Enno Woelbing

Sehnsucht nach südlicher Sonne und schönen Mädchen - Teil 1


Скачать книгу

ja!

      Der große Mann bemerkte nicht, wie sich seine Stirn runzelte, nur dass er seine Zähne aufeinander presste. Er verließ die Brücke und ging näher heran. Sie sangen „ikaw ang ligaya ko“. Er kannte das Lied – du bist meine Freude. Er kannte auch das Land, aus welchem beide waren – die Seeleute und das Lied. „Komm’“, sagte er zu seinem Hund, „komm’! Nina, komm’!“.

      Er zog an der Leine und die große Hündin folgte ihm. Sie gingen eine Uferpromenade entlang und durch die Stadt nach Hause. Der große Mann grüßte freundlich mehrere Leute und wurde ebenso freundlich wiedergegrüßt. Seine Stirn unter dem kurzen dunkelblonden, aber schon grau werdendem Haar war noch immer gerunzelt. Nein, er würde sich nicht noch einmal eine Cello-Sonate anhören. Er war nicht dafür geschaffen. Was ihm von diesem Abend in Erinnerung blieb, war der gedankliche Vergleich zwischen einem Cello und einem Kontrabass, die Größe ihrer schön geformten Körper und der Gedanke an ihre gemeinsame Herkunft aus der großen Familie der Streichinstrumente – der Violinen. Und er verglich sie alle mit dem Körper einer Frau – den Kontrabass, das Cello und die Violine. Gut, dass niemand die Gedanken lesen konnte. Die Stirn war wieder glatt, und die grauen Augen hinter der randlosen Brille unter ihnen bekamen ihren Glanz zurück.

      „Komm’ Nina, komm’, du brauchst nicht jedem Hund nachzuschnüffeln.“

      Cinderella wartete schon auf beide, Cinderella, die gutaussehende philippinische Ehefrau des großen Mannes. Sie hatte sich den ganzen Abend, wie immer, wenn sie alleine war, mit Misstrauen gequält, schrecklichem Misstrauen und einem Hauch von Eifersucht. Sie schmiegte sich an ihren Ehemann, streichelte seinen kurz geschnittenen Vollbart und sah mit ihren schwarzen Augen zu ihm auf. „Wo wart ihr, Chris?“

      Manchmal sagte sie auch Christopher, Christopher – wenn sie meinte, glücklich zu sein. Es gab keinen Grund, den Namen oft zu sagen. Sie hatten keine Kinder bekommen. Aber Nina schien glücklich zu sein. Sie versuchte an beiden hochzuspringen und bellte dabei. Chris lächelte von oben herab auf seine Frau. Es sah aus, als wolle er ihr langes schwarzes Haar streicheln, ein schneller, flüchtender Gedanke an ein Cello beendete die entstehende Bewegung der Hand. Und die Angst blieb. Ihre Angst – Angst, dass sie ihn mit einer anderen Frau teilen müsste, auch wenn es nur für einen bestimmten Zeitraum wäre. Eine Geliebte? Sie versuchte sich einzureden, dass ein flüchtiger einzelner Seitensprung für sie in Ordnung wäre, wenn nur seine Seele dafür treu bliebe – ihr treu und seine Seele.

      Seine Lust auf Sex hatte nachgelassen, erheblich sogar, ihre eigene wohl auch, aber er beschwerte sich überhaupt nicht darüber. Dass er nach Dienstschluss immer häufiger sofort zu Hause unter die Dusche ging, war ihr nicht mehr angenehm, und zwar wegen der Häufigkeit. Sein Personalcomputer war für sie schon seit längerer Zeit nicht mehr zugänglich und ihr Konto, zu dem auch er Zugang hatte, wies immer öfter für sie unverständliche Lücken auf. Er war oft müde – zu viel Arbeit – aber seine Aufmerksamkeit drückte sich nach wie vor in kleine Geschenke und Blumen aus. Er redete nicht mehr so gerne wie früher. Männer, wenn sie erst verheiratet sind, schienen so zu sein. Sein bester Freund war auch so, sogar ihr gegenüber. Sie war in zweiter Ehe mit Chris verheiratet, auch sie war zweite Ehefrau – beide vierzig Jahre alt. Gut, sie war ein bisschen dicker geworden, aber so dick nun auch wieder nicht.

      Er lächelte immer noch, ihr Chris, und löste sich von ihr und der springenden Hündin.

      „Wir waren spazieren und in der „Campanula“. „Was? Campanula? Warum?“ „Das weiß ich auch nicht, Cindy“.

      Er mochte diese künstlerische Stätte nicht und hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht. Heute Abend schliefen sie miteinander, nicht nur nebeneinander, und für Cindy war es schön.

      „Wann gehst du wieder tauchen, mein Junge?“

      „Irgendwann.“

      „Bist du glücklich?“

      „Irgendwann, Herzi – das Wort sagt nichts aus.“

      So endete ein warmer Sommerabend.

      Kapitel 2

       Kapitel 2

      Cindy arbeitete als Kinderärztin und war als junge Frau mit ihrem Ehemann, einem indischen Arzt nach Deutschland gekommen. Nach jahrelangem Getrenntleben von diesem gut aussehenden Gynäkologen und ständigem tugendhaftem Warten auf ihn, hatte sie sich traurig, aber letztendlich entschlossen, sich scheiden zu lassen. Zu viele Frauen hatten seine brillante Heilkunst immer öfter auch außerhalb der Krankenhausbetten in Anspruch genommen und waren dem Reiz seiner schwarzen Augen mit ihren langen, seidigen Wimpern und dem seiner schmalen, gepflegten Hände erlegen. Er kehrte zuerst in sein Land zurück, und ihre Arbeit als Kinderärztin half, ihr langes Leiden irgendwann zu beenden. Sie wollte nicht länger ein Aschenputtel sein. Später erfuhr sie, dass er nach Amerika gegangen war, auch als Arzt.

      Und dann hatte sie Chris bekommen, ihren Christopher.

      Er war in ihr Leben getreten wie eine nicht zu übersehende strahlende Lichtgestalt und hatte das, was sie sich so schön geordnet hatte, durcheinander gebracht. Und sie hasste nichts mehr als Unordnung.

      Chris hatte nach einer stürmisch und ungestüm erlebten Jugendzeit in jeder Beziehung und mit allem, was es zwischen Mädchen, Hippies und gelegentlichen Ausflügen in eine Traumwelt zu erleben gab, noch recht jung geheiratet. Seine wohlhabende – schon eher reiche – Familie hatte einen guten Start ermöglicht. In seinem Beruf als Versicherungskaufmann ging er nicht gerade mit Freuden auf, war aber erfolgreich und bei der Kundschaft beliebt. Nach drei Jahren verließ er seine Frau von einem Tag auf den anderen mit wenigen persönlichen Sachen und veranlasste die Trennung mit anschließender Scheidung. Trotz Ehevertrag hatten sie sich nicht vertragen. Seine Frau hatte seinen sexuellen Anforderungen nicht genügt – sagte er – sie nicht. Außer ein paar gelegentlichen Lockerungsübungen bei einer Nachbarin war er sogar frei gewesen. Seine Frau weinte, als er von ihr ging, aber sie hatte keine große Rolle gespielt in seinem Leben. Eine unerfüllte Sehnsucht, unbekannt im Ursprung und ihrer Existenz, die ihm nicht fremd war, blieb.

      Es folgten für ihn einige Jahre voller Hektik, häufiger Firmenwechsel, noch häufiger der des Wohnsitzes, von dem der vielen Freundinnen ganz zu schweigen. Mit einer jungen, fast knabenhaften schönen Griechin blieb er eine längere Zeit zusammen. Er lernte ihr schönes Land kennen, und sie lehrte ihn eine Art von körperlicher Vereinigung bei ihren Liebkosungen, die er noch nicht kennengelernt hatte. Und er wusste es sofort, gleich beim ersten Mal: Diese Art war das bisher fehlende Besondere beim Zusammensein mit Frauen gewesen. Eine Sehnsucht hatte sich erfüllt. Die Trennung von ihr hatte seinen Grund in ihrer fürchterlichen Eifersucht, ihre Szenen übertrafen alles, was er sich bisher nur hatte vorstellen können. Ihm war dieser Charakterzug weitgehend fremd – eine krankhafte Verfolgung und Angriff auf seine Person. Die schöne junge Frau wollte ihn wiederhaben. Er lächelte nicht, und seine Augen strahlten nicht, als er zu ihr sagte: „Man kann nicht zweimal den selben Fluss durchschwimmen. So heißt es doch bei euch?“ „Du bist eiskalt“. Sie weinte.

      Er hatte nur mit den Schultern gezuckt. Sein Leben schien in ein geliebtes Chaos zu gleiten, in welchem er erfolglos versuchte, eine ordentliche, planmäßige Gestaltung zu bekommen. Er wohnte abwechselnd in kleinen Einzelzimmern und buntgemischten Kommunen, in denen es oft hoch herging – in beiden – Zimmer und Kommune. Und wenn die Nachkommen mit dem Einkommen nicht auskommen… Seine Familie begann irgendwann damit, ihre finanziellen Zuwendungen einzustellen. Zu seinem leiblichen Vater hatte er keinen Kontakt und wollte ihn auch nicht, obwohl …

      Er bewegte sich innerhalb eines großen Freundeskreises als sympathischer Einzelgänger. Als er einmal eine seiner alten Tanten durch die Stadt führte und er andauernd von Frauen und Mädchen gegrüßt, umarmt und auch geküsst wurde, schlug die kleine alte Dame nach relativ kurzer Zeit und bei der zwölften Umarmung ihres Neffen die Hände über ihre ehrwürdige, weiße Haarpracht zusammen. Gut, eine junge Frau war seine Schwester gewesen. Christopher lachte.

      „Tante, sieh’ nur, die Welt ist wie ein loses Gewand.“

      Er wies aus seiner Höhe mit