sein!“ Enzo wirkte erleichtert, dass auch dieses Gespräch irgendwann ein Ende nehmen sollte. Er warf das ausgelutschte Zigarillo ins Rosenbeet.
„Ich sag Orla und Lucia Bescheid!“ Enzo verschwand kurz in der cantina.
Als Marina sich aus dem Auto faltete, schien schon wieder jeder Streit vergessen.
Zuerst flog ein riesiger weißer Wischmopp durch die Türe.
Mit großem Gejaule riss er Marina von den Beinen, so dass sie gerade noch den, neben der Türe stehenden, Olivenbaum ergreifen konnte, um den kompletten Umfall zu verhindern.
Ein großes Begrüßungsumarmen und –küssen machte die Runde. Und ein ciao, come stai?
Tutto bene? Come va? - Was hast du in der letzten Zeit so gemacht? Marina bedauerte zwar, dass Antonio und die Kinder schon zu Bett gegangen waren, was aber aufgrund der vorgerückten Stunde kein Wunder war. Es gab aber auch mit dem Rest der Familie noch ausreichend Gesprächsstoff.
Schließlich waren seit ihrem letzten Hiersein drei ganze Monate vergangen. Orla servierte noch einige Vorspeisen inklusive aufgewärmter Pasta und dabei wurden die Erlebnisse der letzten Monate ausgetauscht.
Ein forderndes Klingeln durchtrennte eine kurze Atempause. Orla fühlte sich als einzige angesprochen und erhob sich behäbig, um den Grund der Störung zu erfahren. Am Hörer konnte man nur ihre nach oben wandernden Augenbrauen sehen, ihr Stirnrunzeln vervollständigte das Bild vom ungeliebten Anrufer. Ihre Lippen blieben daher ungewohnt einsilbig.
Schweigen in der vorher so redseligen Runde erwartete sie.
Und Neugierde.
„Es war Frau Wieler...“, damit war wohl das Wichtigste gesagt.
„Mist, ich hatte Ihr versprochen Bescheid zu geben, wenn ich heil angekommen bin!“
„Frau Wieler war sehr verärgert.“
Seltsamerweise konnte Orla Mamu nicht ausstehen, und das obwohl sie sich nur bei der Hochzeit kurz gesehen hatten. Es blieb bei ‚Frau Wieler’, wahrscheinlich der Inbegriff allen Deutschseins in den Augen von Orla.
Marina versuchte das Thema zu wechseln „Wie wäre es gleich morgen mit einem bagno?“
„Du kannst ja die Kinder fragen, aber ich für meinen Teil habe morgen zu tun!“ Lucia hasste es, wenn Marina dachte sie würde nur so zur Dekoration herum sitzen und gab sich geschäftig. „Deshalb gehe ich jetzt auch zu Bett. Gute Nacht!“
Die Ehepaare verzogen sich in ihre camere.
Enzo hatte das Gespräch mit Silvo keine Ruhe gelassen, so dass er im Bett liegend doch noch mal kleinlaut bei Lucia anfragte: „Du, wie hattest du das mit dem wenigen Geld eigentlich wirklich gemeint?“
„Jetzt fängst du schon wieder damit an! Ich weiß nicht, was daran nicht zu verstehen ist.
Seit Jahren schon verdienst du das gleiche Geld. Seit dem Euro sogar fast gar nichts mehr. Du bist einfach zu wenig durchsetzungsstark, um dich um eine Angleichung deines Gehalts zu bemühen. Andere verdienen jährlich mehr. Deshalb können sie sich auch mehr leisten.“ Sie drehte sich auf die andere Seite.
„Du willst also, dass ich mehr Gehalt fordere?“ Enzo setzte sich entsetzt auf.
„Das wäre zum Beispiel einmal ein Anfang!“ Lucia zog sich die Bettdecke bis unter das Kinn.
„Ich weiß nicht, wie du dir das vorstellst. Die Werft steht nicht gerade rosig da, schon einige Male dachten wir, wir müssen schließen. Ich bin froh, dass ich diese Arbeit habe!“
„Und das weiß auch Carlo. Carlo erzählt Euch nur wie schlecht es der Werft geht, damit ihr alle die Klappe haltet. Und ihr macht das, wie dumme Jungen.“
„Du willst damit sagen, dass ich ein dummer Junge bin?“ Leider funktionierte der Fausttrick im Bett nur begrenzt.
„Nicht nur das, du bist nie erwachsen geworden, du hast nie gelernt für die Interessen deiner Familie einzutreten. Ich weiß gar nicht mehr, warum ich dich geheiratet habe.“
Brodelndes Schweigen.
Diese Nacht ging dunkel und schweigend in Enzos und Lucias Schlafzimmer zu Ende.
Im Schlafzimmer von Orla und Silvo ging es noch weiter zur Sache.
Orla keifte: „Was sollte dieser blöde Vorschlag, mit der Gästebewirtung etwas sparsamer zu sein? Marina denkt doch dann, dass ich nicht mehr so gut kochen kann. Wahrscheinlich denkt sie sogar, dass ich alt geworden bin und meinem Haushalt nicht mehr gewachsen wäre-incredibile!“
Silvo widersprach nicht, das hatte gar keinen Sinn.
Leider hatte Orla gute Ohren und daher hatte sie mitbekommen, dass Silvo sich Enzo vorgenommen hatte, um ihn gegen Lucia aufzuwiegeln.
„Was musst du dich um die Ehe deines Sohnes kümmern? Ständig musst du Unfrieden stiften! Lucia ist schon immer eine Nörglerin gewesen! Und du musst Enzo mit der Nase dahinein stoßen. Jetzt streiten sie wieder ums Geld, wie so oft.“
Silvo brummte.
„Und du sagst dann nichts? Erst stiftest du Unruhe und dann sagst du nichts!“
Orla wurde sehr laut und ihre Augen blitzten angriffslustig. Auch sie hatte sich im Bett aufgesetzt.
Silvo konnte diesem Angriff nichts entgegensetzen und zog sich die Decke erst mal weiter hoch.
„Du bist schuld, wenn die Ehe jetzt den Bach runter geht!“
„Daran sind die beiden schon selbst schuld!“, brummelte er unter die Bettdecke hinein.
„Ach, du kannst ja doch reden!“
Silvo fixierte die Deckenbalken.
Nur keine Widerrede mehr leisten, sonst bist du verloren.
Orla konnte sich nach dem heutigen Abend nicht mehr erinnern, weshalb sie Silvo geheiratet hatte. Silvo jedoch wusste noch genau, warum er Orla geheiratet hatte: Weil sie nicht so streitsüchtig wie die anderen Mädels aus dem Dorf gewesen war. Aber er hatte schon gehört, dass sich im Alter Vieles ändern sollte, was genau und mit welcher Tragweite war ihm aber bisher nicht bewusst gewesen.
Das sollte sich ab diesem Tag nun schlagartig ändern.
Im Schlafzimmer von Chiara und Bruno, das eigentlich das Schlafzimmer von Chiara war, ging der Streit vom Abendtisch weiter, noch lange bis in die Nacht hinein. Schließlich musste Bruno eine lange Liste unterschreiben, was er in Chiaras Zimmer tun und lassen sollte.
Naja, eher mehr lassen. Eigentlich war es eher eine Not to do-Liste. Solche Listen findet man übrigens ausdrucksreif im Internet unter knebelvertr.....eu. Upps.
Diese Liste bezog sich aber nicht nur auf das Zimmer von Chiara, sondern auch auf dem Umgang mit Tante Marina und Tanten im Allgemeinen. Weil Bruno schon genervt war, unterschrieb er alles. Was sicherlich sein größter Fehler des heutigen Tages war.
Und im Schlafzimmer von Antonio?
Hier herrschte Ruhe. Gio, der riesige, nur selten wirklich weiße, maremmanische Schäferhund, lag auf dem Teppich vor dem Bett seines Herrchens. Die beiden hatten selten Streit. Gio hatte einfach nie gelernt zu widersprechen.
Was für Antonio ein Glücksfall war.
Und auch für Gio.
Und in Brunos ehemaligem Kinderzimmer, derzeit Gästezimmer?
Marina war glücklich dem Abschleppdienst in Albenga gerade noch mal davon gekommen zu sein. Und so preiswert! Das hatte sie alles ihrer italienischen Familie zu verdanken. Marina stellte ein in Gold gefasstes Bild von Pietro auf den Nachttisch. Es zeigte einen gutaussehenden Italiener in Pilotenuniform. Dazu legte Marina ein navy striped Halstuch, das sie gerade aus einer Plastiktüte genommen hatte. Sofort strömte der Geruch von Armanis Acqua di Gio