Jean-Pierre Kermanchec

Der Hausgeist


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hätte, wenn wir dich mitbringen würden“, erklärte Babbel mit nachdenklicher Miene.

      „Stimmt“, ergänzte Annick, „er ist in der Tat sehr zurückhaltend.“

      Nach dem Abendessen hatten sich die drei Geschwister in Oliviers Zimmer begeben. Annick und Isabelle wollten ihrem Bruder vorsichtig beibringen, dass Myriam alles über Rampi wusste.

      „Ihr seid die reinsten Schwatzbasen, nichts könnt ihr für euch behalten. So eine Scheiße.“

      „Hör mal Olivier“, meldete sich Isabelle, „du weißt sicher, dass man solche Ausdrücke nicht in den Mund nimmt. Wenn Papa dich gehört hätte, dann wäre es für dich sicherlich nicht so lustig geworden.“

      Sichtlich befriedigt, den großen Bruder zur Ordnung gerufen zu haben, lehnte Isabelle sich zurück und wartete auf Oliviers Antwort. Dieser verdrehte nur die Augen und ließ beinahe unvernehmlich ein hmmm hören.

      Olivier hatte nichts gegen Myriam. Aber schließlich sollte die Angelegenheit ja vertraulich behandelt werden. Auf Mädchen konnte man sich halt einfach nicht verlassen. Wenn du etwas öffentlich machen willst, dann musst du nur zu einem Mädchen sagen, es sei ein Geheimnis, und schon machte es die Runde. Diese Weisheit stammte zwar nicht von ihm, aber er hatte es schon oft gehört. Der Beweis dafür war ihm ja gerade geboten worden.

      „Was machen wir jetzt“, fragte er Annick, „wenn Myriam nun auch mit dabei sein möchte?“

      „Dann darf sie eben, sie ist ja auch unsere Freundin, oder etwa nicht?“

      „Ja, stimmt schon, aber hoffentlich erzählt sie es nicht auch noch weiter.“

      Damit war für Olivier die Sache abgeschlossen und er wollte jetzt zum weiteren Vorgehen Überlegungen anstellen. Bis 10 Uhr morgen früh musste er die Informationen zu den möglichen Besuchern einholen.

      „Wenn ich morgen früh mit der Redaktion der Zeitung telefoniere, dann könnte Vater mich hören und fragen, warum ich so etwas wissen möchte. Was sage ich dann?“

      Die drei Kinder dachten darüber nach, was sie in dem Fall antworten würden. Annick hatte wie immer eine Idee.

      „Olivier, du könntest doch einfach sagen, dass wir eine Schülerzeitung machen und du einen Artikel über die nächsten Besucher unseres Landes schreiben möchtest, sozusagen, um der Zeitung eine höhere Aktualität zu verleihen.“

      „Mensch Annick, das ist die Idee!“ Olivier strahlte, das Problem war gelöst. Damit konnte er problemlos sein Versprechen Rampi gegenüber einlösen.

      Kapitel 4

      Es war gerade acht Uhr, als Olivier fertig angezogen, am nächsten Morgen die Treppe herunterkam und zielstrebig auf das Telefon zuging. Der Apparat stand im Wohnzimmer. Vater saß leider auch schon da, die Zeitung in der Hand. Vertieft in den Sportteil sagte er zu Olivier „Guten Morgen“, ohne aufzusehen. Olivier setzte sich neben das Telefon, nahm den Hörer ab und wählte die gestern Abend herausgesuchte Nummer. Er hatte sie sich auf ein Blatt Papier geschrieben. Als Vater die Wählgeräusche hörte, senkte er seine Zeitung etwas und fragte, über den Rand der Zeitung hinwegschauend, „Olivier, wen rufst du denn an?“

      „Das Luxemburger Wort, Vater“, erwiderte Olivier ganz lässig.

      „Die Zeitung? Wieso denn das?“

      „Nun, das ist so. Wir sind dabei, in der Schule eine Schülerzeitung herauszugeben. Ich darf dabei einen Artikel zu einem aktuellen Thema schreiben. Da dachte ich mir, ich könnte doch über die Gäste schreiben, die unser Land in naher Zukunft besuchen wollen.“

      „Olivier, wir haben tausende von Gästen täglich. Über wen willst du denn da schreiben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das irgendjemanden interessieren könnte.“ Vater lehnte sich zurück, die Zeitung hatte er inzwischen niedergelegt.

      „Aber Vater, es geht doch nicht um Touristen, sondern um Staatsgäste oder so!“ Olivier klang etwas verärgert. Wie konnte Vater nur denken, dass er über irgendeinen Touristen schreiben wollte. So einfältig war er doch nicht.

      „Ja, wenn das so ist, kann ich dir vielleicht helfen?“ Vater schien plötzlich begeistert zu sein von der Idee, dass sein Sohn einen Artikel über einen Staatsmann schreiben würde.

      „Hör mal Olivier, wenn du mit deinem Bericht dann fertig bist, kannst du ihn mir zeigen. Ich kann dir bei der Ausformulierung helfen. Du sollst den besten Artikel von allen haben.“

      Auch das noch. Olivier war absolut nicht begeistert von der Idee. Was sollte er jetzt nur machen. In den Ferien auch noch einen Artikel schreiben, das hatte ihm noch gefehlt. Wer war bloß auf diese dumme Ausrede gekommen? Jetzt hatte er aber keine Zeit darüber nachzudenken. Er wählte die Nummer neu und wartete. Endlich nahm jemand ab und Olivier konnte sein Anliegen vorbringen. Er wurde von der Dame in der Telefonzentrale mit der Redaktion verbunden.

      Es dauerte einige Minuten bis er den Richtigen an den Apparat bekam. Nach weiteren 5 Minuten sah Vater wie Olivier den Hörer wieder auflegte und ganz aufgeregt aus dem Wohnzimmer stürmte. Vater hatte ihm noch nachgerufen, wer den jetzt nach Luxemburg käme, aber Olivier hatte es schon nicht mehr gehört.

      Als er oben, vor Annicks und Isabelles Zimmer, angekommen war, stieß er die Türe auf, vergaß dabei vorher anzuklopfen, und stürzte beinahe über einige Spielsachen, die auf dem Boden lagen. Das Zimmer war noch dunkel, die Rollläden unten und die beiden schienen noch fest zu schlafen. Langsam tastete er sich zum Fenster und zog die Rollläden hoch. Das Zimmer wurde von den Sonnenstrahlen überflutet. Das Wetter ist toll und die zwei Schlafmützen liegen immer noch in den Federn, dachte er sich.

      „Aufstehen, es gibt Arbeit“, rief er nun laut. Isabelle und Annick räkelten sich, machten ganz vorsichtig die Augen auf und blinzelten zu Olivier hinüber.

      „Was ist denn los?“ Isabelle hatte sich erhoben und sah mit erstauntem Gesicht ihren Bruder an.

      „Ich weiß es, ich weiß es, beeilt euch, wir müssen sofort zu Rampi.“

      Olivier sprudelte die Worte nur so hervor, man konnte seine Aufregung spüren. Ohne weitere Auskünfte zu geben verließ er das Zimmer der beiden, begab sich in sein eigenes und zog sich vollends an. Er hatte, als er zum Telefonieren gegangen war, nur ein Hemd und eine Hose angezogen. Barfuß war er nach unten gerannt. Es dauerte etwa eine halbe Stunde bis seine zwei Schwestern sich angezogen und vor allem gewaschen hatten. Sie kamen in sein Zimmer, setzten sich aufs Bett und warteten, dass er endlich mit seinen Informationen herausrückte. Langsam begann Olivier mit seinem Bericht. Aber anstatt sofort zum Wichtigsten zu kommen, erzählte er, Vater hätte ihn nach dem Grund des Anrufs gefragt und seine Antwort wäre die abgemachte gewesen, „und jetzt kann ich einen richtigen Bericht schreiben, wenn wir nicht auffliegen wollen. Da müsst ihr aber mithelfen. Es war schließlich eure Idee.“

      „Meine war es nicht“, rief Babbel sofort aus.

      „Aber du fandest die Idee auch gut.“ Annick sah sich schon alleine den Aufsatz schreiben, weil sie diejenige gewesen war, die die Ausrede erfunden hatte.

      „Wir alle müssen jetzt daran arbeiten. Aber jetzt sag uns doch endlich“, wandte sie sich zu ihrem Bruder, „wer denn in den nächsten Wochen nach Luxemburg kommen soll.“

      Olivier tat, als ob er die Frage nicht gehört hatte und fragte seinerseits, „habt ihr schon mal was von Merani gehört?“

      „Von Serani? Nee, kenn ich nicht, was soll das denn sein?“ Babbel sah ihren Bruder fragend an.

      „Nicht Serani, M E R A N I habe ich gesagt“, jeden einzelnen Buchstaben betonend, wiederholte Olivier den Namen.

      „Also Merani ist ein kleines Land in Afrika, dort lebt der König Kawali, er ist einer der reichsten Männer der Welt und“, Olivier machte eine kleine Pause um Luft zu holen, „in seinem Land hat man eine Reihe von neuen Ölquellen entdeckt. Der König will sich in drei Wochen auf Kirchberg mit einigen Vertretern von großen Mineralölkonzernen