Nancy Salchow

Teilzeitküsse


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den Blick auf meine Hände. „Das tue ich ja eigentlich auch. Trotzdem weiß ich nicht, was ich jetzt machen soll. Ich bin total durcheinander.“

      „Hat er sich denn schon gemeldet?“, fragt Sabrina.

      Ich zucke mit den Schultern. „Keine Ahnung.“

      „Wie, keine Ahnung?“

      „Na ja, ich habe das Handy ausgemacht.“

      „Was soll das jetzt wieder?“

      „Instinkt? Ich wollte einfach ein bisschen Abstand. Ich war wütend. Ich bin wütend.“

      „Und wo ist dein Handy jetzt?“

      „Vor dem Haus, in meinem Auto.“

      „Dann hol es bitte.“

      „Und wenn ich nicht mit ihm reden will? Wahrscheinlich hat er gar nicht angerufen und sowieso die Nase voll von mir. Und wenn es so wäre, laufe ich ihm ganz bestimmt nicht nach.“

      „Das verlangt ja auch niemand.“ Sabrina zerrt mich aus dem Stuhl. „Komm schon, hol es einfach, okay? Und mach es gleich an. Dann sehen wir weiter.“

      Widerwillig gehe ich schließlich durch das Wohnzimmer und das breite Foyer in Richtung Eingangstür, um das Telefon aus meinem Auto zu holen. Doch als ich die Tür öffne, habe ich bereits vergessen, wie mein eigentlicher Plan aussah.

      „Jan?“

      „Anna.“ Sein Finger liegt bereits auf dem Klingelknopf, als ich die Tür öffne. „Ich habe dein Auto hier gesehen. Na ja … um ehrlich zu sein, bin ich extra hergefahren, um zu schauen, ob … ähm … dein Handy war aus und in deiner Wohnung warst du auch nicht … na ja … und da dachte ich …“

      Instinktiv lege ich den Finger auf seine Lippen. Dass er hergekommen ist, beantwortet alle meine Fragen. Er hat endlich verstanden, warum ich gegangen bin. Ihn noch dazu derart nervös zu erleben, rührt mich jedoch besonders.

      „Ich hätte nicht einfach abhauen dürfen“, sage ich, während ich langsam wieder den Finger von seinem Mund nehme. „Ich war nur so aufgebracht, so verletzt.“

      „Und ich hätte nicht einfach so joggen gehen dürfen, bevor wir das Ganze nicht …“, er atmet tief ein, „geklärt haben.“

      Mein Herz klopft wie bei unserem ersten Date. Genau das ist er, der Mann, in den ich mich verliebt habe. Der Mann, der mich immer wieder aufs Neue dazu bringt, mich heimlich zu fragen, ob unsere gemeinsamen Kinder seine Augen oder meine hätten, seine Lippen oder doch eher meine.

      Einen wortlosen Augenblick lang schauen wir einander regungslos an, dann tritt er langsam näher, legt seinen Arm um meine Taille und gibt mir einen so fordernden und leidenschaftlichen Kuss, dass ich den Grund vergesse, aus dem wir diese Unterhaltung führen.

      Mit seiner Hand um meinen Nacken und seiner Stirn an meiner, lösen sich seine Lippen langsam wieder von meinen.

      Eine Weile stehen wir in genau dieser Pose einfach nur da, ohne ein Wort zu sagen.

      „Es tut mir so leid, dass mir Neo abgehauen ist“, sage ich schließlich.

      „Das war eine blöde Sache, aber nicht deine Schuld. Ich hätte dir das alles einfach viel genauer zeigen müssen.“

      „Eigentlich ist es doch nicht so schwer, möchte man meinen.“

      „Neo kann sehr eigensinnig sein.“

      „Das habe ich gemerkt.“

      „Mach dir keine Vorwürfe mehr. Er war weg, jetzt ist er wieder da – alles ist gut.“

      Seine Finger umklammern meine, als hätten wir uns wochenlang nicht gesehen.

      „Ich fand es furchtbar, dass du weg warst“, sagt er leise. „Der Gedanke, dass du nicht wiederkommst“, er schluckt, „der hat mir gar nicht gefallen.“

      Seine Worte bringen mich zum Lächeln. Verrückt, wie nah Freude und Leid beieinanderliegen können. Gerade noch habe ich alles in Frage gestellt, jetzt möchte ich einfach nur mit ihm im nächsten Bett verschwinden und ihn nie wieder loslassen.

      „Jetzt bist du ja hier“, flüstere ich. „Und das ist das Wichtigste.“

      Wieder berühren seine Lippen meine. Wieder vergesse ich für einen Moment alle Zweifel und Fragen der letzten zwei Stunden.

      Als sich unsere Lippen voneinander lösen, schaue ich über seine Schulter hinweg zu seinem Wagen, der neben meinem parkt.

      „Ist Neo im Auto?“, frage ich.

      „Neo?“ Er dreht sich zu seinem Wagen um, als müsste er sich selbst überzeugen. „Nein, er ist …“

      Als er sich wieder zu mir umdreht, kenne ich die Antwort.

      „Bei Katja?“ Ich neige den Kopf zur Seite.

      Jan nickt. „Ich wusste ja nicht, wann ich wieder da bin.“

      „Klar.“ Ich lächele verunsichert. „In diesem Fall ist es verständlich, aber …“

      „Was?“, fragt er vorsichtig.

      „Ich frage mich, ob es zwischen euch wirklich … na ja … vorbei ist.“

      „Das ist nicht dein Ernst, oder? Vertraust du mir etwa nicht?“

      „Doch, das tue ich. Und ich meine auch nichts Körperliches oder so. Aber … weißt du, Jan, ich habe einfach das Gefühl, dass ihr zwei etwas miteinander teilt, zu dem du mir einfach keinen Zugang gewähren willst.“

      „Ach, Anna.“ Er lässt die Arme sinken. „Fängt das schon wieder an? Ich dachte, wir zwei wären uns einig.“

      „Einig?“ Instinktiv trete ich einen Schritt zurück. „Vielleicht sind wir uns einig, dass wir im Bett gut zueinander passen, ja. Aber es muss doch auch möglich sein, außerhalb der Laken bestimmte Themen anzusprechen, ohne dass du gleich in die Luft gehst.“

      „Ich gehe nicht in die Luft.“ Er ist um einen ruhigen Tonfall bemüht. „Ich finde es einfach nur lächerlich, darüber zu reden.“

      „Und du hast gesagt, ich soll alles sagen, was mir dazu durch den Kopf geht.“

      „Das stimmt ja auch. Aber du scheinst etwas zu fordern, das ich einfach nicht geben kann: Neo ist nun auch mal Katjas Hund. Was soll ich denn tun? Du weißt, wie viel er mir bedeutet.“

      „Ich würde dich nie vor die Wahl stellen, was Neo betrifft. Er gehört in dein Leben und mittlerweile auch in meins. Aber ich“, ich halte kurz inne, „ich stelle dich vor die Wahl, was Katja betrifft.“

      Er schaut mich schweigend an, als hätte er keinen Schimmer, worauf ich hinauswill.

      „Es muss doch einen Weg geben, der verhindert, dass sie alle zwei Tage bei uns vor der Tür steht.“ Die Wut in mir wird langsam wieder wach. „Irgendeine Möglichkeit, dass wir zwei eine Beziehung führen, die mich nicht ununterbrochen an eine Zeit erinnert, die du mit einer anderen Frau verbracht hast. Ich meine, wie soll ich mir denn eine Zukunft mit dir vorstellen, wenn ich immer wieder an deine Vergangenheit erinnert werde?“

      „Ist es das, was du denkst?“ Er hebt die Augenbrauen. In seinem Blick liegt eine Verbitterung, die mich mitten ins Herz trifft, die jedoch unvermeidbar scheint.

      „Ja, Jan, das denke ich. Und ich frage mich, wie du darüber denkst. Ganz ernsthaft: Welche Rolle spielt diese Frau in deinem Leben? Manchmal habe ich nämlich den Eindruck, dass du diese Teilzeithund-Regelung sogar sehr bequem findest und dass sie dich nicht im Geringsten stört. Ganz im Gegenteil.“

      „Es hat einfach keinen Sinn, dir die Sache zu erklären“, sagt er. „Du bist bei diesem Thema so verbohrt, dass einfach kein Herankommen möglich ist.“

      „Verbohrt?“ Die Zweifel kriechen erneut in meine Brust. „Ich dachte, du bist gekommen, weil du einsiehst, dass es so nicht weitergehen kann, stattdessen sagst du mir wieder