Ralf Feldvoß

Flarandil Grünauge


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wie ihre älteren Geschwister, war sie doch noch sehr klein, als die Veränderungen eintraten.

      „Du kennst ihn halt nicht so, wie wir ihn kannten.“, antwortete ihre ältere Schwester, die achtzehnjährige Lorina.

      „Genau, Du weißt gar nicht so sehr wovon wir reden.“, bestätigte dies auch die einundzwanzig Jahre alte Sophelia. Nur der Älteste der Königskinder, der zweiundzwanzigjährige Prinz Nusidron, konnte in diesem Moment nichts dazu sagen, da er sich auf dem Weg nach Halmingen befand, um ein paar Dinge zu klären und Aufträge zu vergeben. Es stand nämlich die alljährliche Frühsommerfeier an, die in einem Monat stattfinden sollte, und dazu musste die Burg, wie jedes Jahr, auf Hochglanz gebracht und die Folgen des Winters beseitigt werden, sowie Aufträge für die Verpflegung vergeben werden.

      So saßen die vier Frauen eine Weile schweigend am Tisch, bis Marelia die Stille nicht mehr aushalten konnte. „Warum erzählt Ihr mir nicht etwas über Papa, wie er früher war? Vielleicht verstehe ich das dann besser.“, fragte sie.

      „Oh je, wo sollten wir da bloß anfangen?“ Cynania ließ die Schultern hängen und wusste keine Worte für ihre Tochter. Es tat weh, über die Vergangenheit zu sprechen. Die Frage von Marelia blieb somit unbeantwortet in der Luft hängen, weil auch Sophelia und Lorina nichts dazu zu sagen wussten.

      In diesem Moment kam Demodius forsch aus der Burg gestürmt und kam schnurstracks zu den Frauen. „Wo ist Nusidron?“, fragte er herrisch und ohne einen guten Morgen zu wünschen. Früher hatte er seine Kinder geherzt und die Königin geküsst.

      „Ins Dorf.“, antwortete Cynania zerknirscht und kurz angebunden. „Er wollte die ersten Aufträge für unser Frühsommerfest vergeben und noch ein paar Besorgungen machen.“

      „Aufträge für das Fest? Dann werde ich ihm besser schnell nachreiten. Seine Aufträge kenne ich, das mache ich dann doch lieber selber! Da kommt doch nichts Vernünftiges bei raus.“ Demodius machte auf dem Absatz kehrt, und ging festen Schrittes in den Stall, um seinen schwarzbraunen Hengst Guinness satteln zu lassen. Keine fünf Minuten später preschte er über den Burghof, ohne ein weiteres Wort, oder einen Blick an seine Familie zu verlieren, an ihnen vorbei und verschwand Staub aufwirbelnd durch das Burgtor.

      Nachdenklich und sehr, sehr traurig schaute Cynania ihrem Gatten hinterher. Als der von Guinness verursachte Staub sich langsam wieder gelegt hatte, sprach sie zu den Prinzessinnen: „Kommt Kinder, lasst uns den Tisch abräumen. Hoffen wir, dass es im Dorf keinen Ärger gibt. Ihr wisst ja, wie Nusidron sein kann.“ Die Prinzessinnen nickten wissend.

      Cynania begann die Teller zusammenzustellen. „Smut!“, rief sie nach ihrem Koch, damit er und seine Küchenhilfen den königlichen Damen beim Abräumen des Tisches zur Hand gingen und den Abwasch machen konnten.

      Kapitel 3 - Das Dorf Halmingen und seine Bewohner

      Das Dorf Halmingen lag etwas südlich der Burg Hamma am Fluss Tarels, nahe der Mündung der Desna, die aus dem Süden kommend in die Tarels floss.

      Regiert wurde Halmingen von König Demodius, da es zum Königreich Hamma gehörte, aber es gab auch einen Dorfvorsteher, Christon genannt, der sich um die kleineren Belange der Bürger kümmerte.

      Die ansässigen Handwerker waren der Schmied Bosson und seine Frau Kuntilla, die Müllers Leute Mellon und Mehla, die Bäcker Tortilius und Tarama, sowie die Schneiderin Nafa.

      Bosson, Mellon und Tortilius bildeten gemeinsam mit Christon den Dorfrat, der über fast alles in der kleinen Gemeinschaft entschied, was es zu entscheiden gab und nicht dem König Demodius vorgetragen werden musste.

      Dann gab es noch den Jäger Flintilius. Er hatte seine Hütte etwas außerhalb des Dorfes am Waldrand stehen. Dazu kamen noch weitere Bewohner des Dorfes und einige Bauern, die ihre Höfe bewirtschafteten. Schaf- und Kuhweiden bildeten die südliche Grenze der Dorfgemeinschaft.

      Die Häuser glichen sich alle sehr. Die Bauweise war nahezu identisch. Aus Lehm errichtet und mit Stroh eingedeckt. Nur die Größe unterschied sich, je nach Stand und Notwendigkeit des Berufes.

      So hatte zum Beispiel Bosson eine Terrasse vor dem Haus stehen, unter der sich seine Schmiede befand. Oder Tortilius, der Bäcker. Tortilius hatte sich einen Vorbau vor das Haus gesetzt. Dieser Vorbau hatte eine kleine Theke unter einem Fenster. Hier präsentierte er dann seine Backwaren und verkaufte sie.

      Nafa hingegen hatte neben Christon das größte Haus im Dorf, weil sie sich ihre Nähstube direkt an ihren Wohnbereich gebaut hatte und außerdem auch viele selbst genähte Sachen in ihrem kleinen Laden verkaufte. So hatte sie Wohnhaus, Nähstube und Geschäft in einem. Eine Kirche gab es in Halmingen nicht. Es gab zwar eine, die lag aber auf etwa halbem Weg zwischen Halmingen und Merben. Dort war auch der Marktplatz.

      Die Dorfbewohner in Halmingen lebten zufrieden und glücklich in ihrer kleinen, friedlichen Idylle, hatte die Königsfamilie doch häufig Aufträge zu vergeben, die stets an die Handwerker aus Halmingen gingen, die so zu einem gewissen Reichtum kamen.

      Allerdings sehr zum Bedauern und Leidwesen der Bewohner und Handwerker des nicht sehr weit entfernt gelegenen Nachbardorfes Merben. Merben lag südlich von Halmingen an der Desna. Den Menschen dort ging es schlechter, als den Halmingern. Nicht, dass die Merbener am Hungertuch nagten, aber in Halmingen war das Leben eben doch etwas besser. Und das ärgerte die Merbener, besonders dem dortigen Dorfvorsteher Begdara.

      Als sich nun die Morgensonne langsam gen Mittag bewegte stand Nusidron gerade bei Tortilius und seine Gemahlin Tarama, um über die Torten und Kekse zu verhandeln, die bei dem Frühsommerfest gereicht werden sollten. Da kam Christon, der Dorfvorsteher, um die Ecke.

      „Ah, das trifft sich doch hervorragend!“, rief er in seiner unnachahmlichen, rauen und kratzigen Stimme, die von zu viel Wein geprägt war. „Mein Prinz, ich wünsche einen wundervollen guten Morgen!“, begrüßte der Dorfvorsteher den Prinzen.

      „Christon, mein Guter, den wünsche ich Dir auch. Was kann ich für Dich tun? Was trifft sich so hervorragend?“, fragte Nusidron. „Ich stehe mit Tortilius in schweren Verhandlungen für die Süßigkeiten zum Frühsommerfest. Also hoffe ich, dass es was wirklich Wichtiges ist.“, feixte Nusidron augenzwinkernd.

      „Das ist es, mein Prinz. Das ist es.“, beteuerte Christon und zog Nusidron von den Bäckersleuten beiseite. „Entschuldige Tortilius, ich muss Dir den Prinzen für einen Moment entführen.“

      „Mache nur Christon. Er wird uns schon nicht davonlaufen.“, grinste Tortilius und legte Tarama den Arm um die Schulter. Gemeinsam gingen sie wieder in ihre Backstube.

      „Nun denn mein guter Dorfvorsteher, was ist denn so wichtig, dass es nicht warten kann?“, wollte der Prinz wissen.

      „Nicht hier, mein Prinz. Gehen wir in mein Haus. Da haben wir Ruhe und können einen guten Schluck dabei trinken.“

      „So früh am Tage? Na, na, na. Ich muss mich doch sehr über Dich wundern.“ Es war schon immer so, dass die Königsfamilie sehr freundschaftlich mit ihren Untergebenen umging, so auch Prinz Nusidron. Der einzige, der es nicht mehr so tat, war König Demodius. Und genau der kam den beiden soeben entgegen geritten.

      „Mein Sohn!“, rief er schon vom Weiten Nusidron zu. In seiner Stimme lag ein bedrohlicher Unterton. Ein Ton, den er früher niemals angeschlagen hatte. „Was hast Du mit Christon zu besprechen? Deine Königin sagte mir, dass Du Dich um die Frühsommerfeier kümmern wolltest! Jetzt sehe ich Dich hier stattdessen mit unserem Dorfvorsteher zusammen. Was hat das zu bedeuten?“ Demodius saß hoch aufgerichtet auf seinem Pferd und blickte feindselig seinen Sohn an.

      „Er wollte mit mir sprechen, nicht ich mit ihm!“, verteidigte Nusidron sich und war wütend, weil sein Vater und König ihn so angeherrscht hatte.

      „Wenn hier jemand was zu sagen hat, dann bin ich das! Ich! Der König von Hamma!“, brüllte der König fast. „Also werde ich mit ihm gehen. Noch bin ich der König hier! Das solltest Du eigentlich auch wissen!“, raunte Demodius den Dorfvorsteher an. Zu seinem Sohn, den Prinzen zugewandt: „Du