muss schöpferisch und kreativ sein, denn er lebt in einer nur durch kurze Überflussphasen zeitweilig unterbrochenen Mangelsituation – Mangel an erreichbarer und ausreichend verwertbarer Nahrung, an trinkbarem Wasser, an Witterungsschutz (Kleidung, Behausung). Er muss seine Fähigkeiten und Kräfte zur besseren Befriedigung seiner Bedürfnisse durch die Fertigung und Nutzung entsprechender Werkzeuge und Geräte vergrößern und Verfahren entwickeln, um bis dato nicht nutzbare mineralische, tierische und pflanzliche Teile für sich verwertbar zu machen und seinen eventuellen Kräftemangel gegenüber tierischen und menschlichen Gegnern durch die Nutzung und gegebenenfalls durch den Ausbau gut mit wenigen Kräften zu verteidigender Örtlichkeiten oder Lagerplätze ausgleichen.
Die permanente Pflege und Übung der Handlungsfähigkeit (Handelsfähigkeit; Tauschfähigkeit, Disponibilität) für den Austausch/Wechsel von Gegenständen, Materialien und Informationen ist für die bessere Bewältigung von Mangelsituationen lebensnotwendig. Dafür muss er energieaufwändige bis lebensgefährdende zwischenmenschliche Konflikte vermeiden und höflich, freundlich, gastfreundlich, offen und solidarisch gegenüber anderen sein, er muss darauf achten, Geschenke materieller oder ideeller Art für den Mangelausgleich und die Bedürfnisbefriedigung beim Gastgeber und möglichen Tauschpartner mitzubringen. Von seiner Gastfreundschaft (Verhältnis zu einem Menschen und/oder dessen Gruppe außerhalb des unmittelbaren eigenen sozialen Umkreises) hängt auch sein Überleben ab. Er hat das Bild eines sanftmütigen (konfliktvermeidenden) und gegebenenfalls auch starken, selbstbewussten und klugen Menschen zu hinterlassen, mit dem ein Konflikt/Kampf nicht lohnend ist. Er muss ausgleichs- und kompromissbereit sein. Wer auf Zerstörungskraft setzt, den findet eines Tages immer eine stärkere menschliche oder natürliche Kraft, die ihm oder seiner Gemeinschaft das Ende bereitet.
Die Identität des Nomaden ist nicht durch ein zu verteidigendes Gebiet oder Revier bestimmt, sondern durch seine Kultur, seinen Glauben/sein Wissen und durch seinen Stamm/Sippe/Familie/Clan/Gemeinschaft, den/die es zu verteidigen und zu erhalten gilt, selbst wenn er dafür das Territorium räumen muss. Er braucht die anderen, die mit ihm ziehen und mit denen er Last und Hoffnung teilt. Seine Gemeinschaft - unabhängig davon, wie sie bezeichnet wird - ist seine Solidarorganisation. Der wahre Nomade stirbt nicht dafür, ein Stück Land zu behalten, sondern dafür, sich die Möglichkeit zu bewahren, es verlassen und umherziehen zu können - frei zu sein, Leben und Lebensunterhalt für sich und seine Gemeinschaft zu sichern. Dies kann gegebenenfalls auch die Möglichkeit zur Nutzung eines Reviers und seiner Ressourcen mit einschließen. Im Ausnahmefall umfasst dies auch die Bereitschaft und Fähigkeit zu energieaufwändigen und auch lebensgefährlichen Aktivitäten, wenn keine andere Alternative zum Nahrungserwerb und Lebenserhalt der Gemeinschaft besteht.
Der Nomade ist natürlich nicht ständig unterwegs. Er hat durchaus das Bedürfnis, einmal inne zu halten. Die Befriedigung dieses Bedürfnisses erfolgt bei einer möglichst umfassenden und langfristigen Befriedigung der anderen Bedürfnisse wie nach Nahrung, Wasser und Schutz vor äußeren Kräften (Klima, Tiere, Menschen). Auch die Gemeinschaft berührende Ereignisse wie Geburt und Tod veranlassen zum meist kurzfristigen Innehalten oder Verlangsamen der Streif- und Suchbewegung. Wenn die physische Bewegung in ihrer Intensität nachlassen kann, verstärkt sich die geistige Bewegung auf den allseitigen „Ausbau“ des Ruhegebietes zu einem möglichst weitgehend und langfristig zur Bedürfnisbefriedigung zu nutzenden Ort/ Raum/Territorium. Dies ist der Keim zur sogenannten physischen Sesshaftwerdung, zur Verringerung der physischen Mobilität. Die Sesshaftwerdung ist aber nur eine äußere Veränderung im Leben des nomadischen Menschen, bei der sich die oben genannten Lebensprinzipien in Einzelfällen verstärken oder abschwächen, auf andere Schwerpunkte ausgerichtet werden oder auch verkümmern. In bestimmten Fällen entstehen durch Verlust oder Vermeidung einer Eigenschaft oder Belastung irrationale und lebensentfremdende „Kulturblüten“. (Heute wird z.B. die erreichte Verminderung der diffamierten körperlichen Arbeit durch kräfte- und ge-sundheitsverschleißenden Sport ersetzt.) Grundsätzlich ist auch der heutige Mensch ein Nomade oder er hat es im täglichen Leben schwer, wenn er sich nicht mehr an die Lebensgrundsätze des Nomaden hält.
Ein grundsätzlicher Mangel der obigen Ausführungen besteht darin, dass mit der Bezeichnung „Der Nomade“ nur die Vorstellung eines männlichen Wesens hervorgerufen wird, der weibliche Aspekt des Nomadentums aber mindestens mit dem gleichen Gewicht betont werden muss. Die Mobilität der Gemeinschaft hat auf die Geburt, Geburtenrate, die Kindererziehung und den Sterbeprozess mit dem Tod einen ebenso tiefgreifenden Einfluss wie auf die Nahrungsversorgung. Und diese lebensgebundenen Bereiche liegen in der naturverbundenen Nomadenzeit der Urgesellschaft im inneren, lebenserhaltenden und lebensspendenden weiblichen Personenkreis. Die männliche Kraft bildet den äußeren Ring um den ihm Stütze gebenden weiblichen Lebenskern.
Die hier aufgezählten Eigenschaften und Fähigkeiten markieren nicht irgendeinen idealen Menschen (Frage: ideal nach wessen Vorstellungen, welcher Zeit und welchen Orts), sondern kennzeichnen den natürlichen Menschen aus der besitzlosen Zeit, als die Möglichkeiten des Sammelns und Produzierens noch kein oder kein solch großes akkumulierbares Mehrprodukt in Form von Vorräten und Gut-Horten erbrachten, dass der Energieaufwand und gar Lebenseinsatz für dessen räuberischen Erwerb lohnend geworden wäre. Als die Entfernung des Menschen von der Natur dann soweit fortgeschritten war, dass für die Akkumulationsbedürfnisse einiger Menschen die Arbeit im Vergleich zum Raub weniger effektiv wurde, wurden vorwiegend männliche Arbeitskräfte aus der Produktion für den stehenden Erwerbszweig Krieg freigesetzt. Die Zeit des Gefolgschaftswesens, der sogenannten „militärischen Demokratie“, war angebrochen. Das war das Ende der ursprünglich menschlichen Gesellschaft, der Urgesellschaft. Die „zivilisierende“ Staatsbildung, die Besitzanhäufung, der Krieg begannen und damit auch die eigentliche Geschichte der Menschheit, die geschriebene Selbstdarstellung der patriarchal ausbeutenden HERRscher.
Der urgesellschaftliche Zustand der Menschheit war weltweit, bis er sich punktuell und regional im größeren oder kleineren Maßstab allmählich aufzulösen begann. Die Zellen der Reichtumsakkumulation und der damit verbundenen physischen und mentalen mit Zwängen durch einzelne Menschen und Menschengruppen verbundenen Machtausübung weniger gegen viele breiteten sich wie Krebszellen im Körper einer Menschengemeinschaft aus, schufen durch Konzentration bösartige Geschwülste, die die Bezeichnung Staat bekamen, und als von „göttlichen“ Kräften initiiert und/oder getragen und als unabdingbar bezeichnet wurden. Die Auswirkungen dieser ersten Staaten wurden in der weiteren Geschichtsschreibung als „Hochkulturen“ bezeichnet, von der die herrschenden partizipierten und die breite Bevölkerung in unterschiedlichster Form unterdrückt, d.h. durch HERRlichen Zwang in ihrer Lebensaktivität und Freiheit einschränkt wurde. Mittels Kriegen metastasierten diese gesellschaftlichen „Krebsgeschwülste“. Es ist heute allgemein verbreitetes rationales und mentales Wissen, auch wenn es von vielen gern ins Nichtbewusste bedrängt wird, dass diese Metastasen und Geschwülste trotz vieler gesunder Zellen den Körper der Menschheit zerstören und zum Kollaps bringen werden.
Der Weg von der Zelle der Reichtumsakkumulation bis zum Kollaps wird in der heutigen Sprache völlig korrekt als ENTwicklung und als FORTschritt bezeichnet. Solche ENTwickelten und FORTschrittlichen Zustände konnten nur von den Personen als Positivum ausgegeben und vermittelt werden, die davon ihren Reichtum abschöpfen konnten, die die Kontrolle über Verteilungsquellen des gesellschaftlichen Mehrprodukts hatten. Welcher Zustand wurde denn ENTwickelt und was ist das Endprodukt dieser Abwicklung? Von welchem Zustand wird FORTgeschritten, wohin geht er und wo landet er? Das Endprodukt der ENTwicklung, der Landepunkt des FORTschritts wird für die eventuell überlebenden Menschen wieder ein urgesellschaftlicher Zustand sein, wo das tägliche Überleben wieder vom Niveau und der Pflege, nicht von der ENTwicklung - das haben wir heute schon zur Genüge getan - der oben genannten Nomadenqualitäten abhängen wird.
Die Mobilität und der Bewegungsdrang des als Nomaden bezeichneten Menschen hat zwei Triebkräfte: eine schiebende Kraft – die Angst (vor Schmerz) und eine ziehende oder lockende