zu haben. Aber Sie wissen ja sicher auch, dass die Anwesenheit der amerikanischen Armee einigen Leuten ein Dorn im Auge ist. Es könnte also auch tatsächlich zu Anschlägen kommen.
Passen Sie auf Clara auf, ja?“
Rayan nickte kurz, sagte aber nichts. Er ging nachdenklich nach Hause und nahm sich vor, Augen und Ohren offen zu halten.
2014 - Rub’al Khali, Oase Wahi - Treffen in der Oase
Nach 4 Tagen hatte die Karawane endlich die Oase namens Wahi im Süden von Dubai erreicht.
Je näher sie kamen, desto schweigsamer waren Carina und Hatem geworden. Die Reiterschar hatte einen Tag Vorsprung und es war fraglich, wie viel schneller die Pferde vorankamen im Vergleich zu den Kamelen? Was, wenn in der Oase keiner mehr wäre? Dann würden sie wochenlang in der Oase festsitzen. Denn die Karawane würde weiterziehen und ein Umkehren alleine wäre zu gefährlich.
So atmeten sie auf, als sie neben den kleinen Häusern der Oasenbewohner auf der anderen Seite der Oase die Zelte der Tarmanen erkannten. Wie es üblich war, hatten sie ihre Flaggen mit dem Stammesemblem deutlich sichtbar gehisst, das Zeichen von Zarifa, sodass ein Irrtum ausgeschlossen war.
Hatem wurde zusehends nervöser, denn er wusste nicht, wie er diese ganze Geschichte erklären sollte. Er selbst hatte noch nie persönlich mit dem Scheich zu tun gehabt, aber schon von Männern gehört, die der angeblich selbst für weniger eigenhändig getötet hatte. Auch für seine Strafen war der Scheich gefürchtet, schon so mancher Mann musste auf seinen Befehl hin die Peitsche erleiden.
Der Schweiß stand ihm also nicht nur aufgrund der unerträglichen Hitze auf der Stirn.
Sie verabschiedeten sich vom Karawanenführer und bedankten sich nochmals für sein gutes Geleit, verkauften ihm wie versprochen ihre Kamele und gingen zu Fuß auf das Lager auf der anderen Seite des kleinen Gewässers und den Palmen zu.
Die Zelte waren in ihrer Ausführung recht unterschiedlich.
In der Mitte der kleinen Ansammlung gab es größere Zelte, Zelte, in denen ein Mann locker stehen und umhergehen konnte. Weiter außen standen kleinere Zelte, die für einen oder wenige Männer zu sein schienen.
Als sie sich näherten, trat ihnen ein Mann in den Weg, der ein Gewehr über der Schulter trug.
Carina konnte den Wortwechsel nicht verstehen, doch schien der Fremde nicht sehr freundlich und keinesfalls erfreut, sie zu sehen. Sie war froh, dass sie auf Hatems Anraten noch immer wie ein Mann gekleidet war, denn irgendwie spürte sie, es wäre als Frau erst recht undenkbar gewesen, hier einfach aufzutauchen.
Was, wenn die Männer sich nun einfach weigern würden, sie mitzunehmen? Und hier in der Oase ließen? Sie hatte Hatem gegenüber noch so keck argumentiert, dass das nicht in Frage käme, da sich der Scheich stets an die Regeln der Wüste hielt und die gebot Gastfreundschaft gegenüber Fremden in Not. Doch waren sie hier wirklich in Not? Sie waren immerhin in einer Oase!
Auch Carina fühlte sich längst nicht mehr so sicher und fragte sich zum hundertsten Mal, ob das nicht wieder einmal eine ihrer Kurzschluss-Ideen war, die sie schon öfter in Schwierigkeiten gebracht hatte.
Endlich rief der Wachposten einen anderen Mann herbei, sprach halblaut mit ihm und schickte ihn dann … wohin?
Sie standen eine kleine Weile einfach so herum, der Wachposten sagte kein Wort, machte aber alleine durch seine Körpersprache deutlich klar, dass er an keinerlei Konversation interessiert war und sie außerdem keinen Schritt weiterlassen würde.
Die Minuten kamen Carina unendlich lange vor, dann kam schließlich der zweite Mann zurück. Er bedeutete ihnen, ihm zu folgen.
Carina verstand zwar nicht, was er sagte, konnte jedoch seiner Gestik entnehmen, dass er sie hinführen würde … zu wem? Sie fand es furchtbar nichts zu verstehen, aber Hatem konnte schlecht mit ihr Englisch sprechen, denn offiziell war sie sein Neffe Hassan.
Der Mann brachte sie in eines der größeren Zelte und wie schon von außen vermutet, war es so groß, dass man bequem darin stehen konnte.
Carinas Herz klopfte bis in ihre Ohren, als sie durch den Vorhang ins Innere schlüpfte. Wer oder was würde sie erwarten?
Erst dachte sie voller Aufregung an das Gespräch, das sie im Flieger mit dem Scheich gehabt hatte, ohne ihn zu erkennen. Er schien durchaus Humor zu haben. Damit tröstete sie sich. Aber dann kam von irgendwo aus ihren hintersten Gehirnwindungen das Bild des grausig zugerichteten Mannes am Wegrand und wieder fragte sie sich: „Was für ein Mensch tut so etwas?!“
Nachdem sich ihre Augen an das Dunkel gewöhnt hatten, stellte sie fest, dass das Zelt leer war.
Der Mann gab ihnen zu verstehen, dass sie warten sollten und ging dann wieder hinaus. Sie waren allein.
Hatem nutzte die Gelegenheit, sie halblaut auf den aktuellen Stand zu bringen: „Ich habe behauptet, dass wir eine wichtige Nachricht für den Scheich haben – er holt nun seinen zweiten Mann, seine rechte Hand. Er ist der Anführer der Reiter, wenn der Scheich nicht da ist. Ob ihr Herr selbst überhaupt hier ist, wollte mir niemand sagen. Sie waren insgesamt recht einsilbig. Und ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung, was sie mit mir machen werden, wenn sie hören, dass ich gelogen habe …“ Er schien noch etwas sagen zu wollen, doch in diesem Moment wurde der Vorhang zur Seite gezogen und der Mann, der sie hierher gebracht hatte, hielt den Stoff für einen anderen Mann auf.
Seine Vorstellung konnte Carina verstehen, soviel Arabisch hatte sie inzwischen gelernt: „Ich bin Hanif al Hamid – der Anführer dieser Reiter und spreche im Namen des ehrenwerten Scheichs Rayan Suekran al Medina y Nayran.“
Hatem verneigte sich tief und sprach den üblichen Gruß besonders ehrfurchtsvoll. Seine Stimme zitterte. Auch Carina verneigte sich tief, sagte jedoch nichts.
Als sie sich wieder aufrichtete, sah Hanif ihr einen Augenblick prüfend direkt in die Augen. Instinktiv wusste sie, dass er sie durchschaut hatte.
Dann wandte er sich an Hatem und fragte mit klirrender Stimme: „Was ist hier los?!“
1990 - Rabea Akbar – Alle Dämme brechen
Die Drohung schränkte Rayan in den nächsten Tagen erheblich ein. Sowohl beim Verlassen als auch beim Betreten der Kaserne wurden scharfe Kontrollen, sowohl an allen Personen durchgeführt, als auch an allen Fahrzeugen. Zum Beispiel wurden an den Humvees, mit denen sie normalerweise ihre Erkundungsfahrten durchführten, Unterbodenkontrollen mit Spiegeln eingeführt.
Es gab auf einmal zusätzlich Spürhunde, die nach Sprengstoff suchen sollten.
Außerdem wurden die Kontroll-Patrouillen in der Stadt und den umliegenden Wüstengebieten verschärft, sodass er fast täglich im Einsatz war.
Etwa drei Wochen nach seinem Besuch bei Claras Eltern explodierte die erste Autobombe, direkt vor dem Haus des Generals. Dass er das Ziel gewesen war, war offensichtlich und lediglich den vor dem Haus postierten Wachen war es zu verdanken, dass niemand zu Schaden kam.
Ab diesem Tag durfte Clara das Haus nur noch in Begleitung zweier ihr persönlich zugeteilter Posten verlassen, was ihre gemeinsame Zeit weiter einschränkte.
Umso mehr freute sich Rayan, als Clara ihm einige Tage später eine Nachricht zukommen ließ, dass sie plane, nach dem Besuch der sonntäglichen Messe den Stützpunkt zu verlassen, um auf den Markt zu gehen und ihn fragte, ob er nicht auch kommen wollte.
Da er als Moslem nicht am Gottesdienst im Stützpunkt teilnahm, vereinbarten sie, dass er bereits vorgehen, und sie sich am Brunnen am östlichen Rand des Marktes treffen würden.
Der Markt von Rabea Akbar war eines der Highlights in der sonst so ruhigen Stadt und fand jeden Sonntagvormittag statt. Hier merkte man den Einfluss der vielen amerikanischen Soldaten, die sonntags üblicherweise ebenfalls zur Kirche gingen und danach einen Teil ihres Soldes auf dem Markt auszugeben pflegten. Der eigentliche Feiertag der Einheimischen