Melanie Weber-Tilse

Heil mich, wenn du kannst


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und endlich den Fall lösen. Egal, ob uns die Bürgermeisterin oder der Präsident höchstpersönlich im Auge behält.«

      »Ich weiß, Mc Kenzie. Wobei ich lange überlegt habe, ob es gut ist, Sie mit dem Fall zu betrauen. Damals haben Sie Ihren Partner aufgrund dessen verloren und der Einstieg in unsere Abteilung war ganz und gar nicht rosig.« Der Chief hatte sich in seinen großen ledernen Sessel gesetzt und schaute Nate ernst an. »Aber ich weiß, dass Sie all die Jahre auf diese Chance gewartet haben und Sie danach jeden Fall gelöst haben. Sie beide sind meine fähigsten Männer. Ich stelle Ihnen alle Ressourcen, die Sie benötigen, zur Verfügung. 48 Stunden arbeiten Sie unter dem Radar, danach wird die Öffentlichkeit ein Auge auf Sie haben.«

      »Danke.« Nate nickte seinem Chef zu und schickte sich an, aufzustehen.

      »Und Mc Kenzie«, wurde er von Goodman aufgehalten, »zeigen Sie es den kleinen Arschkriechern aus dem Drogendezernat.«

      Nate grinste und tippte sich an die Stirn. »Geht klar, Boss.«

      Paul und Nathan verließen das Büro. »Wenn man von Arschkriechern spricht …«, murmelte Paul neben ihm.

      Tatsächlich. Zwei Agenten aus eben jener Abteilung standen an ihren Schreibtischen und grinsten ihnen selbstgefällig entgegen.

      »Der Versager Mc Kenzie und der alte Sack Domestic. Da hat die Mordkommission ja ihre fähigsten Leute ins Rennen geschickt. Dabei mussten wir mal wieder die ganze Vorarbeit machen.«

      Nate hielt Paul am Arm fest, denn dieser war kurz davor, zumindest einem von beiden das Lächeln aus dem Gesicht zu wischen. »Nicht. Weder ein Schlag ins Gesicht noch einer auf den Hinterkopf wird ihnen dabei helfen, das verschollene Kilogramm Heroin aus der vorletzten Razzia wieder zu finden.«

      Das Lächeln verschwand sofort aus den Gesichtern der zwei Männer. Oh ja, jede Abteilung war natürlich über die Pannen der anderen informiert.

      »Viel Glück, das werdet ihr gebrauchen können«, schnaubte der eine und dann verschwanden die beiden aus dem Großraumbüro, begleitet von Pfiffen und dem Klatschen der Kollegen der hiesigen Mordkommission. Natürlich hatte jeder das Gespräch mitbekommen und freute sich, dass Nate ihnen gleich den Wind aus den Segeln genommen hatte.

      »Diese kleinen Schleimer …«

      Nathan klopfte seinem Partner beruhigend auf die Schulter. »Lass gut sein, sie werden es immer wieder tun. Immerhin waren sie so nett und haben uns ihre Erkenntnisse vorbeigebracht.« Stöhnend schauten beide die Kartons an, die sich auf und um ihre Schreibtische stapelten. Von den 48 Stunden gingen somit einige nur für den verdammten Papierkram drauf.

      Nate brauchte eigentlich überhaupt nicht in die alten zusammengetragenen Unterlagen schauen, denn dieser Fall hatte sich in sein Gedächtnis gebrannt. Er war Frischling in der Abteilung und sein Partner war als leitender Detective mit dem Fall betraut worden. Er war von Anfang an dabei gewesen, hatte die ganzen Fakten nächtelang mit seinem Partner gesammelt und gesichtet, dann war die Spur kalt und irgendwann eiskalt geworden.

      Er schob einige Kartons zur Seite, damit er sich setzen konnte, und sah dann hinüber zu Paul, der sich auch seinen Weg freigekämpft hatte.

      »Erzähl.«

      Nate runzelte die Stirn. »Was soll ich erzählen?«

      »Alles, was in diesen Kartons vorhanden ist. Ich bin mir sicher, nein, ich weiß es, dass du alles, sogar jeden forensischen Bericht bis auf den kleinsten Wortlaut wiedergeben kannst. Danach können wir die dünne Akte, die die kleinen Pisser zusammengestellt haben, durschauen und an die Arbeit gehen.«

      »Pisser?« Grinsend zog Nate eine Augenbraue hoch. Sein Partner entwickelte auf seine alten Tage noch richtig Temperament. »Du hast Recht. Einmal sind es Pisser und natürlich kann ich dir alles, was damals an Beweise zusammenkam, erzählen. So schnell werde ich die Dinge ganz sicher nicht vergessen.« Kurz schweiften seine Gedanken zu seinem Partner ab, mit dem er ein Jahr zusammengearbeitet hatte, wobei die letzten Monate nach dem Fall geprägt von Alkoholkonsum waren und dieser sich dann letztendlich vor einen Zug geworfen hatte.

      Am Anfang hatte Nate noch geglaubt, dass es eventuell ein Unfall, ja sogar Mord gewesen war, aber schnell hatte man in der Wohnung konkrete Hinweise gefunden, wie es um seinen alten Partner gestanden hatte. Nein, es war Selbstmord gewesen und das belastete ihn heute nach all den Jahren noch. Denn dass es ihm so schlecht ging, hatte Nathan damals nicht vermutet. Wenn er es nur gewusst hätte …

      »Grüble nicht darüber nach. Keiner von uns hat mitbekommen, dass er so am Ende war.« Pauls Antennen funktionierten mal wieder einwandfrei. »Nun fang schon an, zu erzählen. Je schneller wir durch sind, desto schneller können wir los. Ich brauche dringend nen frischen Kaffee von Starbucks.«

      Wahrscheinlich nicht nur einen Kaffee. Paul liebte die Donuts, die es dort auch gab.

      »Wie jeder hier weiß, sind die Thompsons mitsamt ihrem Auto in die Luft gesprengt worden«, begann Nate und die Zeit meinte, ihn einholen zu müssen. »Sie kamen von einer Geschäftsreise aus Europa. Normalerweise blieb Sarah Thompson, die Ehefrau von Richard Thompson, zuhause bei den Kindern. Wobei nur noch die Tochter, Annabell, damals minderjährig war. Michael war schon 24 Jahre alt. Wie wir bei Befragungen herausfanden, wollten die Eltern ihren Hochzeitstag in Paris feiern und dafür passte die Haushälterin Emma Mitchell auf Annabell auf. Übrigens war sie die Einzige, die nie unter Tatverdacht stand.« Nate lachte leise, als er an die Befragungen mit Emma zurückdachte. »Sollten wir in den Genuss kommen, sie zu treffen, wirst du schnell merken, warum das so ist. Auf jeden Fall arbeitet sie schon ihr ganzes Leben lang für die Thompsons. Wie gesagt, befanden sich die Thompson auf Geschäfts- und Hochzeitstagreise und als sie mit ihrem Privatjet wieder in New York landeten, wurden sie wie immer direkt von der Limousine abgeholt. Der Fahrer, der ebenfalls bei dem Attentat ums Leben kam, war schon immer in ihren Diensten und auch die Untersuchung seiner Familie und seinem weiteren Umfeld erbrachte keinerlei Hinweise. Das Flugpersonal war auch schon Jahre im Dienste der Thompsons und die Angestellten des Flughafens, die direkt mit diesem Flug zu tun hatten, wurden alle durchleuchtet. Nichts. Nada. Niente. Die Bombe zündete, nachdem beide auf ihren Plätzen auf der Rücksitzbank saßen. Wir konnten damals rekonstruieren, dass die Bombe durch diese beiden Kontakte ausgelöst wurde. Das Gepäck, welches noch nicht eingeräumt war, verschwand. Das war der einzige Anhaltspunkt, den wir hatten. Mithilfe von Mrs. Mitchell und Richard Thompsons Sekretärin Mrs. Davis bekamen wir heraus, was sich in den Koffern und Taschen befunden haben musste. Natürlich konnte keiner sagen, ob nicht später noch etwas von den Thompsons dazu gepackt wurde. Da aber alles spurlos verschwunden blieb, konnten wir das auch nie überprüfen.«

      »Wer profitierte damals von dem Tod der beiden?«

      »Die Kinder. Allen voran Michael, der die Firma übernahm. Gerade ihn nahmen wir aufgrund dessen genau unter die Lupe. Zum damaligen Zeitpunkt befand er sich in Harvard und war seit Wochen nicht zuhause. Natürlich hätte er Handlanger beauftragen können, aber er hat uns all seine elektronischen Geräte zur Verfügung gestellt. Telefonate, E-Mails, Anrufe …. Alles haben wir Stunde um Stunde überprüft. Nichts. Aber generell alle Richtungen, alle Vermutungen, jede Idee verlief im Sande. Wer das damals geplant hat, war nicht nur geschickt, der war ein absoluter Profi. Ein Profi mit viel Geld.«

      Paul nickte und nahm sich dann die dünne Akte, die noch keiner von ihnen kannte. »Dann lass uns mal die neuen Beweise anschauen und dann können wir endlich los, Partner.«

      Lorraine

      »Rain, ob Sie wohl ... uuuuuhhhhhh ...«

      Lorraine hielt in ihrer Bewegung inne und drehte sich um. Gerade hatte sie Cassandra zum Mittagsschlaf hingelegt und befand sich auf dem Weg in den großen Garten, wo sie die Stunde, die das Kind sicher schlafen würde, verbringen wollte. Der Anblick von Susan, die sich schmerzverzerrt den Bauch hielt, ließ sie jedoch sofort alle Pläne vergessen.

      Schwer atmend stand ihre hochschwangere Chefin vor ihr, sichtlich keiner weiteren Worte mehr fähig. Sofort legte sie ihr Buch achtlos zur Seite und umgriff mit einer Hand Susans Körper. Sanft dirigierte sie die