Edda Blesgen

Meistens kunterbunt, manchmal grau


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Eines Tages fragte sie die Krankenschwester: „Wer ist eigentlich dieser sympathische Herr, der mich täglich besuchen kommt? Ich mag ihn sehr.“

      „Sie mögen ihn? Das ist gut so“, erwiderte die Krankenschwester, „denn dieser sympathische Herr ist ihr Ehemann, mit dem Sie – wie er mir mitteilte – bereits sechsunddreißig Jahre verheiratet sind.“ War das nicht herrlich? Obwohl sie ihren Mann nicht erkannte, fühlte sie die Zuneigung, die sie schon so lange verband.

      Vielleicht, so grübelte Sophie, sollte ich heute meinen Liebsten wieder einmal von meinen Gefühlen sprechen? Oder ich zeige ihnen ganz einfach diesen Artikel, das fällt mir leichter.

      Auch Sophies Enkel sagt es lieber schriftlich:

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      Ein teures Geschenk

      Sophies Mann, das Goldstück, kann es nicht lassen. Wieder einmal ließ er sich am Telefon zum Besuch einer Werbeveranstaltung beschwatzen – obwohl man ihm weder den Firmennamen, noch die Art des zu kaufenden Artikels nennen wollte. „Wir sind ein Unternehmen für Inneneinrichtungen“, war die Antwort auf seine diesbezügliche Frage.

      Also begleitete Sophie ihn zu der Verkaufsshow, die in einem Lokal stattfinden sollte. Schon auf dem Parkplatz wurden die beiden von drei Herren empfangen, die sie in den entsprechenden Saal geleiteten, wo auf Tischen Ess- und Kaffeeservice – wirklich sehr dekorativ anzusehen – ausgestellt waren. Die letzten geladenen Gäste trudelten ein und schon legte einer der drei Verkäufer los:

      „Dieses Limogener Porzellan, das Sie hier sehen, wollen wir nicht etwa verkaufen. Nein, meine liebe Damen und Herren, wir wollen es verschenken. Im Augenblick stagniert das Geschäft, unser Lager ist gefüllt, wir brauchen Platz. Wer will als Geschenk ein 72-teiliges Ess- und Kaffeeservice annehmen?“ Die meisten Anwesenden hoben die Hand, bis auf einige misstrauische Personen, zu denen auch Sophie gehörte. Wo war der Haken?

      Es folgte ein langer Vortrag, über die erstklassige Qualität, das exquisite Design, kunstvolle Dekor, die brillanten Farben usw. usw. „Unsere Produkte sind spülmaschinenfest und mikrowellengeeignet. Wir übernehmen eine 30-jährige Garantie.“ Sophie fragte, wo man die im Bedarfsfall geltend machen kann – und bekam keine Antwort.

      „Die einzige Bedingung die wir stellen: Sie müssen jedes Teil mit Ihren persönlichen Initialen signieren lassen, erstens damit sie unser Geschenk nicht verkaufen, zweitens um Arbeitsplätze zu sichern. Mit den geringen Kosten, die Ihnen dadurch entstehen, können wir unseren Betrieb trotz der gegenwärtigen Absatzkrise ohne Kündigungen aufrechterhalten.“

      Er laberte unaufhörlich, war in seinem Element und nicht mehr zu bremsen. Nun versuchte er seinen Vortrag durch gewagte Witze aufzulockern, zog über Ausländer und Schwule her. Sophies Gewissen sagte ihr, jetzt sei es an der Zeit, den Saal zu verlassen. Aber es gab kein Entrinnen. Einer der Vertreter hatte sich neben den Ausgang postiert; man wagte nicht einmal, zur Toilette zu gehen. Außerdem siegte Sophies unbeschreibliche Neugier.

      Irgendwann, nach drei Stunden unaufhörlichen Einredens auf seine Zuhörer kam der Vertreter endlich zum Schluss und stellte wiederum die Frage, wer sich von ihm beschenken lassen wolle. Ein Ehepaar meldete sich spontan, während die anderen Besucher noch zögerten. „Applaus für die Dame und den Herrn hier vorne in der ersten Reihe.“ Schon stürmte sein Kollege mit einem Auftragsblock auf die beiden zu. „Darf ich mir Namen und Adresse notieren. Und hier unten bitte ich Sie, die Annahme des Geschenks zu quittieren.“

      Sophie warf einen Blick auf das Blatt. „Aber da steht ein Preis von 3.600,-- Euro“, stellte sie fest. „Ja, das sind die Kosten für das Signieren des Porzellans. Dies kostet pro Einzelteil 50,-- Euro – und das ist spottbillig, denn jeder Buchstabe wird in Blattgold aufgetragen. Bei einem Juwelier ist der Preis dreimal so hoch.“Jetzt hatte Sophie ihren Mann, das Goldstück, endlich so weit, mit ihr zusammen den Rückzug anzutreten – nicht ohne vorher die als Werbegeschenk versprochene Digitalkamera einzufordern. Stolz zog er mit seinem Beutestück davon und erwiderte Sofies Hinweis auf die schlechte Qualität mit dem Sprichwort vom geschenkten Gaul, dem man nicht ins Maul schaut. Sie tröstete lediglich der Gedanke: Aufgrund seiner Hartnäckigkeit würden sie wohl nie wieder zu einer solchen Verkaufs-Veranstaltung eingeladen. Als Sophie sich beim Hinausgehen noch einmal umwandte, sah sie das Ehepaar gerade ein Auftragsformular unterschreiben. Die beiden hatten sich nicht abschrecken lassen.Die Kamera verstaubte, niemals benutzt, im Schrank neben weiteren Werbegeschenken: Zwei Taschenrechner, Essstäbchen aus dem Chinarestaurant, eine Sanduhr und sonstiger Krempel.

      Allein mit Fernseher und Kirschlikör

      Neulich im Supermarkt: Vor Sophie stand in der Schlange an der Kasse eine alte Dame ohne Einkaufswagen, beladen mit zwei Literflaschen Mineralwasser. „Darf ich die Wasserflaschen schon mal aufs Band legen, sie sind ziemlich schwer?“, fragte sie die vor ihr stehende Kundin. „Wissen Sie, ich habe Arthrose und Osteoporose, neulich habe ich mir das Schultergelenk gebrochen. Es ist zwar inzwischen verheilt, schmerzt aber immer noch.“

      Die Angesprochene antwortete nicht, nickte nur, schaute gleich wieder in eine andere Richtung, sichtlich genervt von der Aufzählung der Krankheiten. Die ältere Dame schien nichts von dem Unmut der Kundin zu bemerken und redete ununterbrochen weiter: „Ich habe noch etwas vergessen“, sagte sie schließlich und verschwand zwischen den Regalen. Die andere wandte sich an Sophie, verdrehte die Augen: „So eine Nervensäge.“

      Schon kam die alte Dame zurück, schob sich an Sophie vorbei, legte eine Flasche Kirschlikör auf das Band. „Haben Sie den schon einmal versucht?“ Wieder kam keine Antwort, ja, die Angesprochene schaute demonstrativ in eine andere Richtung. „Ich genehmige mir jeden Abend zwei Gläschen davon. Man hat ja sonst nichts. Seit dem Tod meines Mannes vor einem Jahr bin ich allein. Den ganzen Tag laufen bei mir Radio oder Fernseher, damit ich menschliche Stimmen höre. Ab und zu besucht mich meine Tochter. Aber sie nimmt dann jedes Mal eine meiner Zeitschriften, setzt sich in die Ecke, liest und unterhält sich nicht mit mir.“

      Jetzt wandte sie sich an den Kassierer. Während dieser die Waren scannte, hörte er, trotz der Hektik an seinem Arbeitsplatz, freundlich lächelnd zu, gab Antwort, als die alte Dame über das Wetter klagte, das ihre Beschwerden mit den Knochen noch verstärke.

      Die andere Kundin war fertig, schob mit ihrem Einkaufswagen davon, zwinkert Sophie zu – sichtlich erleichtert, weil die alte Dame ein neues Opfer gefunden hatte.

      Jetzt verabschiedete sich die alte Dame von dem Kassierer, der ihren Gruß herzlich erwiderte und ihr einen schönen Abend wünschte. Auch Sophie war fertig, bezahlte, packte ihre Einkaufstasche und eilte hinaus. Wie isoliert muss ein solcher Mensch leben, dem Kunden und Kassierer im Supermarkt die einzigen Ansprechpartner sind, überlegte sie. Vielleicht sollte ich die Einsame zu einer Tasse Kaffee einladen und ihr eine Viertelstunde zuhören? Aber Sophie konnte ihren Vorsatz nicht in die Tat umsetzen. Die alte Dame war verschwunden – zu einem weiteren Abend alleine zu Hause mit Fernseher und Kirschlikör.

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