Robin Mayerle

Schatten der Zitadelle


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erhob sich daraus ein weiß leuchtender Funke, der aussah wie eine sehr helle Lampe ohne Fassung.

      „Dank sei der Erdenmutter! Er ist von der Infektion verschont geblieben!“, freute sich Margha. Sie kratzte sich am Kopf. „Achso... Ich sehe das daran, dass die Lebenskugel weiß ist, Elune und Broxx. Wäre er krank, wäre sie verfärbt, rot, schwarz, grün oder sonst eine andere Farbe, je nachdem, was er hätte.“

      „Lebenskugel?“, fragte Elune erstaunt. „Du hast seine Seele aus ihm geholt?“

      „Genau das habe ich. Das ist ein starkes Projektionselixier, es zeigt den Zustand des Körpers in seiner reinsten Form: Der Seele.“

      Nach und nach versteckte sich der Funke wieder in Lurds Kehle.

      Als er aufwachte, fielen ihm alle glücklich um den Hals. „Dir fehlt nichts!“

      „Was war denn jetzt los? Bin ich eingepennt?“, fragte der junge Mann verwirrt.

      Sie lachten nur herzlich und erklärten es ihm.

      ***

      „Also war die ganze Stadt von dieser Lykanthropie, wie ihr sie nennt, betroffen? Und ihr habt sie wirklich alle getötet? Seid ihr sicher?“, fragte König Richard harsch.

      Sofort nachdem die Gruppe Hammerfall erreicht hatte, unterrichtete Broxx diesen vom Ausgang ihrer Mission.

      „Ja. Wir selbst sind aber reichlich knapp davon gekommen. Elune und Lurd haben mittlere Wunden davongetragen und mich hat auch nur das Glück von schwereren Verletzungen verschont.“

      „Es tut mir Leid. Aber als Entschädigung und für eure Verdienste im Namen der Krone verleihe ich euch den Status eines königlichen Botschafters.“

      „Vielen Dank für das Zeichen Eure Wertschätzung, Majestät. Es ist uns eine Ehre.“

      Er räusperte sich.

      „Aber da wäre noch die Sache mit den Gefangenen...“

      „Ich werde sofort ein offizielles Befehlsschreiben verfassen, mit dem es Euch möglich sein wird, sie zu befreien. Jeden Einzelnen, denn das Reich ist wieder sicher und die Bauern können auf ihre Ländereien zurück. Sie werden keine Aufstände mehr verursachen. Und den anderen bin ich heute geneigt, eine zweite Chance zu geben. Ich hoffe sie ergreifen die Gelegenheit beim Schopf.“

      „Ich danke Euch. Ihr Wohl liegt mir am Herzen.“

      „Ihr seid wahrlich ein nobler Mann, Broxx... Wenn jemand diese Seuchen besiegen kann, dann ihr.

      Außerdem ist euch natürlich auch die Unterstützung der Menschen bei Eurem Kampf gegen die Seuche sicher.

      Wenn ich einen Vorschlag machen dürfte: Geht als nächstes zu unseren Verbündeten, den Zwergen. Sie sind starke und robuste Krieger und werden euch sicherlich helfen.

      In Hammerfall gibt es einen Eingang zu einem Tunnel, der in ihr Reich, tief im Gebirge, führt.“

      „Das werden wir“, erwiderte Broxx und verabschiedete sich. Erstmal mussten sich die Gefährten ein wenig von den Strapazen in Donnerbergen erholen, dann würden sie weitersehen.

      ***

      Broxx tat, wie ihm geheißen, wenn auch nicht ohne eigenes Interesse.

      Er verließ den Palast, spuckte noch auf den überstrapazierten Prunk des Königshauses und marschierte die Kopfsteinpflasterstraße entlang.

      Sobald er die Tore von den Adelsgefilden zu den Wohnungen des Pöbels durchschritten hatte, traf er auf eine dicht gedrängte Menschenmasse.

      Leib an Leib stamden sie auf der morastigen, von Kericht und Essenresten verdreckten Straße – so mancher Adelsmann hätte es als Feldweg bezeichnet -, drängten und schubsten, um einen besseren Blick auf das Geschehen zu erhaschen.

      Eben diesen Blick versuchte auch Broxx zu bekommen. Den Vorteil seines massigen Körpers nutzend, schob er sich durch die Menge, bis er eine gute Sicht hatte.

      Auf dem hölzernen Gestell stand ein maskierter Mann, über dessen Haupt Stricke von einem Balken herabhingen. Sechs Menschen hatten die Köpfe in den Schlingen der Galgenstricke.

      Soeben legte der Henker die Hand an den Hebel.

      „Halt!“, schrie Broxx und hob energisch die Hand. Er schob sich durch die Leute und schritt die Treppe auf das künstliche Plateau hinauf.

      „Was zum Teufel...?! Sei blß still, sonst kannst du gleich den Strick mit denen teilen!“ Der Maskierte zeigte energisch auf die Verurteilten.

      Oben angekommen, setzte der Mor'grosh nun eine finstere Miene auf. „Halt, hab ich gesagt.“

      „Und wer, verdammich, will mir das befehlen?“

      Der Todesknecht löste seine rechte Hand nicht vom Hebel.

      „Dein Herrscher, König Richard, um genau zu sein“, sagte Broxx barsch und hielt den Lakaien das königliche Schreiben unter die Nase. Zwar war sich Broxx sicher, dass der Henker nicht lesen konnte, aber das herrschaftliche Siegel verfehlte seinen Zweck nicht. Der Henker wurde bleich, löste die Hand vom Hebel und zischte einem seiner Leute zu:

      „Mach die Gefang'nen los. Aber dallI!“

      Broxx verkündete laut, für für die gesamte Menge hörbar:

      „Es wird keine Hinrichtungen geben! König Richard lässt alle Gefangenen begandigen. Sie sollen in ihr Zuhause zurückkehren, denn es besteht keine Gefahr mehr.“

      Ein Raunen ging durch die Versammelten. Teilweise enttäuscht, kein Schauspiel zu sehen zu bekommen, teilweise erfreut, einen geliebten Menschen gerettet zu wissen, trotteten sie nach und nach davon. Ersteres war Broxx vollkommen zuwider. Dass sie sich am Leid der anderen ergötzten, trieb ihm die Wutröte ins Gesicht. Doch für Letzteres befand er, hatte sich sein Einwirken auf den König gelohnt.

      Entschlossen marschierte er weiter. Als nächstes wollte er das große Gefängnis unterm Berg informieren, beim Rest würde es sich von allein rumsprechen.

      Nachdem er ein Stück die Straße an der Seite des Felsens, auf dem Hammerfall erbaut war, entlang gegangen war, trat er durch einen schmalen Eingang, der in dessen Inneres führte. Er musste sich bücken, denn die Gänge schienen nicht auf Leute seiner Größe ausgerichtet zu sein.

      Gleich die erste Tür zu seiner Rechten war als Wachstube des leitenden Wärters kenntlich gemacht. Ohne anzuklopfen trat er ein und erwischte den Ordnungshüter dabei, wie er schnell eine Flasche unter den Tisch gleiten ließ.

      „Ach, vor mir braucht Ihr Euren Schnaps nicht zu verstecken, Herr! Lasst uns lieber ein Gläschen trinken“, sagte Broxx, um sich gleich gut mit dem Leiter zu stellen.

      Misstrauisch holte der Mann, dessen Gesicht von einer hässlichen Narbe überzogen war, den Alkohol wieder hervor.

      „Und auf was, wenn ich fragen darf?“

      Broxx kramte den königlichen Befehl aus seiner Tasche und reichte ihn seinem Gegenüber.

      „Na das nenn' ich mal 'ne Überraschung!“, staunte der Wärter. Alle begnadigt... Darauf lohnt es sich wirklich, einen zu kippen. Paar Bekannte von mir sitzen auch drin.“

      Er füllte zwei Gläser randvoll und sowohl Broxx, als auch er selbst tranken es in einem Zug aus.

      Der Mor'grosh schüttelte sich. „Das war gut. Aber ich würde mich gerne selbst überzeugen, das der Befehl auch wirklich ausgeführt wird.“

      Der Gefängniswärter wirkte nicht begeistert.

      „Bitte. Aber ich versichere...“

      „Ich kümmere mich trotzdem selbst darum, wenn es nichts ausmacht“, unterbrach ihn Broxx scharf und trat aus der Kammer.

      Der Mor'grosh machte einmal die Runde, überbrachte die Botschaft an alle Wärter und vergewisserte sich, dass auch nicht irgendjemand aus einer bösen Laune