Willi van Hengel

Lucile


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      Willi van Hengel

      Lucile

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Lucile

       Lucile,

       Lucile,

       Liebe Lucile,

       Ach, Lucile,

       Liebe Lucile,

       Liebe Lucile,

       Ach, Lucile,

       Ach, Lucile,

       Liebe Lucile,

       Lucile,

       Lucile …

       Dem Abschied

       Ach, Lucile,

       Impressum neobooks

      Lucile

      Impressum:

      Willi van Hengel

       Graacher Straße 8

       13088 Berlin

      und begann

       ihnen zuzuhören

       begann

       ihnen die dinge von den lippen

       zu nehmen

       wie einen eimer wasser

       beim treppauftreppabwischen

       von einer stufe auf die nächste

       wie eine bücherbepackte tasche

       mit geschmierten broten für die nacht vom fahrrad

      und begann

       ihnen blind ihre welt

       zuzugestehen

       lippauflippabgelesen

       um dabei meinen heimlichen namen

       zu vergessen

       wie den verklärten schleier der nebel,

       der sinne, auf deiner augen-

       und denkreise im niemandsland,

       lucile.

      Lucile,

      … beinahe eingenickt in dem klapprigen Gartenstuhl, eingetaucht in ein Schaumstoffkissen, versteckt mich der Schatten des Kirschbaums vor dem Licht der sengenden Sonne. Im Kopf die Bilder von einer Fischerhütte in Südfrankreich, an einer noch unentdeckten Küste; sie tragen mich in die Hände eines Tagtraums, so, als wäre ich wirklich da.

      Ich erwache in diesem kleinen Haus und verspüre den Drang zu schreiben. Dir zu schreiben, als hätte ich neunundzwanzig Jahre darauf gewartet, kommt nun zum ersten Mal der Gedanke, dass meine Geburt einen Sinn gehabt hat. In der Küche nebenan ist André mit dem Obst fürs Abendessen beschäftigt. Er singt dabei und summt zu der Musik, die aus dem Kofferradio in den Raum steigt. Ich setze mich an den Holztisch am Fenster und schreibe deinen Namen auf ein Blatt Papier – das oberste eines kleinen Stapels –, schreibe Lucile und weiß, dass ich damit ein würdiges Versteck meiner Empfindungen gefunden habe, vielleicht das würdigste überhaupt.

      Als ich vor einigen Tagen nach dem Abendessen mit André in der Küche saß, eine Ecke französisches Brot, etwas Schafskäse und einige Oliven und Tomaten auf dem Tisch, ein Glas Wein in der Hand, und nachdem er, der mit einer halb abgeschnittenen Tomate spielte – er schaukelte sie mit dem Zeigefinger hin und her –, mich gefragt hat, ob ich ein genialisches Dasein, mit allen nur erdenklichen geistigen und gefühlsmäßigen Abstürzen, begleitet von seltenen, jedoch dann gottähnlichen Aufschwüngen, einem zufriedenen, mit den Problemen des Alltags bekleideten Leben vorziehen würde, bis hin zu der Vorstellung eines hingebungsvollen und leidenschaftlichen Todes, da konnte ich nicht mehr länger umhin, nicht mehr länger verdrängen, dass ich im Grunde meines Herzens gar nicht weiß, was ich will – außer zu schreiben, dir zu schreiben. Das Schicksal und das Glück eines Lebens, sagte André, tun sich nur denjenigen auf, die ein Funkeln in ihren Augen entdecken, Sehende, die die Geschehnisse des Tages und der Nacht wie einen aufrüttelnden Traum empfinden, eine Geschichte also, die ihnen nicht gehören kann.

      Ich antwortete ihm nicht, tippte lediglich von der anderen Seite des Tisches die halbe Tomate mit einer Fingerspitze an; ihr Wippen und mein verlegenes Lächeln genügten ihm.

      Doch habe kein Mitleid mit mir, dass ich nicht in Südfrankreich in einem verschlafenen Fischerdorf sitze und den Wind genieße, sondern daheim bei meiner Mutter im Garten. Ich sitze hier mit Fieber und einer Sehnsucht – sie heißt André: die Kraft und Lust in jedem Wort, das ich denke und fühle – und an dich richten werde.

      Ich wusste nicht so recht, wie ich beginnen sollte, vorhin, an diesem Tisch in Südfrankreich oder, vielmehr, im Garten meiner Mutter, im Schatten des Kirschbaums (sicherlich weißt du noch, dass er süße Früchte trägt, keine sauren; noch aber sind es grüne und harte Kugeln, die die Zukunft in sich bergen und bald Gegenwart geworden sein werden, reife rote und gelbblasse Gegenwart, die geschmeckt werden will und in ihrer Anmut danach verlangt, in sie hineinzubeißen, sie zu genießen, ihr Fruchtfleisch vom Kern abzuknabbern und diesen dann auszuspucken, ohne darauf zu achten, wo er landet). Wie beginnen, habe ich mich gefragt, mit welchen Worten, nach so langer Zeit. Oft habe ich in den letzten beiden Jahren (so lange schon ist es her, dass wir nichts voneinander gehört haben) vor einem leeren Blatt Papier gesessen, um dir zu schreiben … – über Liebe Lucile bin ich jedoch nie hinausgekommen. Stets habe ich den Laut meiner inneren Stimme vermisst, der notwendig ist, um einem Brief – und dann auch noch an dich – den Sinn zu geben, den er verdient. Ein Brief sollte die Öffnung des Herzens sein zu einem Gespräch, einem Gespräch mit dir, bei dem ich mir vorstelle, wie du in deiner Pariser Wohnung sitzt und dein Gesicht in meine Zeilen legst, wie du geduldig Wort für Wort mit einem Lächeln oder einem leichten Kopfschütteln begleitest, ohne ein Ende des Briefes herbeizusehnen.

      Vielleicht wunderst du dich, warum ich dir schreibe, jetzt, nach zwei Jahren des Schweigens, zwei Jahre, in denen wir weder den Postboten mit der Zustellung eines Briefes, nicht einmal einer Postkarte (auf der unter deinem Namen Hallo Herr Postbote deine Frau wird gerade von einem anderen gevögelt steht), noch den Schaffner im Zug nach Paris oder nach Bonn geärgert haben. Irgendwie ist es immer noch wie früher, als ich die Gedanken und die Gefühle, die mich berührt haben, nur mit dir besprechen mochte. Nur in deiner Gegenwart empfand ich mich ernst genommen, fühlte ich mich verstanden und vor allem – aufgehoben.

      Also,