Brian Micklisch

Das Medaillon


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Medaillon gesehen, selbst an der Statue hing nur ein aus Marmor gefertigtes Replikat.

      Am Fuße der Skulptur stand ein goldener Thron, in dem ein lächelnder, ältlicher Mann saß.

      “Vater!”, rief Meldon erfreut, als er sich näherte.

      “Komm her, mein Sohn. Erzähl mir wie es unseren alten Freunden in der Stadt im Meer ergeht!”

      “Ich kann dir nur von ihrem Wohlbefinden berichten. Die Stadt wächst immer weiter heran und die Bewohner sind weit mehr als noch vor einiger Zeit”, antwortete er beruhigend.

      “Doch ich glaube nicht, dass dies der Anlass meines Erscheinens ist”, drängte er, denn auch Meldon musste sich für die Jagd bereit machen, sein Pferd würde Merna übernehmen, das wusste er.

      “Nein”, sagte Eloson und versank in seinem Thron.

      “Meldon, hör mir gut zu! Ich spüre, wie meine Zeit abläuft. Ich weiß nicht warum, aber ich spüre es...”

      “Nein”, flüsterte Meldon. “Ich werde für dich da sein”

      “Du kannst nicht immer für mich da sein, lieber Meldon. Du bist derjenige, der hier meinen Platz einnehmen wird. Aber was wird passieren?”. Meldon blickte ihm tief in die Augen.

      “Dein Bruder wirkt von Tag zu Tag unheimlicher. Er scheint mit jedem Erwachen mehr bösere Absichten zu haben.”

      Meldon nickte zustimmend.

      “Pass auf dich auf mein Sohn, ich glaube Ammon will den Thron für sich. Ja, er ist ein guter Kämpfer, aber ich würde ihm keinen Deut Macht anvertrauen. Vorletzte Nacht sah ich ihn auf den Mauern stehen. Er blickte lange in Richtung des Verbotenen Waldes. Ich weiß nicht, was er denkt, was er fühlt, er redet nicht sonderlich viel, aber mir scheint, er glaubt die Gerüchte seien wahr und der Geist existiert. Die folgende Frage wäre natürlich ob das Medaillon seinen Hals schmückt.”

      “Warum sollte das Medaillon im Verbotenen Wald versteckt sein?”, fragte Meldon, der sämtlichen Gerüchten um den Geist und dem Medaillon Gehör geschenkt hat. Eloson schien offenbar ratlos und blickte zur Decke, was Meldon nicht sah, das unterdrückt gewollte Tränen aus seinen Augen liefen.

      “Vielleicht starb er dort, fand aber keine Ruhe”, flüsterte Eloson leise, mehr zu sich selbst als zu seinem Sohn.

      Meldon spürte, dass er seinen Vater besser allein ließ, erhob sich von seinem Kissen und gab dem König einen Handkuss.

      “Die Jagd rückt näher, mein Vater, ich werde jetzt gehen!”, er drehte sich um und lief durch die Halle zurück.

      “Ja, mein Sohn, pass auf dich auf!”

      Nachdem Meldon seine Vorbereitungen getroffen hatte, erreichte er endlich sein gesatteltes Pferd. Wie dankbar er Merna doch war, dass sie ihm oft bei seiner Arbeit behilflich war. Als Andenken für die Abwesenheit bei der Jagd hatte sie eine dunkelviolette Veilchenelfenblume an den Sattel gesteckt. Er roch an ihr, der sanfte Duft der Lieblingspflanze seiner Liebe durchnebelte seinen Geist.

      Und er saß auf. Gerade als er seine Position im Sattel gefunden hatte, durchlief ein eisiger Schauer seinen Rücken. Es war als würden tausend Speere ihn durchstoßen.

      Er drehte sich um und am Ende des Platzes suchte sein Bruder Ammon sich einen Weg durch die dichtstehende Menge, was ihm nicht sehr schwer fiel. Die Pferde wichen zurück vor dem Anblick. Ammon war komplett in schwarz gekleidet, ein riesiger Umhang bedeckte die breiten Schultern und ließen die Stärke nur erahnen.

      Alle fühlten sich in die Zeit der großen Kriege zurückversetzt.

      Ein mächtiges Schlachtross trug Ammon. Schwarze Panzerung bedeckten Stirn und Seiten des Tieres. Hinter ihm folgten seine drei treuen Diener, die weit weniger Respekt erhielten. Sein Blick traf Meldon, der von dem hässlichen Grinsen Ammons tief durchbohrt wurde.

      Nun verstand er endgültig, was sein Vater ausdrücken wollte.

      Die Hörner der Stadt wurden erneut geblasen. Laut und niederschmetternd hallten sie bis in weite Ferne. Das Echo in den Stadtmauern ließ nach, da erschien der König zwischen den Häusern, er ritt langsam und von Stolz überdeckt zur östlichen Zugbrücke. Sein Pferd steuerte ihn zum Ende des Holzes, damit jeder ihn sehen konnte.

      “Mein Volk, lange haben wir auf die Jagd warten müssen, doch nun ist sie da!”

      Die Menge tobte.

      “Haltet euch im Westen vom Tal der Sknavs fern! Gebt euer Bestes, aber verausgabt euch nicht zu sehr, denkt an die Feierlichkeiten nach der Heimkehr. Möge die Jagd beginnen!”

      Jubel ertönte von allen Seiten, als die Hufe auf das Brückenholz schlugen und die Jäger die Stadt verließen. Der Tross ritt zügiges Tempo in Richtung Norden um den kleinen Wald schnell zu erreichen.

      Wie jede Zurückgebliebene rief Merna von der Stadtmauer ihren Beistand aus, doch bei dieser Jagd, erschlich ihr Herz ein mulmiges Gefühl.

      2. Die Jagd

      Ein Pfeil zischte durch die Luft. Zwischen den Bäumen erklang ein lautes Heulen. Der Pfeil verfehlte sein Ziel nicht gänzlich und hatte den Ramben eine klaffende Wunde in seinen Hals gerissen. Die stolze Erscheinung des übermenschlich großen Tieres war Vergangenheit, die bunten Federn zitterten am ganzen Leib, als mehrere verrückt scheinende, mit Pfeil und Bogen bewaffnete Jäger aus dem Gebüsch schossen um ihn zu töten. Allein die Todesangst half dem Ramben die Hinrichtung abzuwenden, seine staksigen Beine setzten sich in Bewegung und liefen riesigen Schrittes zwischen die Bäume davon. Lautes Gebrüll folgte ihm, aber war nicht schnell genug.

      Die so unendlich zu seiende Stille war damit gebrochen.

      Jagdrufe und Todesschreie der Ramben hallten durch den kleinen Wald.

      Als Echo durch die Bäume lallend, drangen sie bis zu Meldon vor, der sich jedes Mal aufs Neue wunderte warum sein Volk diesen schönen Lebewesen Leid zufügen konnte, wo man auch friedlich miteinander zu leben vermochte. Meldon überlegte, ob Ramben wohl schneller als Pferde seien und ob man so in kürzerer Zeit längere Entfernungen hinter sich ließ. Aber dieses zittrig wirkende Wesen war wohl nur im Wald besser geeignet, wo hingegen die Pferde Nachteile hätten. Wieder vernahm Meldon einen Rambenschrei.

      “Euer Blutdurst wird nie enden!”, erwähnte eine leise Stimme, dessen Herrin auf Meldon‘s Schulter Platz fand.

      Er räusperte sich.

      “Aber ich bin froh, dass du dem Töten nicht verfallen bist und deine Sucht nach anderen Dingen strebt.”

      “Ohne diese Sucht hätten wir uns nie kennen gelernt”, antwortete Meldon.

      “Das stimmt, als kleiner Junge warst du oft im Wald um bei den Pflanzen und Tieren die Gegensätze zu beobachten in denen sie leben. Seitdem bist du viel gewachsen, aber ich bin die Gleiche geblieben.” Meldon schaute sie an.

      “Du wirst auch ewig meine Kleine Manala bleiben, die alles weiß, aber niemand Wissen über sie besitzt.”

      Manala musste kichern.

       “Es hat eben auch Vorteile so klein zu sein.”

      Es knackte. Meldon schaute erschrocken über die Schulter.

      “Versteck dich!”, flüsterte er zu der kleinen Elfe, die sofort nicht mehr zu finden war, aber ihren Platz nicht verlassen hatte.

      Sie folgte Meldon‘s Blick. Beide starrten in die Richtung, wo die Jagd sein musste, aber wer mag sich hierher verirrt haben?

      Es knackte abermals. Diesmal hörten die Schritte nicht auf und die Geräusche kamen näher, bis Meldon ein riesiges schattenhaftes Tier ausmachte. Manala verschwand von seiner Schulter. Er spürte für kurze Zeit die Einsamkeit, die sein Körper erschlaffen ließ. Sich ebenso unsichtbar machen wollend, an einen alten Baum gepresst, harrte er aus. Doch plötzlich war er nicht mehr allein.

      “Dein