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Michael Tycher
Leben und Arbeiten im NS-Ghetto
Einzelfälle aus den Akten der Deutschen Rentenversicherung Bund nach dem ZRBG
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Inhaltsverzeichnis
1. Hintergrund: Die Akten der Deutsche Rentenversicherung Bund (ehemals BfA)
5. Die rechtliche Lage nach 2009
1. Hintergrund: Die Akten der Deutsche Rentenversicherung Bund (ehemals BfA)
Die Deutsche Rentenversicherung Bund (ehemals BfA) mit Sitz der Hauptverwaltung in Berlin und faktischer Rechtsnachfolger der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte (RfA) besteht seit 2013 60 Jahre. Mit den ehemaligen Landesversicherungsanstalten für Arbeiter (LVA) und der Bundesknappschaft verwaltet die Deutschen Rentenversicherung Bund als Spitzenorganisation der Deutschen Rentenversicherung derzeit die Rentenangelegenheiten von mehr als 50 Millionen Versicherten und Rentnern in Deutschland und im Ausland lebender Rentenberechtigter. Ferner agiert sie als Abwicklungspartner für mehrere Millionen Arbeitgeber, die die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge für die Rentenversicherung abführen. Ihre Hauptaufgabe nach dem Sechsten Buch des Sozialgesetzbuchs ist die Berechnung und Zahlung von Renten und in der Durchführung von Leistungen zur Rehabilitation. Die Beschäftigten widmen sich an verschiedenen Standorten in Deutschland dieser Aufgabe und verwalten etwa 25 Millionen Renten. Der Haushaltsansatz im Jahre 2013 wird ca. 135 Milliarden Euro betragen, wovon 116 Milliarden Euro für ausgezahlte Renten veranschlagt werden.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung und fällt in den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Ihre Aufsichtsbehörde ist die selbstständige Bundesoberbehörde, das Bundesversicherungsamt mit Sitz in Bonn. Die Geschäftsführung der laufenden Verwaltungsgeschäfte übernimmt ein erweitertes Direktorium, bestehend aus neun Personen. Die Selbstverwaltung wird durch Vertreter aus Versicherten, Rentnern und Arbeitgebern realisiert. Durch turnusgemäße Sozialwahlen entsteht die Vertreterversammlung, deren Hauptaufgabe die Wahl Vorstandes und der Geschäftsführung ist.
2. Die Situation bis 2009: Das Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) und die Rentenversicherungstr
Das Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) vom 20.06.2002 ist die legislative Konsequenz zweier Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) aus dem Jahre 1997 (Urteile des BSG vom 18.06.1997, Aktenzeichen 5 RJ 66/95 und 5 RJ 68/95). Bis zu diesen Entscheidungen wurde die im Ghetto geleistete Arbeit nur in Ausnahmen als Beitragszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung anerkannt. Da 1997 bereits mehrere hundert Verfahren bei verschiedenen Sozialgerichten anhängig waren, wurden die Entscheidungen von den deutschen Rentenversicherern mit Spannung erwartet.
Geklagt auf Berücksichtigung ihrer im Ghetto Lodz geleisteten entgeltlichen Beschäftigung hatten zwei ehemals beschäftigte jüdische Überlebende des Holocausts. Durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts in diesem Musterverfahren wurden entgeltliche Beschäftigungen in ehemaligen Ghettos als Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) beziehungsweise nach den reichsrechtlichen Vorschriften berücksichtigt. Das 2002 nach einem Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und FDP in Kraft getretene ZRBG gilt im Falle einer Antragstellung bis zum 30.06.2003 rückwirkend zum 01.07.1997, so dass Renten bereits ab diesem Zeitpunkt gezahlt oder nachgezahlt worden sind. Das ZRBG sieht nunmehr vor, „dass Zeiten der entgeltlichen Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, das sich in einem vom Deutschen Reich besetzten oder eingegliederten Gebiet befand, generell als deutsche Beitragszeiten gelten und aus diesen Zeiten eine Leistung in das Ausland gezahlt werden kann.“ (Sonderinformation der LVA Freie und Hansestadt Hamburg, Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG), Ausgabe August 2002, Seite 4)
Voraussetzung für einen Rentenanspruch ist unter anderem, dass der Antragsteller die Wartezeit erfüllt hat. Für eine Regelaltersrente mit Vollendung des 65. Lebensjahres beträgt die Wartezeit fünf Jahre. Sie kann durch Beitragszeiten und Ersatzzeiten erfüllt werden. Bei im Ausland lebenden Antragstellern kann diese Wartezeit auch durch Zusammenrechnung von deutschen und ausländischen Versicherungszeiten erfüllt werden, sofern europäisches Gemeinschaftsrecht oder zweiseitige Sozialversicherungsabkommen (z.B. mit den USA oder Israel) vorliegen. Antragsberechtigt nach dem ZRBG ist jeder, der in einem Ghetto, nicht Zwangsarbeitslager oder Konzentrationslager, gearbeitet hat, auch vor Vollendung des 14. Lebensjahres, wenn dies glaubhaft vorgetragen wird. Neben dem zwangsweisen Aufenthalt in einem Ghetto fordert das ZRBG, dass der Antragsteller Verfolgter im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) ist. Schließlich ist die entgeltliche Beschäftigung in einem Ghetto von den Antragstellern darzulegen. Hierbei musste die Entscheidung, eine Beschäftigung trotz der Freiheitsbeschränkung auszuüben, aus „eigenem Willensentschluss zustande gekommen“ sein. Die Bezahlung dieser Tätigkeit muss nicht unbedingt in Geld oder Ghetto-Geld erfolgt sein. Es genügt bereits, wenn die Gegenleistung in Kost, Unterkunft oder anderen Vergünstigungen erfolgte.
Im Zuge der Anwendung des Gesetzes wurden bis Mitte 2003 43.380 Anträge auf Leistungen nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) bei den damaligen deutschen Rentenversicherungsträgern gestellt, so berichtete der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) und die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte der Bundesregierung (Deutscher Bundestag, Pressezentrum, Heute im Bundestag, Nr. 173, 14.08.2003). Im Folgenden soll weniger der politische Hintergrund noch die rentenrechtliche Ausgestaltung der Ghettozeiten betrachtet werden, sondern vielmehr sollen die Erkenntnisse über das Leben und insbesondere das Arbeiten im Ghetto beleuchtet und ergänzt werden. Auf die Unterschiede in den einzelnen Ghettos, die aufgrund der Größe, Lage und Funktion vorlagen, kann in der vorliegenden Abhandlung nicht eingegangen werden. Es werden im nachfolgend einige den Akten der Deutschen Rentenversicherung Bund entnommene Sequenzen zum Thema „Arbeiten und Leben im NS-Ghetto“ dargestellt.
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