Gabriele Schillinger

Der geheimnisvolle Brandstifter


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einem armen Studenten nach, doch war er ein netter und angenehmer Nachbar. Er fragte Rebecca, ob er ihr am Abend etwas vom Chinesen mitbringen soll. Da er genau wusste was sie gerne aß brauchte sie nicht viel zu erklären, sondern nur bejahen oder verneinen. Ralf hielt sich nicht lange auf und Rebecca war dankbar dafür. Sie begab sich in die Küche und holte sich eine Tasse Kaffee. Erschöpft ließ sie sich im Wohnzimmer auf dem Sofa nieder. Als es schon zu spät war, bemerkte sie, dass ihr Frühstücksbrot noch neben dem Kühlschrank lag. Sie blickte von der Ferne auf ihren Teller und wünschte sich, es könnte von alleine zu ihr fliegen. Widerwillig stand sie auf um es sich zu holen. Plötzlich gab es einen lauten Knall, der sogar am Boden des Zimmers zu spüren war. Rebecca hockte sich hinter den Küchentisch. Würde jetzt etwa das Haus einstürzen? Dann bemerkte sie eine dicke Rauchwolke am Fenster vorbeiziehen. Vorsichtig öffnete sie die Balkontüre und schaute vom zweiten Stockwerk auf die Straße. Eine Menschenmenge stand um einen riesigen Feuerball. Einige schauten entsetzt, andere telefonierten aufgeregt und ein paar Jugendliche filmten das Spektakel. Rebecca beugte sich etwas über das Balkongitter um besser zu sehen, was passiert war. Neugierig schaute sie auf den Feuerball, in dem kaum etwas zu erkennen war und erstarrte plötzlich. Stand nicht genau auf diesem Platz ihr Auto?

      Rasch zog sie sich eine Hose und einen Pullover über. Schnell schnappte sie sich den Wohnungsschlüssel und rannte die Stufen hinunter. Sowohl die Polizei, als auch die Feuerwehr waren bereits eingetroffen. Sie riegelten die Stelle ab, doch Rebecca versuchte so nah wie möglich heranzukommen. Ein Polizist schob Rebecca wieder hinter die Absperrung. Ihm entging jedoch nicht, wie schockiert sie auf das Feuer schaute und fragte vorsichtig nach. Sie stammelte unverständliches vor sich hin. Der Polizist konnte allerdings verstehen, dass es sich um ihr Auto handeln könnte. Zudem erwähnte sie immerfort den Namen Ralf. Der Polizist rief einen Sanitäter herbei, damit er sich um Rebecca kümmerte. Dieser führte die blasse Frau zu einem der Rettungswagen, um ihren Schock zu behandeln. Zuerst bekam sie Sauerstoff und anschließend eine Tablette mit viel Flüssigkeit. Der Polizist kam etwas später hinzu. Er schaute nach, ob er nun Rebecca befragen konnte. Da sie nach wie vor unter Schock stand, begnügte er sich einmal mit ihren Daten, danach wurde sie sicherheitshalb ins Krankenhaus gebracht.

      Da der Polizist nicht sehen konnte, ob Rebecca schon während der Explosion anwesend war, wollte er sicher gehen, dass sie keine Verletzung davontrug. Zudem konnte man sie in dieser seelischen Verfassung nicht alleine lassen und auf der Wache hätte sich ihr Zustand auch nicht so schnell gebessert.

      Er hatte schon einmal einen ähnlichen Fall. Ein Mann sah ein Unglück mit einem Kind und es war nicht möglich, ihn zum Reden zu bringen. Er stand wie Rebecca unter Schock. Ein Nachbar gab die Identität des Mannes bekannt und wollte sich um ihn kümmern. Als am nächsten Tag der Mann in die Wache kommen sollte, um seine Beobachtung zu Protokoll zu geben, erfuhr der Polizist, dass er sich in der Nacht das Leben genommen hatte. Der Junge beim Unfall war sein Sohn gewesen, der normalerweise bei seiner geschiedenen Frau lebte. Ein zweites Mal wollte der Polizist diesen Fehler nicht begehen.

      Im Krankenhaus bekam Rebecca weitere Beruhigungsmittel. Sie schaute dem Tropf zu und fühlte sich noch einige Zeit leer. Es dauerte seine Zeit bis sie wieder klarer denken konnte. War es wirklich ihr Auto in den Flammen? Möglicherweise war Ralf bereits weggefahren und jemand anderer hatte sich gleich dorthin geparkt? Die Ärzte konnten ihr allerdings auf keine ihrer Fragen eine Antwort geben.

      Nach einigen Stunden kam ein ziviler Beamter auf Rebecca zu, um sie zu befragen.

      Sie erfuhr, dass Ralf zwar noch nicht im Auto saß, aber gerade die Türe aufsperren wollte. Die Wucht der Explosion schleuderte ihn gegen die Hauswand. Er prallte derart heftig mit Kopf und Oberkörper dagegen, dass er einen üblen Schädelbruch erlitt. Trotz schneller Hilfe von Passanten verstarb er noch an Ort und Stelle.

      Rebecca gingen tausend Gedanken durch den Kopf.

      Ralf war ein so junger und freundlicher Mann. Hätte sie ihm bloß nie das Auto geborgt oder besser am Vortag nicht so viel getrunken und ihre Pläne geändert.

      Möglicherweise war etwas am Wagen nicht in Ordnung, die letzte Wartung war schon viel zu lange her. Hatte sie zu verantworten, dass Ralf sterben musste?

      Der Beamte versuchte sie zu beruhigen. Es stand noch nicht fest was passiert war. Erst die Spurensicherung konnte Licht in die Sache bringen und sagen, was die Ursache war.

      Rebecca musste eine Nacht im Krankenhaus verbringen, danach wurde sie mit Tabletten nach Hause geschickt. Ihre Vorgesetzte war zwar nicht glücklich, riet ihr aber diese Woche in Krankenstand zu gehen.

      Hannas Reaktion war heftig. Für sie stand fest, dass Rebecca das Auto schon längst verschrotten hätte sollen. Sie vertrat deutlich ihre Meinung und machte unterschwellige Andeutungen, dass dies Rebeccas Schuld war. Da sie ja immer schon annahm, die Welt würde sich ohne sie nicht drehen, brachte sie Lukas bei ihrer Mutter vorbei und fuhr zu ihrer Freundin.

      Rebecca saß wie ein Häufchen Elend beim Küchentisch. Kurz zuvor starrte sie vom Balkon auf die Unfallstelle. Das Wrack war bereist entfernt worden, aber die vom Blut eingefärbten Stellen am Boden hatte noch niemand weggewaschen.

      David erfuhr erst Ende der Woche von dem Vorfall. Er wollte seine Schwester vom Blumengeschäft abholen und sah, dass es geschlossen war. Eigentlich war er noch nie bei Rebecca in der Wohnung, doch diesmal ließ er es sich nicht nehmen sie zu besuchen. Bewaffnet mit leckerem Kuchen für die Seele läutete er an ihrer Türe. Es war ungewöhnlich einen Mann in der Wohnung zu haben. Wenn sie jemanden kennenlernte, ging sie immer zu ihnen nach Hause. Ansonsten waren nur ihre Freundinnen oder manchmal Ralf in ihrer Wohnung. Ach Ralf … Gleich liefen wieder Tränen über die Wangen und David nahm sie in die Arme. Rebecca erzählte von den Vorfällen und den Vorwürfen, die sie sich deswegen selber machte. David beschwichtigte sie, immerhin konnte sie nicht wissen, dass das Auto derart beschädigt war und gleich bei einer kurzen Berührung in die Luft ging. Noch nie hatte er von einem derartigen Fall gehört. Möglicherweise hatte ja Ralf etwas Explosives bei sich. Immerhin kannte den Nachbarn niemand so gut, dass dies ausgeschlossen werden konnte.

      Da hatte David wohl Recht. Die paar Worte zwischen Rebecca und Ralf sagten noch lange nichts über seine Freizeitaktivitäten aus.

      David brachte seiner Schwester ein Glas Wasser aus der Küche und trocknete ihre Tränen mit einem Taschentuch ab.

      Rebecca war derart in ihrer Trauer gefangen, dass sie die müden Augen ihres Bruders nicht bemerkte. Allerdings versuchte er seine eigene Erschöpfung vor ihr zu verbergen. Sie sollte auf keinen Fall von seinem Geheimnis erfahren.

      Der erste Arbeitstag war schwer, doch tat ihr die Ablenkung gut. Wenn sie in einem Gespräch mit einem Kunden war, vergaß sie für einen Moment den Verlust ihres Nachbarn. Das Auto war ihr egal, es war nur ein alter Gegenstand, doch Ralf hatte noch sein ganzes Leben vor sich. An Davids Theorie, dass Ralf etwas Explosives in seinem Gepäck hatte, glaubte Rebecca nicht. Wahrscheinlich hatte er es nur gesagt, um sie zu beruhigen.

      Der nächste Schock ließ nicht lange auf sich warten. Eine Polizistin kam im Geschäft vorbei und informierte sie über die Ursache der Explosion. Am Unterboden vom Auto war eine Bombe montiert, die beim Öffnen der Fahrertüre ausgelöst wurde. Niemand wusste, dass sie an diesem Tag Ralf den Wagen borgte. Galt diese Bombe etwa Rebecca?

      Die Polizistin wollte wissen, ob sie in letzter Zeit mit irgendjemanden Streit hatte, sie vielleicht einen Kunden verärgerte oder generell Feinde hatte.

      Rebecca fiel niemand ein, der ihr etwas Böses wollte. Sie war immer freundlich zu ihren Kunden, zudem wusste niemand, dass sie ein Auto besaß. Feind war ihr ebenso keiner bekannt. Auch ihre Freunde oder Bekannten konnten es nicht sein. Es war unvorstellbar, dass es irgendwer auf Rebecca abgesehen hatte.

      Hatte sich der Täter beim Auto geirrt? Gab es vielleicht so einen ähnlichen Wagen in der Gasse? Die Beamten konnten auch noch nicht ausschließen, dass der Täter dachte es wäre Ralfs Auto. Immerhin fuhr er öfter damit.

      Wochen voller Angst folgten. Manchmal hatte Rebeca sogar den Anschein, jemand würde sie verfolgen. Es stellte sich aber immer heraus, dass der gleiche Weg der Personen nur Zufall war.

      Obwohl David für seine