anderen Seite des Stammes. Da war ein leises Atmen, oder? Laut grunzend übertönte der schnarchende Bastlein das Geräusch. Er drehte sich schmatzend auf die Seite. Das waren Schritte! Sie kamen auf Eva zu. „Gabriel?“, fragte sie zaghaft.

       Statt einer Antwort, wurde Eva ein Sack über den Kopf gestülpt, und grobe Pranken warfen sie über den Sattel eines Pferdes, das weiter weg an einen Zaun gebunden war. Der Sattelknauf drückte. Eva zitterte vor Angst. Nach einem kurzen Ritt, wurde die Magd in eine Scheune gebracht, wo ihr Entführer sie zurückließ. „Da ist sie!“, hörte Eva eine ihr unbekannte Stimme, dann Schritte die sich entfernten. Sie war wie versteinert, als man ihr den Sack vom Kopf riss. Im Schein eines trägen Öllämpchens erkannte Eva die Scheune des Niederhofes wieder. War das ein schlechter Scherz von Gabriels Freunden? Die Knechte des Rittergutes waren allesamt ein ungehobelter Haufen.

       Aus dem Halbdunkel löste sich eine Gestalt. Wilhelm von Grumbach grinste selbstgefällig. Er hatte seine Kriegsbekleidung gegen einen leuchtend roten Oberrock und braune Beinlinge getauscht. Die kleinen Augen, der schmale Mund, allein das machte keinen vertrauenswürdigen Eindruck. Die Luft schien zum Schneiden dick, Mäuse raschelten im Stroh und von nebenan hörte man das leise Wiehern eines Pferdes. Eva Picht erstarrte. Sie hatte Todesangst. Wilhelm umkreiste seine Beute immer enger. Er sagte kein Wort. Mit einem Mal riss er Eva das Kleid in Fetzen und warf sie ins Heu, dann fiel er über sie her. Eva biss voller Ekel in ein Büschel Stroh.