Monika Clayton

Rache zum Dessert


Скачать книгу

fühlte Theresa, dass sie so viel Mist gar nicht scheffeln konnte, als dass sie davon hätte leben können. Ein Jahr ist es mittlerweile schon her, dass sie den letzten Auftrag hatte. Damals sah man sie als Rezeptionistin, in einer der täglich ausgestrahlten Soaps, hinter dem Empfang stehen. Doch zu mehr als einem „Dankeschön“, hatte es, wie schon so oft, nicht gereicht. Ihren atemberaubenden Dialog hatte sie allerdings immer noch im Kopf: „Ihr Zimmer ist bereit Herr Baumgartner, Nummer 312. Dritter Stock. Hier ist ihr Schlüssel. Der Aufzug ist dort drüben.“

      Ende, Cut und Aus. In diesem Hotel wollte Herr Baumgartner wohl nicht noch einmal absteigen.

      Aber vielleicht hatte Luisa ja Recht, und sie machte sich unnötig Gedanken. Endlich hatte sie doch die Möglichkeit, mit mehr als nur einem Satz, ihr Können unter Beweis zu stellen. In diesem Spot wäre sie nicht nur eine kleine Nebendarstellerin; nein, sie hatte die Hauptrolle ergattert. Aber warum konnte sie sich dann nicht darüber freuen? Eigentlich sollte sie doch um jede noch so bescheuerte Rolle froh sein. Und warum machte sie sich Sorgen, was andere über sie dachten? Immerhin sind die Gagen für Werbespots höher als bei Seriennebenrollen. Und das Geld hatte sie, weiß Gott, bitter nötig. Das war der ausschlaggebende Punkt. Sie sollte sich allein schon wegen des Geldes damit abfinden.

      Während Luisa noch immer mit der richtigen Kleiderwahl beschäftigt war, machte sich Theresa auf die Suche nach ihrem Handy. Jetzt, da sie sich die Rolle schön geredet hatte, wollte sie ihr neues Jobangebot unbedingt auch Sven mitteilen.

      Irgendwo in den Untiefen ihrer Tasche hatte sich ihr Handy in ein Loch vergraben. Es blieb Theresa nichts anderes übrig, als den gesamten Inhalt auf dem Wohnzimmertisch ihrer Freundin zu entleeren. Zwischen Kassenzetteln, Bonbons und allerlei Krimskrams, den sie nie benötigte, fand sie es endlich. Demnächst räum ich da drin mal auf, nahm sie sich vor und schaute auf das Display ihres Handys. Eine ungelesene Nachricht wurde angezeigt, eingegangen vor einer halben Stunde. Der Signalton war wahrscheinlich während Luisas Gelächter untergegangen.

       Hallo Schatz! Arbeite heute wieder etwas länger. Warte nicht auf mich. Kuss Dein Sven.

      Stirnrunzelnd nahm Theresa zur Kenntnis, dass das in letzter Zeit immer öfter der Fall war. Na egal, zuckte sie mit den Schultern, dann würde sie jetzt einfach in die Bar gehen und es ihm später erzählen. Schnell tippte sie ein Okay ein, und fügte noch einen küssenden Smiley dazu. Rein aus Gewohnheit.

      „Wie lange dauert das denn noch?“, rief Theresa ins Schlafzimmer, während sie ihre Tasche wieder genauso packte, wie sie sie entleert hatte.

      „Bin schon fertig.“ Wie eine Schaufensterpuppe stand Luisa im Türrahmen. Ihre hübsche Figur betonte sie mit einer grauen Stoffhose, dazu trug sie einen leichten Pullover und Stilettos. Ihr langes schwarzes Haar hatte sie seitlich zu einem lockeren Zopf geflochten, welcher am Ende von einem dünnen Haargummi zusammengehalten wurde.

      „Wow, du siehst umwerfend aus“, lächelte Theresa neidlos und stand auf.

      „Willst du dich nicht auch etwas herrichten?“, fragte Luisa erstaunt. Dass ihre Freundin ständig wie eine heruntergekommene graue Maus das Haus verließ, wollte ihr nicht einleuchten.

      „Lass mal,“ winkte Theresa ab. „Es reicht doch, wenn alle Augen auf dich gerichtet sind.“

      Luisa verzog ihren Mund. „Und du bist dir sicher, dass du Schauspielerin bist?“

      „Immerhin hab ich eine Schauspielausbildung.“

      „Dann solltest du doch wissen, dass Schauspieler davon Leben, angesehen zu werden.“ In Luisas Augen hatte ihre Freundin nämlich so viel zu bieten. Üppige Oberweite, schmale Taille und blonde Haare. Ihre immer leicht traurig drein blickenden blauen Augen würden sicherlich mit etwas Wimperntusche mehr zur Geltung kommen. Ihr Mund hatte diesen verführerischen Schwung, den Männer gerne als Kussmund bezeichnen. Aus Theresa könnte man so viel machen, wenn sie nur wollte. Wollte sie aber nicht.

      Gleichgültig verzog Theresa das Gesicht. Sie hasste sie es einfach, wenn sie wegen ihres Aussehens angestarrt wurde. Diese Scheu konnte sie nur vor der Kamera ablegen. Sobald das Licht jedoch erlosch, fiel sie wieder in ihr unscheinbares Dasein zurück. Außerdem hasste sie ihren Busen, weshalb sie diesen auch gerne unter weiter Kleidung versteckte.

      „Dann mach doch wenigstens dein schönes, glanzloses Haar auf“, zog Luisa sie auf.

      „Bitte fang nicht an wie Sven“, wies Theresa sie zurecht. Es reichte ihr schon, dass er sich pausenlos darüber beklagte, dass sie ihre Weiblichkeit mehr nach außen tragen könnte und dass ihm ihr saloppes Benehmen auf den Geist ging. Was ja Luisa ebenfalls immer wieder bemängelte. „Ich muss nicht rumlaufen wie eine Diva.“

      „Nein musst du nicht. Aber ein bisschen weniger Mädchen von nebenan, dafür mehr Vamp, und du würdest sicher mehr Aufmerksamkeit bekommen.“

      Wütend starrte Theresa ihre Freundin an. „Manchmal glaube ich wirklich, dass du mit Sven unter einer Decke steckst. Warum versteht ihr beide eigentlich nicht, dass ich wegen meines Talents anerkannt werden möchte?!“

      „Weiß ich doch, Schatz,“ versöhnlich, legte Luisa ihren Arm um Theresas Schulter, „aber wer soll denn dein Talent hören wollen, wenn du so … so …“, sie suchte nach den richtigen Worten. „Wenn du so gewöhnlich aussiehst.“

      „Gewöhnlich?“ Innerlich war Theresa dem Platzen nahe. Warum meckerte denn nur jeder an ihr herum? Hatte sie heute nicht schon genug durchgemacht?

      Luisa biss sich auf die Lippen. „Na ja, nicht gewöhnlich in dem Sinne, sondern mehr … alltäglich. Wenn du nicht ewig nur als Statistin gebucht werden willst, solltest du einfach ein bisschen mehr aus dir machen. Glaub mir doch einfach mal.“

      „Wenn überhaupt, bin ich Kleindarstellerin. Immerhin hab ich ja noch ein bisschen was zu sagen.“ Resigniert winkte Theresa ab. Es war sowieso sinnlos, sich mit Luisa darüber zu unterhalten. „Lass uns jetzt einfach gehen.“

      Lustlos erhob sich Theresa nun endgültig von der Couch, während Luisa sich auf die Suche nach ihrer Brille machte, die sie gar nicht brauchte. Neuerdings trug sie ebenfalls so ein riesiges Gestell, wie es auch Stars wie Justin Biber oder Madonna als Accessoire auf ihre Nase setzten, aber Theresa musste zugeben, dass es ihr ausgesprochen gutstand. Luisa sah aus wie Schneewittchen, nur eben jetzt mit Brille. Immer auf der Hut, nicht versehentlich, in den vergifteten Apfel zu beißen. Wobei ihr sowieso niemand so etwas angedreht hätte. Das echte Schneewittchen hätte sich bestimmt nie getraut der bösen Königin zu sagen: „Zieh dich erst einmal um, bevor ich von dir etwas annehme.“ Bei diesem Vergleich musste Theresa schmunzeln.

      „Was ist?“, wollte Luisa wissen.

      „Nichts, Schneewittchen, lass uns gehen.“

      Verdutzt sah Luisa sie an. „Hab ich was verpasst?“

      „Nein, und jetzt los“, hakte Theresa sich bei ihrer Freundin unter. Vielleicht würde sie ihr die Geschichte von Schneewittchen einmal erzählen.

      Gemeinsam liefen sie die Straße zu dem Pub hinauf. Morgen würde sicherlich ein schöner Tag werden. Den Frühling konnte man förmlich riechen. Theresa zog dennoch ihren Parka, den Luisa am Liebsten in der Tonne gesehen hätte, enger um sich.

      Kapitel 5

      Zur Feier des Tages bestellten sie sich eine Flasche Prosecco, die aber Luisa würde allein bezahlen müssen. Wie immer war Theresa für solche Großanschaffungen einfach zu blank.

      „Wer weiß, vielleicht ist es ja diesmal dein Durchbruch zum Film“, schrie Luisa durch den Lärm hindurch ihrer Freundin zu. Fröhlich erhob sie ihr Glas und prostete Theresa zu.

      „Wahrscheinlich ist das nicht sehr wahrscheinlich. Aber trotzdem ein netter Gedanke“, kommentierte Theresa die wohlgemeinten Worte.

      Luisa dachte über die seltsame Ausdrucksweise ihrer Freundin nach. Sollte sie etwas sagen? Theresa hielt sich unterdes ihren Pferdeschwanz vor das Gesicht und prüfte ihre ausgefransten Spitzen. Luisa entschied,