für den Religionsunterricht in den staatlichen Schulen hat die Schulverwaltung vorzuhalten. Der Inhalt selbst kann nur von den autorisierten Organen der Religionsgesellschaften erstellt werden, insoweit ist eine Zusammenarbeit mit der jeweiligen Schulverwaltung nötig 85 . Für diese inhaltliche Leistung besteht mithin für die islamischen Dachverbände eine „Bringschuld“. Dies gilt auch und gerade für den Fall, dass diese sich in einigen religiösen Fragestellungen nicht einigen können. Hier kann sich der Staat nicht als Schiedsrichter aufspielen. Die Verbände müssen sich untereinander einigen, sonst droht der Verlust einer Präsenz in der Schule. Für die Erarbeitung von entsprechenden Curricula sind die Verbände nicht gehindert, gewisse Vorarbeiten (vor allem in Nordrhein – Westfalen) als Gerüst oder Rahmen zu nutzen 86 .
9. Schulveranstaltungen
Ein weiteres Problem in der Schule mit islamischen Kinder ist deren Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an Schwimmunterricht, Sexualkundeunterricht oder Klassenfahrten. Angesichts der stärker auftretenden religiösen Vielfalt auch unter Schulkindern ist es vermehrt zu Auseinandersetzungen um die Bekenntnisfreiheit in der staatlichen Schule, Art. 7 Abs. 1 Grundgesetz, gekommen. Aus religiösen Gründen soll ein Anspruch auf Befreiung vom Sport- und Schwimmunterricht erwachsen können 87. Dagegen die vom Bundesverfassungsgericht gebilligte neuere Rechtsprechung: Keine Befreiung wegen Sexualkundeunterricht oder Vermittlung der Evolutionstheorie im Biologieunterricht 88 ; Nichtteilnahme von Baptistenkindern an einem Schul - Theaterprojekt „Mein Körper gehört mir“ und an einer Schul - Karnevalsveranstaltung verletzt Schulpflicht 89, keine Befreiung vom Sexualkundeunterricht, wenn u. a. Rücksicht genommen wird auf die religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen der Eltern, soweit sie sich auf dem Gebiet der Sexualität auswirken 90, keine Befreiung vom nach Geschlechtern ungetrennten Schwimmunterricht für muslimische Schülerin 91 . Die Freie und Hansestadt Hamburg stellt sich gegen jede Durchbrechung oder „Durchlöcherung“ der allgemeinen Schulpflicht an staatlichen Schulen lediglich aus allgemeinen religiösen Überzeugungen. Hierin folgen die drei islamischen Religionsgemeinschaften in Art. 4 Abs. 2 Islam - Vertrag. Weiter wird auf „der umfassenden Teilnahme am Unterricht staatlicher Schulen“ bestanden. Diese Festlegungen binden zunächst in der Horizontalen die Vertragschließenden, Fragen und Antworten, und mit Verkündung des Zustimmungsgesetzes zum Islam - Vertrag auch die muslimischen Bürger selbst. Ihnen steht jedoch nach wie vor das Abwehrrecht des Art. 4 Grundgesetz gegenüber dem Staat zu (auf die Geltung der Grundrechte kann nicht verzichtet werden, vgl. Art. 2 Abs. 2 Islam - Vertrag selbst). Die Situation ist folgende: Kein muslimischer Schüler kann nur deswegen, weil ihm oder seinen Eltern aus religiösen Überlegungen die „ganze Richtung“ nicht passt, dem Schulunterricht fernbleiben. Unbeschadet dessen, kann es im Einzelfall zu schwersten Konflikten kommen, die zur Wahrung der Religionsfreiheit nur durch ein vorübergehendes Fernbleiben vom inkriminierenden Unterricht gelöst werden kann 92 .
10. Gleichberechtigung
Nach dem Regierungswechsel in Hamburg 2011 von der CDU zur SPD spielt in den Verhandlungen eine hervorragende Rolle die von staatlicher Seite geforderte Anerkennung der gleichberechtigten Stellung der Frau im deutschen Rechtsleben, Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz, durch die islamischen Dachverbände auch als Respektierung der Würde der Frau. Dies zu konzedieren kamen die Dachverbände nicht umhin, jedoch mit der komplementären Forderung, auch die Entscheidung muslimischer Frauen, für ihre Art zu leben und sich zu kleiden, zu akzeptieren 93. Dass mit dem Vertrag explizit und gleich mehrfach die Gleichstellung der Geschlechter aufgeführt ist, hat zu einem Gatter von vertraglichen Bindungen geführt (Art. 1 Abs. 1 und wiederholend in Abs.2, Art. 2 Abs. 1 und präzisierend für „Frauen und Mädchen“ Art. 2 Abs. 2 nebst Protokollerklärung zu Art. 2 Abs. 2 Islam - Vertrag), wie sie heutzutage von anderen Religionsgemeinschaften nicht abverlangt worden sind.
Intern kontrovers diskutiert werden dürfte auch die Vertragsklausel des Art. 2 (Gemeinsame Wertegrundlagen) Abs. 1 S. 2, in der die muslimischen Verbände sich zur „Ächtung von Gewalt und Diskriminierung aufgrund von Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung“, verpflichten. Letzterer Punkt dürfte in vielen Gemeinden auf große Ablehnung stoßen. Laut Koran gilt Homosexualität als Schande, die mit dem Tod bestraft werden müsse. Soweit mit dieser Vertragsgestaltung auch das Innenleben der Moscheegemeinden beabsichtigt ist, wäre dies ein Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaft aus Art. 137 Abs. 3 WRV, ähnlich dem bei der jüdischen Gemeinde, die ihre Haushaltsrechnung dem Staat vorlegen muss 94 .
Bei der Abfassung des sehr weit gefassten Art. 2 Abs. 1 S. 2 Islam - Vertrag („Ächtung von Gewalt…aufgrund von…religiöser Anschauungen“) konnten die Vertragsparteien noch nicht das Aufsehen erregende Urteil des Landgerichts (LG) Köln vom 7. Mai 2012 95 berücksichtigen, wonach die Beschneidung eines vierjährigen Jungen eine Körperverletzung ist. Einer irgendwie in den Vertragstext während der parlamentarischen Beratung einzubringenden „Klarstellung“ bedarf es allerdings nicht und wäre auch gegenstandslos, da das tangierte Strafrecht zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes und nicht der Länder gehört. Die Beschneidung von Jungen ist als schmerzhafter und irreparabler Eingriff in die physische Integrität eines Menschen zwar tatbestandlich eine strafbaren Körperverletzung, jedoch durch das Grundrecht der Religionsfreiheit Art. 4 Grundgesetz, wahrgenommen durch die Eltern gemäß Art. 6 Grundgesetz, gerechtfertigt.
Eine ebenfalls sehr weitgehende und an die Beschränkungen der Religionsgemeinschaften unter dem Regime Staatskirchenhoheit des 19. Jahrhunderts erinnernde Regelung ist die „vollständige Geltung und Achtung der staatlichen Gesetze“ 96, Art. 1 Abs. 2 S. 2 Islam - Vertrag, in Verbindung mit der Vereinbarung „auf entgegenstehende Äußerungen verzichten“ zu müssen. Dies ist ein Verstoß gegen die in Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz garantierte Meinungsäußerungsfreiheit 97 , nach der auch bestehende Gesetzt (z. B. die zur Abtreibung) kritisiert werden können mit dem Ziel, sie zu ändern oder ganz abzuschaffen. Auf der anderen Seite bekennt sich (auch) die Freie und Hansestadt (selbstverständlich) zur Geltung der Grundrecht in Art. 2 Abs. 1 S. 1 Islam - Vertrag.
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