Eugenie Götting

Kaviar zum Frühstück 2.0


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der Partner werden.

      Als uns ein wunderschönes Pärchen entgegenkommt mit Gefolge von Freunden und Fotografen erlebe ich eine Art Déjà-vu.

      Ich habe einmal die Gelegenheit mit den Arbeitskollegen meiner Mutti Sehenswürdigkeiten Moskaus zu erkunden. Ich war gerade mal zehn oder elf Jahre alt, als wir mit unserer Familie durch sommerliches Moskau schlenderten.

      Obwohl wir sehr viele Dinge an dem Tag gesehen haben, ist dieses Bild in meinem Gedächtnis als eine Art Foto abgespeichert. Wir standen an einem der vielen Verkaufsstände, an dem die Bewohner Moskaus und zahlreiche Touristengruppen sich tummeln uns Souvenirs für die Lieben zu Hause erwerben wollen. Selbstverständlich wurden wir, die Kinder, von den Plüschtieren magisch angezogen. Also standen wir da und quängelten was das Zeug hält.

      In dem Augenblick kam auch ein Hochzeitspärchen zu dem besagten Stand. Der Bräutigam nahm sofort das größte Plüschtier, einen riesengroßen kitschigen Bären, er war nämlich rosa, und wollte es seiner Geliebten kaufen.

      - Ich weiß gar nicht, ob es eine solch gute Idee ist, sagte die Braut verlegen und doch sichtlich gerührt.

      Ich weiß auch gar nicht wieso, aber sie schaute dabei mit ihren großen hübsch geschminkten Augen meine Mama an. So ähnlich als würde sie Rat bei einer erfahrenen Frau suchen.

      -Na klar, antwortete meine Mum. Das wird sicher eine gute Erinnerung an den schönsten Tag in deinem Leben werden. Es kann sonst sein, dass ihr es bereut den Bären nicht gekauft zu haben.

      Und tatsächlich folgten die zwei dem Rat meiner Mutti. Wir hingegen haben auch einen Bären bekommen, allerdings alle drei jeweils die viel kleinere Variante. Es war aber eine riesen Freude über die Errungenschaft.

      Nun, ein ganzes Jahrzehnt später, bin ich wieder an dem zauberhaften Erinnerungskomplex Poklonnaja Gora. Es hat sich nicht viel verändert. So soll es ja auch sein. Schließlich ist es eine Sehenswürdigkeit. Doch auch die Händler oder zumindest deren Warenangebot haben sich nicht wirklich gewandelt. Es wurden genauso viele Plüschtiere und Helium gefüllte Luftballons angeboten. Und die Kinder quängelten wie wir einst und bekamen meist etwas zur Ablenkung, wie zum Beispiel eine kleine Seifenblase-Dose. Eine ganz einfache Dose mit Shampoo und Wasser verdünnt. Doch solch eine banale Kleinigkeit kann einem Kind sehr viel Freude bereiten. Außerdem ist es eine viel billigere Variante im Vergleich zu den Plüschtieren oder Helium gefüllten Luftballons. Wahrscheinlich ist es für die Eltern immer noch besser dieses Ablenkmanöver anzuwenden.

      Ich sah nun das gleiche Bild aus zwei völlig verschiedenen Perspektiven. Das eine Mal war ich selbst ein kleines Mädchen, welche sich auf die Großstadt, eine Reise nach Moskau, freute und nach Plüschtieren quängelte. Diesmal habe ich die Gegebenheit geboten bekommen auf eigene Faust die Metropole zu entdecken. Meine Freunde habe ich natürlich immer gerne dabei. Denn wie der Albert Schweitzer schon sehr trefflich ausgedrückt hat, ist das Glück das einzige, was sich verdoppelt, wenn man es teilt. So war ich auf meiner Entdeckungstour nicht allein.

      Der glücklichste Tag meines Lebens

      Es war einer der wunderschönen Herbsttage. Der goldenen Herbsttage, wenn die Natur mit ihrer Schönheit lockt und angenehme Frische in der Luft liegt.

      An so einem wunderschönen Tag, welcher einfach nur zum Genießen gemacht war, eilte ich zum Management Seminar. Es war mein Ziel, so viel wie möglich zu lernen, und ich wollte mich davon nicht abbringen lassen. Im Unterricht habe ich es keine einzige Minute bereut, die Zeit im Klassenzimmer zu verbringen. Dafür freute ich mich umso mehr, als wir erfuhren, dass die zweite Vorlesung diese Woche nicht stattfindet! Es war einfach nur unglaubliches Gefühl von Freiheit. Und meine Kommilitonin und ich beschlossen die letzten Sonnenstrahlen zu nutzen und Richtung Vorobjövi Gory zu gehen, um die Aussicht auf Moskau zu genießen.

      Das war einer der schönsten Tage meines Lebens. Ich war einfach nur glücklich, ohne dass dieses Gefühl an eine bestimmte Sache oder ein bestimmtes Erlebnis gebunden war. Nun empfindet aber jeder das Gefühl des Glücklichseins sicherlich ganz anders und nimmt hierfür verschiedene Kriterien an. Also versuche ich, mein persönliches Glücksgefühl etwas näher zu erläutern, auch wenn es mir etwas schwer fällt, denn es ist doch so schwer in Worte zu fassen. Einerseits war es Freiheit, ohne dass ich dachte, es ist Freiheit. Nein, es war eher so eine subtile Unabhängigkeit vom Nichts. Einfach mal sich auf einem anderen Niveau fühlen. Manchmal vergleicht man sich mit anderen und fühlt sich besser, wenn man merkt, dass man selbst besser dasteht, als die anderen. Doch es war wiederrum ein ganz anderes Gefühl des Glücklichseins. Außerdem fühlte ich mich plötzlich um ein Jahrzehnt jünger, ohne auf keinen Fall auch nur die kleinste Erfahrung missen zu müssen. Ich war stolz und überglücklich, dass einerseits mein Leben wie vom Neuen anfängt, so mit 17 ungefähr und andererseits ich so viel erlebt habe und um so viel um die Erfahrung reicher bin.

      Möglicherweise liegt es daran, dass ich hier sehr viel Zeit habe, aber auch Möglichkeiten und Herausforderungen, welche ich überwinden will. Es gibt in Moskau sehr viele Gelegenheiten Dinge neu für sich zu entdecken, über vieles nachzudenken und sich weiterzuentwickeln. Diese Stadt ist ja auch sehr kreativ und anspornend. Man will sich bemühen, sich gut zu fühlen und etwas darstellen. Das ist das eine.

      Auf der anderen Seite merkt man hier wie in keinem anderen Kontext und keiner anderen Stadt, du kannst nur dienen eigenen Weg gehen. Das ist der einzig wahre und richtige Pfad zu deiner Glückseligkeit. Denn nur so kann man von niemandem überholt werden. Nur so muss man sein wahres Ich nicht leugnen. So ein interessanter Moment war es gestern. Ich genoss jeden Augenblick ohne ein Fünkchen Reue oder Zweifel. Wie der Lev Tolstoj sagte: „Glück ist Vergnügen ohne Reue“.

      Alexandrovsk - die Stadt des Zaren

      Das ist ein toller Name einer kleinen Stadt, welche etwa hundert Kilometer nördlich Moskaus liegt. Um genau zu sein Richtung Nord-Ost. Zu der Geschichte dieser Stadt gibt es ein paar wirklich interessante Aspekte, welche bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen. Im Herbst des Jahres 1565 hatte Ivan Groznyj-der Schreckliche- dorthin seine Residenz verlegt und zog sich öfters gerne von Moskau nach Alexandrovsk zurück, um Ruhe zu finden. Möglicherweise hatte dieser Rückzug oder seine Aufenthalte dort eine symbolische Bedeutung und er wollte hiermit seine Macht demonstrieren.

      Während der Zeiten der Sowjetunion wurden dort künstlich Kristalle gezüchtet. In vielen Gebieten waren einige Forschungsarbeiten die fortschrittlichsten auf aller Welt. Später ereilte sie aber dasselbe Schicksal wie das vieler anderer Produktionswerkstätten. Sie wurden von China überholt und überrollt. Und obwohl sie Vorreiter auf dem Gebiet der künstlichen Züchtung verschiedener Kristalle waren, Vorteile auf den Märkten hatten und durch zahlreiche Jahre der Erfahrung günstig produzieren konnten, war es kein sonderliches Hinderniss für chinesische Produktion den Markt zu überfluten. Sie waren eben noch günstiger und hatten schon in vielen Segmenten den Markt überschwemmt.

      Wer eine mehr oder weniger typische Stadt für Russland sehen will, sollte auf keinen Fall denken diese in Moskau zu finden. Moskau ist nicht Russland, genauso wie Paris kein Frankreich ist. Und in den Provinzen herrschen ganz andere Lebensgewohnheiten. Für diejenigen, die auf Abenteuer stehen, sollten ihre Reise in die Provinzen um Moskau im späten Herbst planen. Dann erlebt man für Europäer fast schon seltsame und unglaubliche Dinge. So kann man eine zur Hälfte überflutete Straße sehen, statt den Asphaltstraßen Schlammstraßen. Wenn man den Mut findet nicht nur unter die eigenen Füße zu schauen, sondern auch mal die Bewohner betrachtet, kann man sehen, wie auch diese versuchen den überall vorhandenen Schlamm und riesigen Pfützen zu umgehen. Manche, auch ältere Damen, sind besonders vorsichtig und treten sehr vorsichtig auf den Dreck. Aber es hat sowieso kein Sinn, eigentlich müssten sie es doch wissen. Nichts desto trotz versuchen die Damen den Schlamassel zu umgehen.

      Oft klingt die Behauptung: "Reisen erweitert deinen Horizont" oder "Man kann die Welt plötzlich mit anderen Augen sehen" viel zu banal, abstrakt oder aus der Luft herausgegriffen. Doch wenn man selbst ganz neue Erfahrungen macht, irgendetwas neu für sich entdeckt, dann erst merkt man den