Simone Lilly

Für immer Shane ~5~


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konnte, rot angelaufen war, und das Gespräch mit: Dad, da ist dieses Mädchen …, begonnen hatte.

      Dass ein Satz ihm Schweißausbrüche über den Körper jagen konnte, hätte Shane bis zu diesem Abend nicht geglaubt. Schlagartig war ihm bewusst geworden, wie groß Oliver geworden war. Kein kleines Baby mehr war, sondern es schon bald an der Zeit war, ihm die ersten Kondome zu kaufen, auf Partys mitzugeben und zu hoffen, er würde davon Gebrauch machen. Anders als Shane es in dem Alter getan hatte.

      „Wie geht’s dir?“

      Fragend blinzelte Shane seinem Sohn entgegen.

      Oliver drehte sich mit dem Schreibtischstuhl ganz zu ihm und setzte sich in einen ungelenken Schneidersitz. „Ich meine wegen Morgen.“

      Er wusste von der Operation, auch von seiner Krankheit hatte Shane ihm erzählt. Oliver war immerhin schon fünfzehn, alt genug um zu erfahren, was seinem Vater bevorstand. Oliver war nicht nur sein Sohn, er war auch – anders als es sein sollte – eine art Psychiater für Shane. Hatte er ein Problem, ob in der Arbeit oder eben gesundheitlich, konnte er mit ihm sprechen. So konnte es auch Oliver. Sich bei ihm ausheulen, sich mit ihm freuen. Worauf Shane besonders stolz war, war es, dass Oliver ihn gerne mit auf Feiern nahm, nicht nur, dass er mit seiner Hilfe in angesagt Clubs hineingelangte, ab und an Alkohol trinken konnte, er genoss es richtig, war stolz auf seinen Vater. Unwillkürlich musste Shane grinsen. Ein weiterer Vorteil so jung Vater geworden zu sein. Man war auch noch jung, wenn die Kinder größer waren.

      „Ja, es geht schon noch.“, log Shane und runzelte die Stirn. Seine Aufregung war kaum auszuhalten, immer wieder verdrängte er den Gedanken daran, dass seine Kinder vielleicht ohne ihn aufwachsen würden, dass er niemals mit Maidred über Verhütung sprechen würde, niemals Latonias ersten Freund sehen würde. Seine beiden Kinder niemals aufwachsen sehen würde.

      Gewieft schnappte Oliver nach Luft, rollte dichter an ihn heran und legte ihm seine Hände auf die Knie, so als wäre er der Vater. „Du hast also keine Angst?“

      Keine Angst. Wenn du wüsstest! Ich sterbe vor Furcht.

      „… ich meine, die Narkose, der Eingriff …“

      „Oliver bitte.“, bettelnd legte er seine Hände auf die Finger seines Sohnes, hob sie langsam nach oben und stand selbst wankend auf. „Natürlich bin ich nervös. Sag‘ mir einen der das nicht wäre.“

      „Brauchst du jemanden zum Händchenhalten?“

      „Oli das ist nicht lustig!“ Shanes Stimme war lauter geworden, um Olivers Lachen zu übertönen. Dass sein Sohn sich darüber keine Gedanken machte, war klar, Shane war sein Vater, er war immer da, und würde es laut Oliver auch immer sein.

      „ Dad …“

      Milder hörte Shane erleichtert, dass die Haustür ging, Tüten in den Flur gestellt wurden, und Lationa motzend die Stufen in den ersten Stock erklomm. „Ist schon gut, Oli. Ich weiß wie du es meintest.“, müde deutete er mit dem Zeigefinger auf Olivers offen auf dem Tisch liegendes Chemieheft. „Mach’ deine Hausaufgaben. Es gibt bald Essen.“

       5.

      Tomaten zu schneiden war noch nie seine Leidenschaft gewesen. Passte man nicht auf, hatte man kein scharfes Messer, oder einfach zu wenig Feingefühl, spritzten der Saft und die Kerne durch alle Himmelsrichtungen, auf die Küchenfläche und die – wenn man Pech hatte – frisch gewaschene Kleidung. Umso vorsichtiger und bedachter setzte Shane die Schneide auf die dünne Haut der Tomate zwischen seinen Fingern, drückte langsam zu und hoffte, alles würde gut gehen. Britney hatte in der Zeit, in der er damit beschäftigt war, den Salat anzufertigen schon das Fleisch geschnitten, es in eine Pfanne geworfen, und es sogar schon richtig angebraten. In der Küche war er noch nie begabt gewesen, immer zu langsam und im Vergleich zu seiner Frau eine Niete.

      „Wann musst du dann morgen los?“, ihre Stimme klang ruhig, als sie die Luftabzugshaube einschaltete und ihre Hand prüfend darunter hielt. Bei ihrer Bewegung schauderte Shane, ihm kam in den Sinn, dass er den Auftrag bekommen hatte, sie schon vor einer Woche zu reparieren.

      „Um acht Uhr werde ich … operiert“, gab er zur Antwort und wich einem heranfliegenden Tomatenkern aus. Fluchend wischte er sich die Hände an einem Küchentuch trocken.

      „Das heißt du musst dann um sieben los?“

      Er nickte. „Ja, und hoffentlich dauert es nicht so lange.“

      „Musst du nüchtern sein?“

      „Ja.“, gequält lachte er. „Das dürfte mir aber nicht schwer fallen, ich hab‘ bestimmt keinen Hunger.“

      Lationa schrie, so laut, dass die zwei erschrocken zusammenzuckten.

      Betont niedergeschlagen senkte Shane das Messer, tuppfte mit dem Küchentuch noch einmal über seine Hände und drehte den Kopf langsam zu Britney. Seine Frau trug wie immer eine graue Küchenschürze, darunter konnte man nur ihr schlichtes rotes, knielanges Sommerkleid erahnen. Auch sie merkte, dass etwas nicht stimmte, und stoppte mitten in ihrem Vorhaben, geriebenen Käse in die Pfanne zu werfen. „Was ist denn?“

      Lange und durchdringend blickte er ihr in die Augen. In eben diese Augen, die er schon immer geliebt hatte, die er schon immer fasziniert bewundert hatte.

      „Was ist denn?“; fragte sie erneut und blickte beschämt und iritiert zu Boden.

      „Ich liebe dich“, sagte Shane direkt und kam dicht an sie heran.

      Für einen Augenblick gab sie sich damit zufrieden, schlang ihre Arme um seine Hüfte, wollte ihn küssen, hielt dann aber erschrocken inne. „N … nein!“, wütend stieß sie ihn von sich fort und verschränkte ihre dünnen Arme vor der Brust. „Fang‘ nicht an dich zu verabschieden, hörst du?“

      „Ich hab‘ dir nur gesagt, dass ich dich liebe …“

      „Ja! Genau so fängt es an. ‚Ich liebe dich, und werde es auch tun, wenn ich nicht mehr bin, du warst das Schönste in meinem Leben.‘“

      Die Art wie Britney ihn nachäffte, wie sie seine Gedanken lesen konnte, machte ihm Angst. Tatsächlich hatte er vorgehabt, sich mit diesen Worten dürftig von ihr zu verabschieden, ihr besser einmal mehr zu sagen, sie sein ganzes Leben lang geliebt zu haben, als einmal zu wenig.

      „Oliver lass‘ meine Sachen in Ruhe!“

      Beide atmeten auf. Warteten einen Moment, lauschten nach oben.

      Lautes Poltern war zu hören. „Oliver! Gib‘ das wieder her!“

      Wieder warteten sie. Lauteres Poltern. „Oliver! Lato! Kommt mal runter!“, schrie Shane zu ihnen hinauf und gab Britney einen innigen Kuss, der ihr alles sagen sollte, der das Verabschieden für ihn übernehmen sollte.

      „Was ist denn Dad?“ Als erstes stieß Oliver zu ihnen in die Küche. Mit seiner lässigen Jogginghose bekleidet, seinem zerknitterten lila Hemd und seiner zerstörten Wuschelfrisur, kam er vor ihm zum Stehen und stemmte seine schon mittlerweile behaarten und kräftigen Arme in die Hüften. „Lato lässt mich nicht in Ruhe, dauernd rennt sie in mein …“

      „Stimmt gar nicht!“

      „Doch Lato!“

      Entnervt zog er die Beiden von der Küche ins Wohnzimmer, um wenigstens Britney ihre Ruhe beim Kochen zu gönnen, stellte sie in einer Reihe vor die Couch und setzte sich selbst bequem darauf. „Was macht wer und wie?“

      „Lato hat …“

      „Hab‘ ich gar nicht!“, unterbrach sie ihn sofort, ohne dass Shane nun endlich mal in Erfahrung brachte, was denn überhaupt passiert war.

      „Hört mal.“, begann er schlichtend und hob die Arme. „ich selbst habe eine kleine Schwester, ich weiß, wie nervig die sein können.“

      Oliver lachte gewinnend.

      „Aber ich habe auch eine Große und weiß, wie anstrengend große Geschwister sein können.“

      Latonia