Rolf-Dieter Meier

Ernteplanet


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      Rolf-Dieter Meier

      Ernteplanet

      Text Rolf-Dieter Meier

      Titelbild Detlev Meier

      Alle Rechte vorbehalten.

      Mein Dank gilt an dieser Stelle meiner Frau Ilona und meiner Tochter Silvana, meinem Bruder Detlev sowie meiner Kollegin Monika Hölzchen, die die Entstehung dieses Romans nicht nur kritisch begleitet, sondern mich auch durch ihren Enthusiasmus in meinem Vorhaben bestärkt haben.

      Inhalt

       1. Die letzten Tage

       2. Rückblick

       2.1. Anzeichen

       2.2. Ankündigung

       2.3. Erklärung

       2.4. Unglaube

       2.5. Bestätigung

       2.6. Kontakt

       2.7. Widerstand

       2.8. Aussichten

       2.9. Zeitenwende

       2.10. Aussaat

       2.11. Ernte (1)

       2.12. Entwicklung

       2.13. Ernte (2)

       2.14. Ernte (3)

       2.15. Abwicklung

       3. Rückkehr

       3.1. Einstein (1)

       3.2. Aleone (1)

       3.3. Greymen

       3.4. Aleone (2)

       3.5. Einstein (2)

       3.6. Aleone (3)

       4. Aufbruch

      Statt eines ausgedehnten Spazierganges oder eines Sonnenbades auf der Terrasse blieb mir schon während des gesamten Tages nicht viel anderes übrig, als den gewohnten Platz am Fenster einzunehmen, um dem Treiben auf der Straße zuzusehen. Schlagartig wurde mir bewusst, dass ich aus reiner Gewohnheit in Gedanken den Begriff „Spaziergang“ benutzt hatte, der in meinem Fall absurd war, wenn man wie ich an einen Rollstuhl gefesselt ist. Auch die Aussage ausgedehnt, ist relativ, wenn man bedenkt, dass es sich, wenn überhaupt, um kaum mehr als eine halbe Stunde handelt. Für einen 126jährigen, der sich möglichst aus eigener Kraft bewegt, ist dies doch eine erhebliche Anstrengung. Deshalb sind die Ausfahrten mit reiner Muskelkraft in den letzten Jahren auch immer seltener geworden. Stattdessen übernimmt immer öfter der kleine Elektromotor die Aufgabe, mich in meinem Gefährt über die mittlerweile bestens bekannten Wege zu befördern. Nun, heute fiel diese auch nicht mehr ganz abwechslungsreiche Tätigkeit der Wetterlage zum Opfer. Es regnete seit dem Vormittag und dies kräftig. Mittlerweile ist Dunkelheit eingekehrt und in den Regentropfen am Fenster spiegelt sich das Licht der Straßenlaternen. Eine Vielzahl von Lichtpunkten, ein Ersatz für die fehlenden Sterne, die sich hinter der dichten Wolkendecke verborgen halten. Diese Laternen waren ein Relikt der Vergangenheit, unverändert in der Form, den alten Gaslaternen des 20. Jahrhunderts nachempfunden. So wie sie heute dort unten stehen, so kenne ich sie schon von Fotos aus frühen Kindheitstagen. Die einzige Änderung, der Wirtschaftlichkeit geschuldet, war die jetzige Energieversorgung mit Strom.

      So unwirtlich wie das Wetter da draußen, so muss ich wohl auch das Zimmer bezeichnen, welches ich bewohne. Es beschränkt sich auf das Wesentliche, lässt mir aber genügend Raum für die Fortbewegung. In der Mitte ein Tisch, an der Wand ein Schrank, nein, eigentlich mehr eine Kommode oder ein Sideboard, in dem ich das, was ich benötige, in erreichbarer Höhe verstaut habe. Ein paar Teller, Tassen, Gläser. Ansonsten Überbleibsel der Vergangenheit, kaum Dinge die ich wirklich benötige. Ein paar Fotos auf Papier; Bilder aus der Kindheit, Bilder meiner Eltern. Sehr altmodisch in einem digitalen Zeitalter mit moderneren Speichermedien. Trotzdem hänge ich an ihnen. Es ist bestimmt schon ein paar Jahrzehnte her, dass ich Sie mir angeschaut habe. Aber ich bin froh, dass sie einfach da sind; eine jederzeit greifbare Erinnerung. Etwas, was man nicht fortwirft. Ein Andenken an die Vergangenheit, die aus dem Jetzt betrachtet immer unwirklicher wird.

      Das Zimmer hat zwei Fenster. Eines ist nach Osten gerichtet, das andere weist nach Süden. Hier befindet sich auch der Zugang zu einer, man kann sagen, großzügig bemessenen Terrasse. Für einen in der Bewegung eingeschränkten Menschen ein großartiger Ort, besonders im Frühjahr, wenn die Sonne an Kraft und Wärme gewinnt und es mich hinauszieht. So wie ein trockener Schwamm das Wasser aufsaugt, so giert auch dieser alte Körper, diese, ich kann es nicht verhehlen, doch schon faltige Haut nach Licht und Wärme. So sitze ich dort manchmal stundenlang, die Augen geschlossen, dösend, allen Hautkrebsgefahren zum Trotz. Hautkrebs! Ein Witz! Soll sich ein 126jähriger davor fürchten? Aber selbst wenn, dann würde dies bei der nächsten Routineuntersuchung erkannt und behandelt werden. Natürlich hat man heute solche Dinge im Griff. Krebs, diese Volksseuche, so wie auch viele andere Krankheiten, die in früheren Jahrhunderten, ja selbst noch in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts Angst und Furcht verbreiteten, weil sie nur bedingt als heilbar galten und auch vor dem reichsten Mann nicht Halt machten, sind ausgerottet. Leider ereilte das gleiche Schicksal auch die Menschen. Fast alle. Es ist wahr, all diese neuen medizinischen Errungenschaften waren und sind ein Segen. Selbst meine Zähne brauchen einen knackigen Apfel nicht zu fürchten. Im Falle eines Falles lässt man sie einfach nachwachsen. Der Gentechnik sei Dank! Selbst Greise könnten für jede Zahnpasta Werbung machen; ein strahlenderes Weiß gibt es nicht. Diese Zähne würden für sich allein betrachtet jedem Hochglanzmagazin zur Ehre gereichen. Es hatte nur einen Nachteil: der Berufsstand der Zahnärzte wurde stark reduziert. Dafür gab es aber mehr Zahn-Gen-Implantologen.

      Das Wichtigste in meinem Zimmer, in dem ich mich mittlerweile am meisten aufhalte, ist der riesige Bildschirm an der westlichen Wand. Daran schließt sich an der nördlichen Wand die Tür zum Flur an sowie die besagte Kommode. Darüber ein Gemälde. Nichts besonderes, aber dekorativ. Über den Bildschirm, man kann auch sagen: das Kommunikationszentrum eines jeden Haushalts, bin ich mit der Welt außerhalb meiner vier Wände verbunden. Hierüber tätige ich meine Einkäufe, lade ich Literatur, Musik und Filme herunter und erhalte all die anderen