Monica Maria Mieck

Winterwunder – Weihnachtliche Kurzgeschichten und lyrische Texte


Скачать книгу

werde, puste ich ganz sachte und nachdenklich die Lichter am grünen Nadelkranz aus. Diese Begegnung in der dunklen Zeit mit dem hellen heilenden Licht lässt mich aufmerksamer schauen und klingt noch lange in mir nach.

       Wenn wir das innere Kleid der Liebe tragen, verliert selbst der teuerste Juwel den Konkurrenzkampf.

       Eröffnung des Weihnachtsmarktes

      Beate schaut mit Interesse täglich in die Tageszeitung. Unübersehbar wird dort rechtzeitig auf den Weihnachtsmarkt hingewiesen und einladend informiert. Auch der Nikolaus ist für die Kinder angekündigt. Tante Beate denkt dabei gleich an ihren kleinen vierjährigen Neffen, der auch ihr Patenjunge ist. Die kinderliebe Patentante möchte an ihrem freien Nachmittag mit Samuel zum Weihnachtsmarkt fahren. Mit ihrer Schwägerin wird sie sich schnell einig. „Martina, ich hole dann am Freitag pünktlich um 17:00 Uhr deinen lustigen Samuel bei dir ab.“ – „Gerne, liebe Beate, du entlastet mich dadurch. Dann kann ich mich um Jonathan und Benjamin intensiver kümmern. Der temperamentvolle Samuel stört die größeren Brüder manchmal auch bei den Hausaufgaben.“

      Samuel drückt schon seine kleine Nase von innen an die Haustürscheibe. Dann sieht er aber schon, dass seine liebe Patentante aus ihrem Auto aussteigt. Der erwartungsvolle Junge juchzt vor Freude. „Tante Beate, wir können gleich zum Nikolaus fahren.“ – „Aber ich will doch noch deine Mutti und deine Brüder begrüßen.“ Martina wünscht den beiden noch einen schönen Nachmittag. Jonathan und Benjamin rufen noch ihrem Bruder hinterher: „Kleiner, grüß den Nikolaus auch von uns.“

      Das Gemeindehaus ist adventlich geschmückt. Wie jedes Jahr wird mit den Kindern zuerst aber ein wunderschöner Laternenumzug durch die Straßen gemacht. In der winterlichen Dunkelheit leuchten die vielen verschiedenen Laternen, die mit Hilfe so mancher Mutter wunderschön gefertigt wurden. Wahre Kunstwerke kann man in dem Laternenumzug entdecken. Und nicht nur die Kinder singen das schöne passende Lied: „Ich geh mit meiner Laterne, und meine Laterne mit mir, dort oben leuchten die Sterne und unten leuchten wir.“ Es entsteht eine bezaubernde Stimmung. Im Gemeindhaus wieder angekommen, werden die Kinder schon vom Nikolaus freundlich empfangen. Der stattliche Mann im roten Mantel trägt auf seinem Rücken einen großen braunen Sack. Liebevoll streichelt der Nikolaus jedem Kind über den Kopf. Samuel fürchtet sich nicht vor dem großen Mann mit dem langen weißen Bart. „Was hast du alles in deinem Sack versteckt? fragt der Vierjährige. „Dann will ich jetzt mal den Sack aufbinden und alle lieben Kinder beschenken.“ Der Nikolaus verteilt großzügig Süßigkeiten und Karten für Karussellfahrten. Als der Sack fast leer ist, weiß der Mann im roten Mantel nicht mehr so genau, ob er auch alle Kinder beschenkt hat. Samuel wird vom Nikolaus gefragt: „Kleiner Junge, hast du auch etwas geschenkt bekommen?“ – „Ja, lieber Nikolaus, du hast mir schon zwei Geschenke gegeben.“ Nikolaus streichelt Samuel über seinen dunklen Haarschopf und sagt: „Weil du so ehrlich bist, bekommst du noch etwas.“

      Tante Beate fährt mit ihrem fröhlichen Patenjungen erst zu seiner Großmutter. Beate weiß, dass ihre Mutter sich sehr an ihren Enkelkindern freut. Die stets interessierte Großmutter fragt: „Na, Samuel, wie war es denn beim Nikolaus?“ – „Oma, ich war beim Sandmännchen!“ Und alle drei lachen aus vollem Herzen.

       Im Weiterwachsen nach jedweden Abschnitten, liegt die wahre Lebendigkeit.

       In der Wärme deiner Seelenfenster spiegelt sich ein Stück Himmel wider.

       Stern mit sechzehn Strahlen

      Anfang Dezember ist der Winter schon mit eisigem Frost und viel Schnee eingezogen. Über Nacht hat er der kleinen Stadt ein zauberhaft weißes, glitzerndes Kleid angezogen. Die spitzen Giebeldächer sehen abends im Laternenschein wie verlockende Knusperhäuschen aus. Leider bleibt die weiße Pracht – zumindest auf den verkehrsbelebten Straßen – nicht lange erhalten. Die Autofahrer schimpfen über die Glätte, weil diese für sie gefährlich ist, zumal sie morgens eher aufstehen müssen. Nur die Kinder freuen sich noch vorbehaltlos über den ersten Schnee, der ihnen ja vor allem Winterfreuden beim Rodeln bringt.

      Reinhard wohnt mit seinen Eltern in einem Mehrfamilienhaus. Tagsüber ist es im Hause sehr still, weil fast alle Bewohner berufstätig sind. Nur oben in der kleinen Mansardenwohnung lebt eine Ältere Frau, die nur sehr selten das Haus verlässt. Seit einiger Zeit geht sie nun am Stock. In der anderen Hand trägt sie die Tasche mit den kleinen Einkäufen.

      Kontakt haben alle Miete nur, indem sie beim Begegnen einander grüßen. Gleich nach Schulschluss läuft Reinhard schnell nach Hause. In der letzten Unterrichtsstunde im Fach Kunst hat er unter Anleitung der Lehrerin einen wunderschönen Stern mit 16 Strahlen aus leuchtend rotem transparentem Papier gebastelt. Zu Hause angekommen, legt er den Stern erst mal in sein Regal, damit er nicht verknickt. Heute will er gleich nach dem Mittagessen seinen Schlitten vom Boden holen. Das herrliche Schneewetter muss er doch auskosten. Der Junge steigt die Treppen zum Boden hinauf und kommt dabei an der Wohnungstür von Frau Martensen, der alten gehbehinderten Dame vorbei. Auf ihrer Fußmatte liegen mehrere Zeitungen. Reinhard schließt die Bodenkammer auf und klemmt sich seinen Schlitten schnell unter seinen Arm. Der große Junge verbringt einen besonders fröhlichen Nachmittag zusammen mit Klassenkameraden auf dem besten Rodelberg der kleinen Stadt. Doch er muss leider auf seine Uhr schauen, denn heute hat er am Spätnachmittag noch Konfirmandenunterricht. Dorthin geht er sonst gerne, weil der junge Pastor den Kindern das Evangelium sehr lebendig und lebensnah vermittelt. An diesem Nachmittag sprechen sie über die Nächstenliebe, und der junge Geistliche motiviert die Jungen und Mädchen gleich, sich alsbald darin zu üben, denn egoistisches Verhalten gebe es genug unter den Menschen.

      Nach dem gemeinsamen Abendbrot mit den Eltern trägt Reinhard noch schnell seinen Schlitten die Treppen hinauf in die Bodenkammer zurück. Da sieht er, dass die Zeitungen immer noch bei Frau Martensen auf der Fußmatte liegen. Eigentlich will er sich gleich im Fernsehen noch den Tierfilm anschauen. Aber nein, er will sich nicht drücken. Sein Gewissen schlägt: Er denkt auch an das Thema in der heutigen Konfirmandenstunde.

      Mutig drückt er auf den Klingelknopf. Der Junge lauscht und hört aus dem Innern der Wohnung gar nichts. Noch einmal betätigt er die Klingel, wartet, ist besorgt und - da hört er endlich langsame Schritte. Er ist erleichtert, als die alte Dame ganz zaghaft einen Türspalt öffnet. Auf ihren Stock gestützt sieht sie elend und blass aus. Sie hat nur ihren Morgenrock über das Nachthemd gezogen. Reinhard bückt sich, hebt die angesammelten Zeitungen auf, hält sie Frau Martensen entgegen und fragt nach ihrem Ergehen. Nachdem die Alleinlebende ihre Brille aufgesetzt hat, erkennt sie erst den groß gewachsenen Schuljungen aus dem Parterre. Da löst sie die Sicherungskette ihrer Wohnungstür und bittet den Jungen zu sich in die Wohnstube.

      „Ja, krank bin ich schon seit ein paar Tagen, und das hohe Fieber hat mich so geschwächt, dass ich nicht aufstehen konnte.“ Reinhard erfasst die Notsituation. „Aber Frau Martensen, Se zittern ja so. Darf ich ihnen ihren Hausarzt telefonisch bestellen? Sie brauchen gewiss einen Arzt und gute Medizin.“ Die Kranke lässt Reinhards Fürsorge geschehen. Nach dem Telefonat brüht er erst mal einen kräftigen Pfefferminztee. Sie unterhalten sich bis der Arzt eintrifft. Anschließend läuft der Fürsorgliche gleich zur nächsten diensthabenden Apotheke.

      Die Straßen sind um diese Zeit schon ziemlich menschenleer. Der Mond steht heute voll am Himmel und wirft einen wunderschönen goldenen Schein auf die inzwischen vereisten Straßen. Zurückgekehrt, schreibt Reinhard sich noch einen Einkaufszettel. Etwas Brot, Obst und Milch will er der kranken Frau morgen besorgen. Als der Junge dann doch ziemlich spät in die elterliche Wohnung zurückkehrt, ist er alleine. Ach ja, seine Eltern wollten abends noch weggehen. Der Junge schläft