Nancy Salchow

Teilzeitküsse


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wie meine Schwester. Die analysiert mich auch ständig.“

      „Das mag daran liegen, dass deine Stimme immer zwei Oktaven höher springt, wenn du etwas verbergen willst.“

      „Verbergen? Was sollte ich verbergen wollen?“

      Köster brüllt irgendetwas in sein Telefon, was uns für einen Moment verstummt aufhorchen lässt. Als sich seine Tür jedoch nicht öffnet, beugt sich Arthur ein Stück über den Tisch und spricht weiter: „Nun erzähl schon, was ist los?“

      „Ach, im Grunde nichts. Jan und ich, wir sind verliebt wie am ersten Tag.“

      „Aber?“

      „Es gibt kein Aber.“

      „Also, wenn du mich fragst, hat das Aber lange blonde Haare und einen sexy Knackarsch.“

      „Schon gut, schon gut.“ Frustriert lasse ich das Kinn auf meine Handfläche fallen. „Ich gebe es ja zu. Sie nervt noch immer wie am ersten Tag.“

      „Und womit genau?“

      „Mit ihrer Existenz natürlich. Reicht das nicht?“

      „Herrgott nochmal, lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen, Püppchen!“

      „Was soll ich sagen? Es ist dasselbe Problem.“

      „Immer noch der Hund?“

      Ich nicke. „Versteh mich nicht falsch, ich liebe Neo. Wirklich. Deshalb ist es ja so schlimm. Ich verstehe, dass diese Katja ihn sehen will und dass Jan ihn ebenso liebt – deshalb darf ich offiziell auch nichts sagen, wenn ich nicht der größte Unmensch aller Zeiten sein will.“

      „Das soll heißen, sie taucht für die nächsten Jahre alle paar Tage bei euch auf und du musst damit leben, damit dich niemand – ähm – zickig findet?“

      „So wie du das sagst, klingt es irgendwie“, ich neige meinen Kopf zur Seite, „seltsam.“

      „Mensch, Anna, das kann’s doch aber jetzt nicht für immer sein, oder?“

      „Ich finde es doch selber schrecklich. Glaube mir. Stell dir vor, gestern hat sie mich sogar beleidigt und war dabei so freundlich, dass es schon wehtat.“

      „Beleidigt? Nicht doch!“

      „Sie hat sich über mein Outfit lustig gemacht, zumindest durch die Blume. Das Schlimme daran ist aber, dass es ihr sogar gelingt, mich zu verunsichern. Egal, wie oft mir Jan seine Liebe gesteht – sie muss nur einmal mit ihrem Barbie-Gesicht und der perfekten Wallemähne vor der Tür stehen und ich habe alles vergessen. Dann sehe ich nur noch sie und ihn nackt im Bett und frage mich, ob ich ihr das Wasser reichen kann.“

      „Jeder weiß doch, dass dir niemand das Wasser reichen kann, Schätzchen. Und immerhin ist er mit dir zusammen und nicht mit ihr, das wird seine Gründe haben.“

      „Kann sein. Es fällt mir nur so schwer zu glauben, dass mich der Kerl, in den ich unsterblich verknallt bin, wirklich genauso liebt wie ich ihn. Das ist einfach so unwirklich … so … na ja … du weißt selbst, wie viel Pech ich mit den Kerlen hatte. Da traut man dem Frieden nicht mehr so leicht.“

      „Na, komm schon, mit Jan hast du doch echt Glück. Als er dich letzte Woche hier abgeholt hat, hat sogar ein Blinder gesehen, wie scharf er dich findet.“

      Meine Wangen werden heiß. „Du willst mich nur trösten.“

      „Nie im Leben.“ Er hebt abwehrend die Hände. „Er steht auf dich, das habe ich sofort gesehen.“

      Allein beim Gedanken an Jan muss ich lächeln. Dieses dämlich-debile Grinsen, von dem ich selbst manchmal genervt bin, das sich aber einfach nicht abschalten lässt.

      „Wenn ich nur an diesen Puzzle-Typen von damals denke. Oh Mann, da hast du dich echt um Welten verbessert.“

      „Theo?“ Ich lache.

      „Das war doch der, der die Wochenenden lieber mit einem Puzzle als mit Sex verbracht hat.“

      „Erinnere mich bloß nicht daran. Das sind vier Wochen meines Lebens, die ich nie wieder zurückbekomme. Ich war nur kurz von seinem charmanten Lächeln abgelenkt, bin aber Gott sei Dank schnell wieder wach geworden.“

      „Und der Verheiratete?“

      „Du weißt, dass ich es nicht gewusst habe.“

      „Das ist ja das Schlimme. Wer weiß, wie lang er dich noch verarscht hätte, wenn du ihn nicht mit seiner Frau getroffen hättest.“

      Richard. Das bisher dunkelste Kapitel in meinem ganz persönlichen Buch der Männerliebschaften.

      „Das alles muss dir doch nur allzu deutlich zeigen, was für ein Glück du mit diesem Jan hast. Jetzt müssen wir nur noch das Problem mit dieser Ex lösen.“

      „Ach, Arthur. Wenn das so leicht wäre.“

      „Wie ist das mit den beiden überhaupt auseinandergegangen?“

      „Ist schon ewig her. Fast ein Jahr mittlerweile.“

      „Und hat er Schluss gemacht oder sie?“

      „Sie wollte eine offene Beziehung, was er sofort abgeblockt hat. Später hat sich dann herausgestellt, dass sie sowieso schon einen Anderen hatte.“

      „Armer Jan.“

      „Ihre Doofheit war mein Glück.“ Ich zwinkere ihm vielsagend zu.

      „Auch wieder wahr. Hat sie sich denn mit der Trennung abgefunden?“

      „Offiziell vielleicht, aber sie ist seit damals Single. Jan sagt, weil sie nicht der Typ für eine feste Bindung ist, aber manchmal frage ich mich schon, ob nicht vielleicht er der Grund dafür ist und sie nicht gerade traurig darüber ist, in Neo eine Möglichkeit zu haben, Jan nicht aus den Augen zu verlieren“, ich schlucke, „und auf eine neue Chance zu warten.“

      „Aber er würde sich doch nicht darauf einlassen, oder?“

      „Natürlich nicht“, antworte ich etwas zu schnell. „Ich meine … er liebt mich. Und ich glaube ihm. Also eigentlich. Wenn ich nicht gerade wieder voller Selbstzweifel bin.“

      „Selbst wenn du ihm trauen kannst: Diese Tussi nervt ja sogar mich und ich kenne sie nicht mal. Es muss doch eine Möglichkeit geben, das alles anders zu regeln.“

      „Glaube mir, ich wäre die Erste, die es wüsste, wenn es einen Weg gäbe.“

      „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“

      Der Windzug der Bürotür durchfährt unsere Unterhaltung.

      „Wie weit sind Sie mit dem Kluger-Auftrag?“ Kösters Frage kommt eher in unserem Büro an als er selbst. „Ich hatte ihn eben am Telefon.“

      Unsere Finger landen hektisch auf den Tasten, als hätten sie nie woanders gelegen, während Köster mit hochrotem Kopf neben unserem Schreibtisch steht.

      Arthur beginnt zu stammeln. „Ich wollte erst noch das Sachbuch …“

      „Kluger ist wichtiger“, fällt ihm Köster ins Wort. „Ich verlasse mich auf Sie. Sie schaffen das.“

      So schnell, wie er gekommen ist, verschwindet er wieder in seinem Zimmer.

      Arthur wirft ihm einen Luftkuss durch die geschlossene Tür zu. „Ja, Chef. Alles, was Sie wollen, Chef.“

      Kapitel 4

      Es ist immer dasselbe: Wenn man Single ist, wünscht man sich nichts sehnlicher, als endlich den Mann der Träume zu finden. Der Mann, der das Leben perfekt und uns selbst wunschlos glücklich macht – zumindest sind das unsere naiven Illusionen. Wenn er dann endlich am Haken hängt, der Traummann, sonnt man sich höchstens ein paar Tage, vielleicht auch einige Wochen im Liebesglück – aber früher oder später kommen sie doch wieder ans Tageslicht, die kleinen