Arno von Rosen

Exlux


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um an 800 Meter Höhe heranzukommen, war das hier kein Thema. Sein Bauwerk, das er mit einigen der fähigsten Bauingenieure der Welt konstruiert hatte, glich dem Bug eines Eisbrechers, an dessen vorderster Front, Metallplatten mit einer speziellen Beschichtung aus Verbundstoffen angebracht waren. Diese Kombination war geschmeidiger als Stahl, härter als Diamant, und konnte auch unter Extrembedingungen einem enormen Druck standhalten.

      Wenn das Eis eine bestimmte Kraft auf die Konstruktion ausübte, erwärmte sich die Legierung, und spaltete das Eis, um es um das Gebäude herumzulenken, damit sich der Gletscher nach dem Gebäude wieder zusammenfügte, und seinen unaufhaltsamen Marsch in Richtung Meer fort setzte.

      Hier, in der Region Palmerland, bewegte sich das Eis nur etwa einen Meter pro Jahr, was wenig war, in Anbetracht der Tatsache, dass es im östlichen Teil der Antarktis bis zu dreißig Meter im Jahr Richtung Küste wanderte. Das war einer der Gründe, warum die Russen sich so schwer taten, den Wostoksee in vier Kilometer tiefe zu erreichen, und dabei regelmäßig ihre Bohrköpfe ruinierten, nur um einen unberührten See anzubohren, der seit 420.000 Jahren von der Umwelt abgeschnitten war.

      Zugegeben, die Sache war ebenfalls reizvoll, alleine wegen der Größe des Sees, der 250 Kilometer lang und 50 Kilometer breit war. Die Eisdecke über dem See, war aber noch einmal 2000 Meter höher, als bei seinem Bohrloch, und die Temperaturen lagen ganzjährig unter Minus 25° Grad Celsius, während hier, auf der arktischen Halbinsel, die Temperaturen am Polarkreis im Sommer sogar 0° Grad erreichen konnten.

      Sie hatten die Station in der Nähe der Festlandküste errichtet, unweit der Forschungseinrichtung San Martin, die zu Argentinien gehörte, und die ganzjährig besetzt war. Allerdings hieß in der Antarktis unweit, fast 1200 Kilometer südlich von San Martin, und 25 Kilometer von der Küste entfernt, um keine ungewollte Aufmerksamkeit auf das Projekt zu lenken.

      Der Hafen befand sich am Eingang des Georg VI. Sund, und der Alexander I. Insel. Die Meereisbildung vor der Küste war gering, und damit auch berechenbar für die Anlieferung der Ausrüstung, und der notwendigen Lebensmittel für die fast 200 Mann, die hier subglazial arbeiteten. Zudem gaben die Berge im Osten der Alexander Insel einen ausreichenden Sichtschutz, so wie auch die Ausläufer der Gebirge auf Palmerland.

      Um die gewaltigen Mengen an Material befördern zu können, hatten sie einen Versorgungstunnel von der Küste, bis zur Station gebohrt, in dem auch die Pipeline verlief, neben der Strecke der Containerbahn, mit der alle Güter transportiert wurden. In regelmäßigen Abständen befanden sich Schleusen, die verhinderten, dass Wasser in die Röhre eindrang, da das Festland hier unterhalb des Meeresspiegels lag.

      Durch den gewaltigen Druck des Eisschelfs auf die Erdkruste, wurde der gesamte Kontinent fast 900 Meter in Richtung Erdkern gedrückt. Der Gletscher bildete zwar eine natürliche Barriere, die das Meereswasser zurückhielt, aber im Laufe der Jahre, könnten die gebohrten Hohlräume im Eis, die Küste erreichen. Durch das Gewicht des Eisschelfs auf die Landfläche, stand auch das geförderte Öl unter großem Druck, konnte aber dadurch ohne zusätzliche Pumpen an die Oberfläche, und weiter Richtung Staateninsel transportiert werden.

      Das Ölvorkommen war entstanden, als der Südpol noch Subtropisch war, und hier Temperaturen von über 25° Grad geherrscht hatten, obwohl sich der Kontinent, erdzeitgeschichtlich betrachtet, nicht wesentlich verschoben hatte, seit Gondwana vor 200 Millionen Jahren auseinander gebrochen war, und sich vor 100 Millionen Jahren die jetzigen Landmassen positioniert hatten.

      Durch die Urwälder am Südpol waren gigantische Mengen an Ablagerungen entstanden, die heute das größte Erdölvorkommen der Erde bildeten. Die Quelle, die sie jetzt angebohrt hatten, war größer als alle bisher erschlossenen zusammen. Damit verfügten die Firma, und ihre Aktionäre, über den Energiemarkt der zukünftigen Zivilisation der gesamten Erdbevölkerung der nächsten 200 Jahre, selbst, wenn jeder Chinese oder Inder, ein eignes Fahrzeug besitzen würde.

      Somit verfügten die Investoren über die Macht, ganze Staaten zu dominieren. Wer also nicht spurte, bekam nicht die benötigte Energie für sein Land. Schon jetzt hatten sie die größte Menge an Erdöllagern weltweit gebaut, die jemals existiert hatte, und die Preise für Rohöl begannen schon stetig zu steigen.

      Unbewusst halfen ihnen die Erdöl verarbeitenden Industrien, die ebenfalls kein Interesse an alternativen Energien hatten, sofern sie nicht selbst über die nötigen Patente verfügten, um daraus Gold zu pressen. Kein Land konnte riskieren, seine Wirtschaft im Alleingang energetisch umzustellen, da hohe Arbeitslosigkeit, und immense Staatsverschuldung drohten. Selbst ein Umdenken der reichen Staaten würde immer die Interessen der Energiemonopolisten berücksichtigen, da sonst der Machterhalt der jeweiligen Regierung stark gefährdet war.

      Burton Miles wusste von diesen Dingen nicht viel. Er glaubte, dass die strenge Geheimhaltung notwendig war, um unliebsame Konkurrenten von den Fleischtöpfen weg zuhalten, die ihrerseits ebenfalls Anstrengungen unternahmen, in der Antarktis nach Bodenschätzen zu suchen. Er wollte auf jeden Fall zu den wissenschaftlichen Gewinnern gehören, und vielleicht sogar eines Tages auf die öffentliche Bühne zurückkehren, die er vor Jahren verlassen musste.

      Offiziell war seine Bohrinsel eine Forschungsstation, die Studien zum Klimawandel durchführte. Er hatte aber ebenso, wie alle Kollegen der Antarktis, noch nie einen Besuch in einer der anderen Forschungsstationen gemacht, und so blieben die 2000 Wissenschaftler auf dem sechsten Kontinent unter sich, und teilten sich dabei eine Fläche, die eineinhalb Mal größer war, als ganz Europa.

      Es war jetzt schon Mai, und in ein paar Wochen begann die Polarnacht. Dann war Palmerland, auf ihrem Breitengrad, für 29 Tage in eine tödliche Dunkelheit getaucht, bei Temperaturen von unter Minus 65° Grad Celsius. Niemand hielt sich zu dieser Zeit an der Oberfläche auf, wenn er nicht unbedingt musste. Dann herrschten Schneestürme mit Spitzengeschwindigkeiten von über 300 Kilometern in der Stunde, und die Schneemassen wehten den sichtbaren Teil des Gebäudes, und der Anlagen, fast vollständig zu.

      An den ruhigen Tagen, würde eine Crew versuchen, die Eingänge mit Baggern wieder freilegen, welche in isolierten Hallen, an der Eisoberfläche, auf ihren Einsatz warteten.

      Sicher, es gab auch atemberaubende Momente in den ersten Tagen der Polarnacht, wenn die Beinahesonnenaufgänge Stunden dauerten, und der Himmel in gelb-rote Farben getaucht war, ebenso wie am Schluss der Dauerfinsternis, die hier Anfang Juli endete. Diese Augenblicke waren aber selten, denn während des polaren Winters, von Juni bis Oktober, regierten hier Wind, Schnee, Nebel und eisige Temperaturen, und ließen nur wenig Platz für schöne Postkartenmotive.

      Burton Miles wechselte die Kabine, immer mit Armin Wester im Schlepptau. Die Fahrt an die Oberfläche dauerte fast fünf Minuten, obwohl die Aufzüge, mit zwölf Metern pro Sekunde, extrem schnell waren. Durch die Höhe des Gebäudes, brachte ein durchgehender Aufzug, zu viele technische Risiken mit sich. Es gab insgesamt sechs Stück, aber nur jeweils zwei führten nach ganz oben, oder hinab zum Bohrloch.

      Aus Stabilitätsgründen hatte der Tower zwar fast 320 Stockwerke, aber die meisten Etagen waren blind gebaut, und hatten zwar ebenfalls Fahrstuhltüren, aber die Ebenen waren leer, und verstärkten die Konstruktion nur zusätzlich.

      Die Quartiere zum Schlafen befanden sich im oberen Bereich, genau wie die Kantine, die Fitnessräume, Kinosäle, medizinische Einrichtungen, mit Krankenstation und Vorratslager. Die technischen Ebenen waren direkt oberhalb des Bohrlochs eingerichtet worden. Dort befand sich, während der einzelnen Schichten, nur ein Notfallteam, das schnell eingreifen konnte, falls es erforderlich war.

      Die nicht bewohnten Bereiche, waren nur wenig isoliert, um das Gebäude nicht zu stark auszukühlen zu lassen. So lagen dort die Temperaturen bestenfalls um den Gefrierpunkt. Die Fahrstuhlschächte waren in das Heizungssystem integriert, dass sich unter den Mannschaftsquartieren, und über den technischen Räumen, im unteren Teil des Gebäudes befand. Die beiden Systeme arbeiteten unabhängig, waren aber verbunden, sodass im Falle einer Störung eines der Systeme, die Wärme nach oben, oder nach unten gepumpt werden konnte.

      Der sichtbare Teil der Anlage lag direkt über dem Tower, und konnte versetzt werden, falls der Gletscher, die überirdischen Baracken zu weit abgetrieben hatte. Bisher musste nur ein Mal die Anlage nachjustiert werden, damit die Zugänge zu den