Anne Düpjohann

Felix, der Erbe des Herrschers


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legten ihn auf dem Boden ab. Als ich aus der Halle trat, zitterte ich am ganzen Körper, denn schließlich machte ich so etwas nicht jeden Tag.

      Die anderen zwei Männer machten sich, ebenfalls sichtlich mitgenommen, davon.

      Anja stand wartend vor der Leichenhalle. Sie war kreidebleich im Gesicht.

      Sie hielt, weit von sich gesteckt, mit einem Taschentuch bedeckt, die Pistole in der Hand. Mit letzter Überwindung nahm ich sie ihr vorsichtig ab, ging noch einmal zurück und legte sie neben die Leiche. Als ich wieder draußen stand, wurde mir so richtig bewusst, was sich in den letzten Minuten alles ereignet hatte.

      Mein Magen drehte sich um und der nächste Busch durfte sich mein Frühstück ansehen. Unweit der Halle gab es eine Bank, auf die ich mich setzte, um mich ein wenig zu erholen. Allerdings hatten wir beide das Bedürfnis, uns so schnell wie möglich von diesem Ort zu entfernen. Darum stand ich kurze Zeit später mit noch etwas wackeligen Beinen wieder auf, auch wenn mir noch übel und schwindelig war. Ich atmete ein paar Mal tief ein und redete meinem Körper gut zu, sich rasch wieder zu fangen, damit ich wieder mein Rad nutzen konnte. Als ich das Gefühl hatte, dass ich wieder in der Lage war, Rad zu fahren, holten wir unsere Fahrräder und entfernten uns rasch.

      Der frische Fahrtwind tat mir gut und langsam erholte sich mein Körper von dem Schock. Es war für mich völlig unbegreiflich, was dort am Krankenhaus geschehen war. Doch nun tauchten tausend Fragen in meinem Kopf auf. Hätte ich nicht die Polizei benachrichtigen müssen?

      Hätte ich überhaupt wegfahren dürfen?

      Hatte ich überhaupt richtig gehandelt?

      Hätte ich ihn nicht ins Krankenhaus bringen müssen, oder einen Arzt verständigen müssen? Aber wie?

      Bei der Menschenmenge wäre ich niemals durchgekommen!

      Ich schüttelte den Kopf.

      Das war im Moment alles einfach zu viel!

      Außerdem – wieso hatten wir eigentlich bei einer so großen Menschenmasse keine Polizisten gesehen?

      Ich bremste mein Rad und stieg ab. Ich musste zur Polizei und den Vorfall melden. Ich konnte doch nicht einfach nach Hause fahren.

      Ich war froh, dass ich mir zuhause einen Block und Stift eingesteckt hatte, denn so konnte ich Anja mitteilen, was ich vorhatte.

      Sie nickte und deutete mir an, mich zu begleiten. Zu zweit radelten wir zur nächsten Polizeistation. Doch wie groß war unsere Überraschung als wir ankamen und das Schild lasen, das dort an der Tür angebracht worden war:

      Diese Dienststelle ist zurzeit nicht besetzt!

      *

      „Na super! Die Welt steht Kopf und die Polizei macht frei, “ dachte ich.

      Doch da öffnete sich die Tür der Polizeistation und ein Polizist trat heraus.

      Ich sprach ihn sofort an, um ihm die Situation zu erklären, doch er schüttelte nur mit dem Kopf und deutete auf seine Ohren.

      Ich zog meinen Block hervor und schrieb:

      „Wir müssen reden! Am Krankenhaus hat sich jemand erschossen!“

      Er schaute mich entsetzt an und signalisierte mir, einzutreten.

      Erleichtert, endlich jemanden gefunden zu haben, der vielleicht helfen konnte, traten wir ein. Wider erwarten waren doch etliche Polizisten vor Ort, auch wenn sie etwas ratlos wirkten. Wieder bemühte ich meinen Block, um zu fragen, ob ich das, was geschehen war, nicht am PC widergeben könnte, da das schneller ging, als alles handschriftlich zu Papier zu bringen.

      Er nickte und so setzte ich mich an einem PC und versuchte, die Geschehnisse vor dem Krankenhaus zu rekapitulieren.

      Als ich fertig war, schaute er mich fassungslos an. Er antwortete - natürlich schriftlich – dass, aufgrund der plötzlich aufgetretenen Taubheit der Mitarbeiter sich viele krank gemeldet hatten und somit niemand zur Verfügung stand, der auf Streife gehen konnte. Auch sagte er, dass bereits jemand beauftragt worden sei, die fehlenden Polizisten herzubeordern. Aber, so erklärte er mir weiter, hätten sie noch ein erhebliches Problem mit den Fahrzeugen, da sie ihren Dienst verweigern würden und sich nicht starten ließen.

      Weiter schrieb er, dass sich natürlich sofort Beamte um den Todesfall am Krankenhaus kümmern würden.

      Offensichtlich hatte ich den Chef der Station erwischt, denn er winkte sofort einige Polizisten heran und deutete auf den Bildschirm. Diese lasen meinen Text. Natürlich tauchten genau die Fragen auf, die ich mir selbst schon gestellt hatte:

      „Warum hatte ich keinen Arzt zur Hilfe geholt, oder ihn ins Krankenhaus geschafft?“

      Ich erklärte, dass dies einfach nicht möglich gewesen sei, da eine Mauer aus Menschen den Eingang des Krankenhauses blockierten. Sie fragten mich auch, ob ich denn auch sicher gewesen sei, dass der Mann tot war. Ich nickte.

      Nun legte man uns ein Formular vor, um unsere Personalien festzustellen.

      Ich schrieb meinen Namen und Adresse auf: Felix Eligius, 25 Jahre, Radetzkystraße 1, Bietersbrück.

      Danach gab ich Anja den Stift, die ebenfalls den Fragebogen ausfüllte: Anja Hintsche, 24 Jahre, Radetzkystraße 1, Bietersbrück.

      Danach erkundigte ich mich nach dem Namen des Polizeibeamten.

      Er schrieb: Markus Wolfmann und erklärte mir gleichzeitig, dass er diese Polizeidienststelle leitete.

      In diesem Moment kam ein weiterer Polizist ins Büro und schaute die anderen betrübt an und schüttelte den Kopf.

      Man konnte deutlich die Fragezeichen in den Gesichtern der anderen Polizisten sehen. Er wurde aufgefordert, sich an dem Computer zu setzen und aufzuschreiben, warum er seinen Auftrag nicht ausführen konnte.

      Leider bat man uns, im Nebenraum Platz zu nehmen, sodass ich nicht mitbekam, was er schrieb. Nun erwachte der Reporter in mir. Bislang hatte ich noch gar nicht darüber nachgedacht, was hinter dieser ganzen Sache stecken könnte.

      Aber so langsam beschlich mich der Verdacht, dass es eine größere Sache sein könnte. Vielleicht entwickelte sich diese merkwürdige allgemeine Taubheit zu einer Sensationsstory!

      Viel konnte ich leider nicht aus den Reaktionen der Polizisten interpretieren, nur - dass sie nicht besonders erfreut über die Mitteilung waren, die der Polizist in dem Computer eintippte.

      Danach kam Herr Wolfmann, zu mir und deutet an, ihm zu folgen.

      Er schrieb am PC, dass wir mit zwei Beamten wieder zum Krankenhaus fahren sollten, um ihnen den Tatort zu zeigen.

      Wenig begeistert schaute ich ihn an. Mit Grauen dachte ich an unser Erlebnis am Krankenhaus. Meine Nackenhaare stellten sich unwillkürlich wieder auf und Gänsehaut kroch über meine Arme. Mein Magen signalisierte meinem Gehirn Leere und aufkommende Übelkeit. Da ich vermutete, dass es Anja auch nicht besser erging, fragte ich, ob es nicht möglich sei, dass wir vorher etwas Kaffee und eine Kleinigkeit zu essen bekommen könnten, um den Magen wieder etwas zu beleben.

      Er nickte und eine nette Polizistin brachte uns kurz darauf Kaffee und belegte Brötchen. Während wir aßen, schrieb er mir, dass wir uns nach der Tatortsbesichtigung nach Hause begeben und die Wohnung nicht verlassen sollten, da man nicht wusste, was hinter dieser plötzlichen Taubheit stecke.

      So nickte ich zwar, aber schließlich war ich mit Leib und Seele Reporter und würde mir sicherlich nicht die sich anbahnende Story entgehen lassen.

      Aber das musste Wolfmann ja auch nicht unbedingt wissen. Ich versuchte, einige Informationen durch harmlose Fragen aus ihm herauszukitzeln, aber wenn man alles aufschreiben musste, kam das einfach nicht locker genug herüber und so gab er sich mit seinen Antworten auch sehr zugeknöpft.

      Kurze Zeit später fuhren dann zwei für diesen Fall abkommandierte Polizisten, Anja und