Alice Zumbé

Kannst Du lieben?


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das Erlebte dort zu lassen, wo es hingehörte. In die Vergangenheit.

      Die letzte Begegnung mit einem Menschen aus der Singlebörse sollte dann eine sehr kurzweilige Angelegenheit werden, denn ich hatte gelernt meinem Gefühl zu folgen, wenn es mir sagte, dass mich mit dem neuen Menschen nicht mehr verband, als der Augenblick der Begegnung.

      An jenem Tag saß ich mit meiner Freundin Nina im KIT, einem Café am Rhein, das im darauf folgendem Sommer noch zu einem zentralen Ort für wunderschöne, laue Sommerabende mit vielen neuen Geschichten in meinem Leben werden sollte. So wurde dort auch unserem Kunstprojekt „Das Büro der Liebe“ Leben eingehaucht. Doch zurück zu meiner dritten Verabredung. Soweit ich mich erinnere war es ein spontanes Treffen, da ich kurz schaute, wer sich in der Singlebörse gemeldet hatte.

      „Börse“ - eigentlich ein interessanter Begriff im Zusammenhang mit der Liebe und für mich in diesem Augenblick amüsant und zugleich irgendwie absurd. Kurz mal recherchiert, was da ganz allgemein hinter steckt. Wikipedia verrät mir folgendes dazu:

      „Eine Börse ist ein organisierter Markt für vertretbare Sachen nach bestimmten Regeln. Gehandelt werden kann zum Beispiel mit Wertpapieren... Die Börse führt Angebot und Nachfrage – vermittelt durch Makler – marktmäßig zusammen und gleicht sie durch Festsetzung von Preisen (Kurse) aus. Die Feststellung der Kurse oder Preise der gehandelten Objekte richtet sich laufend nach Angebot und Nachfrage.“

      Das Ganze könnte dann für den Begriff „Singlebörse“ wie folgt klingen:

      „Eine Singlebörse ist ein organisierter Markt der Liebe für vertretbare Sachen (Männer und Frauen) nach bestimmten Regeln. Gehandelt werden kann zum Beispiel mit Freundschaft, Liebesbeziehung, Flirt, Freizeitpartner, Sex... Die Singlebörse führt Angebot und Nachfrage – vermittelt durch die Mitarbeiter der Börse, die die technische Funktionalität sicher stellen – marktmäßig zusammen und gleicht sie durch Festsetzung von Auswahlkriterien, wie zum Beispiel „Statusmeldung“, „Beruf“, „Vorlieben“, „Fotos“, etc., aus. Die Feststellung der Auswahlkriterien der gehandelten Objekte (Männer und Frauen) richtet sich laufend nach Angebot und Nachfrage.“

      Gemeldet hatte sich an diesem Tag ein Mann, etwa 34 Jahre alt, dessen Auswahlkriterien „Fotos“, „Nachrichten“ und „Statusmeldung“ mir gefallen hatten. Besonders seine Fotos begeisterten mich, denn er wirkte sehr männlich darauf. Dunkle, längere Haare, Drei-Tage-Bart, lässige Jeans und T-Shirt. Für mich eröffneten sie das Reich der Fantasie, denn ich sah darin etwas Verwegenes, ein Abenteuer.

      Er war online und so ergab sich eine Verabredung noch am gleichen Abend. Ich schlug ein Café vor und nannte die Adresse, da er sich in diesem Stadtteil nicht so gut auskannte. Dann tauschten wir noch unsere Telefonnummern aus. Wieder im Hier und Jetzt verbrachte ich noch etwas Zeit mit Nina, um dann später von dort zum vereinbarten Treffpunkt zu fahren. Ich war aufgeregt und freute mich auf das Treffen.

      Etwa 15 Minuten vorher klingelte mein Telefon. Er meldete sich und erzählte mir, dass er das Café nicht finden könnte, obwohl er bereits Leute auf der Straße nach dem Weg gefragt hatte. Ich erklärte ihm den Weg dorthin. Da er allerdings einen sehr orientierungslosen Eindruck machte, entschied ich nach einigem Hin und Her ihn an seinem jetzigen Standort abzuholen. Ich weiß noch genau, dass dieses Telefonat mein Gefühl von „aufgeregt sein“ in ein leichtes „genervt sein“ verwandelte. Ich konnte nicht verstehen, was so schwer daran war das Café zu finden und hatte plötzlich eine Ahnung, dass irgendetwas an der ganzen Sache nicht stimmte. Meine Illusion aus dem Reich der Fantasie bröckelte dahin und wich langsam der Realität. Dennoch hatte ich keine Zeit dies näher zu erforschen und machte mich als schnell auf den Weg, um ihn abzuholen.

      Als wir dann voreinander standen, hatte mich die Realität vollends eingeholt. Der Drei-Tage-Bart war wegrasiert, die Haare kurz geschnitten, die lässige Jeans der braunen Faltenhose und das T-Shirt dem gelben Strick-Pullunder gewichen. Sein Händedruck war weich und er strahlte Orientierungslosigkeit aus. Nach der Begrüßung machten wir uns auf den Weg zum eigentlichen Treffpunkt, der nur zwei kurze Straßen weiter lag. Wir entschieden uns auf einer Bank vor dem Café Platz zu nehmen. Das Gespräch entwickelte sich stockend. Ich stellte Fragen zu seinem Leben. Er fragte kaum. Er erzählte mir, dass er gerade eine Abschluss-Prüfung für einen helfenden Beruf bestanden hatte. Das fand ich spannend und fragte ihn, wie er dazu gekommen war und was er daraus machen wollte. Ich nahm an, dass er nun Menschen mit dem erlernten Wissen helfen wollte. Doch auch diese Illusion wich der Realität. Die Ausbildung hatte er wegen einem Freund begonnen, der ihm davon berichtet hatte, dass er diesen Weg für sich nun einschlug. Er dachte sich damals, was sein Freund kann, kann er schon lange. Es war für ihn ein Wettbewerb. Ein Konkurrenzspiel, an dessen Ende einer gewinnen würde. Nämlich er, denn er bestand die Prüfung und sein Freund hatte auf halber Strecke aufgegeben. Das Ziel war die Prüfung und danach sollte nichts mehr folgen, denn er wollte das Erlernte nicht praktisch anwenden.

      Von Anfang an hatte ich das Gefühl gehabt, dass wir den Weg nicht gemeinsam weitergehen würden. So war ich nun mutig und sprach aus, was ich fühlte. Ich sagte ihm, dass ich auch glaubte, dass es ihm genau so ginge und er bestätigte meine Annahme. Wir verabschiedeten uns voneinander und gingen wieder getrennte Wege. Das Treffen hatte nur eine halbe Stunde gedauert und das war gut so. Für mich.

      Nach diesem Treffen verweilte ich noch einige Wochen in der Singlebörse. Aus Momenten der Langeweile schaute ich noch ab und an dort nach, wer schrieb, bis ich irgendwann das Profil löschte. Mich ganz verabschiedete von dieser Art der Suche nach partnerschaftliche Liebe, die nicht meine Art war. Ich folgte wieder meinem Gefühl, lernte Menschen in der realen Welt kennen und nahm mir die Zeit herauszufinden, wie mein Gegenüber auf mich wirkte. Mit offenem Herzen und einer gesunden Portion Neugier im Gepäck erlebte ich die Welt um mich herum und freute mich darauf mit meinen Freunden Zeit zu verbringen, die mir oft halfen zu vergessen, dass mir körperliche Nähe fehlte. Und ich hörte auf zu suchen. Vielleicht sollte ich ja gefunden werden. Die Liebe war ja schließlich schon da. In mir. Nur vergaß ich dies ab und zu.

      3. Kapitel: Körperliche Nähe – ganz anders als erwartet.

      Am 14. April 2013 geschah dann etwas, das ich nicht erwartet hatte und das war genau richtig so, denn ich ließ diesen Tag völlig offen. Es war ein Freunde-Tag und so traf ich Nina und Josipa an diesem Sonntag, der uns die Sonne versprach, die sich allerdings noch nicht zeigte. Wir hatten verabredet den Nachmittag im Hamam zu verbringen, jenem Dampfbad, das ein wichtiger Bestandteil der islamischen Bade- und Körperkultur ist. Josipa hatte bereits einige Male dort verbracht und uns davon vorgeschwärmt. So ließen wir uns dorthin treiben, denn Sonntags war Frauen-Tag. Ich war neugierig auf dieses neue Erlebnis und freute mich auf das Unbekannte.

      Der Hamam empfing uns bereits im Entrée mit seinem wunderbaren, orientalischen Flair. Verzierte Mosaik-Wände in Blau-Tönen, kleine Holztische mit silbernen Tabletts, bunte Kissen mit orientalischen Mustern ließen der Fantasie viel Raum sich aus der realen Welt zu katapultieren und in ein Reich der Sinne zu versinken.

      Mit uns fand eine größere Gruppe von etwa neun Frauen, die ausgelassen miteinander plauderten, auch den Weg dorthin. Am Empfang reichte uns die Dame des Hauses diverse Utensilien und erklärte uns den Ablauf des Programms, das wir ausgewählt hatten. Es hieß „Royal“ und sollte später seinem Namen mehr als gerecht werden. Wir nahmen das Handtuch (Pestemal), die Olivenseife und den „Kese“, einen rauen Handschuh für das Peeling, entgegen und gingen zu den Umkleideräumen. Von dort führte uns der Weg weiter hinunter in die eigentlichen Räume des Dampfbades. Die Luft war warm und feucht und die Räume glänzten voller Marmor und Mosaiken an den Wänden. Frauen jeden Alters und vieler Nationen hielten sich bereits dort auf. Josipa hatte ja schon Erfahrung mit dem Ablauf und führte uns in einen Raum des Dampfbades, in dem wir dann etwa zwanzig Minuten verweilten, schwitzten, schwiegen oder manchmal plauderten. Darauf folgte das Übergießen mit warmen Wasser. Wir rieben uns mit der Olivenölseife ein und reinigten danach abermals den Körper mit Wasser. Nochmals begaben wir uns nun für fünf Minuten in den dampfenden Raum. Nach einer kurzen Dusche empfingen uns schon die Bademeisterinnen im nächsten Bereich, die mir wie Sirenen vorkamen, die uns anlockten,