Katrin Höfer

FritzGlock


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vorhandenen Särge. Ab diesem Moment stand für uns fest: Särge wurden aus dem Programm der Tischlerei verbannt!

      Das war auch der Moment, in dem mein Mann entschied, auch keine Türen mehr zu bauen. 114 Mark kostete eine richtig gute Tür damals, viel zu wenig im Vergleich zum Aufwand. Verkaufspreise waren alle staatlich vorgegeben, daran hatte man sich zu halten. Jederzeit musste man mit staatlichen Überprüfungen rechnen.

      Keine Särge und keine Türen mehr, fertig! Das gab Ärger mit der Obrigkeit, dem »Rat des Bezirkes« gefiel das gar nicht.

      Es war wirklich eine schwierige Zeit, man musste erfinderisch sein. Maschinen zur Fensterproduktion gab es nicht. Die hat Fritz von einem befreundeten Maschinenbauer, einem Werkzeugmacher, bauen lassen.

      Material war ebenfalls Mangelware. 25-Kilo-Kübel mit Kitt holte er mit der Bahn aus Gera. Einmal im Monat fuhren wir zur Genossenschaft nach Gera, da lag dann so ein winziges Häuflein, die offizielle Zuteilung. Material durften wir auch nur für ein Jahr haben, das war ebenfalls vorgeschrieben.

      Und dann waren wir endlich Besitzer unseres ersten Autos, eines Wartburgs. Das Geld dazu hatten wir von den Eltern geborgt: 8000 Mark mit Zinsen. Wenn man das Gefährt überhaupt Auto nennen konnte: Vier Räder hatte der Wagen, sonst war fast alles kaputt. Wir haben ihn dann erst einmal für ein weiteres kleines Vermögen schön herrichten lassen.

      .

Fenster Geschichten

      Meine Wurzeln (1976 – 1984)

      Katrin Höfer

      Im April 1968 wurde ich, Katrin Monika Glock, geboren. Meine Mutter, die bis dahin noch als Verkäuferin tätig gewesen war, kündigte ihren Job und arbeitete ab sofort in der Werkstatt meines Vaters mit. Lohn durfte sie dafür keinen bekommen, sie war ab nun »mithelfende Ehefrau«, so nannte man das.

      Mein Vater konnte sie krankenversichern, jedoch nur mit einem minimalen Teil. Mit drei Mark zusätzlich konnte sie sich für die Rente versichern. Tja, das DDR-Regime hat dafür gesorgt, dass es den Selbständigen ja nicht zu gut ging! Bis heute hat das weitreichende Folgen: Die »mithelfenden Ehefrauen« von damals beziehen heute nur eine Mindestrente, obwohl sie doch jahre- und jahrzehntelang Vollzeit gearbeitet haben.

      Meine Eltern waren ehrgeizig, haben sich nicht abschrecken lassen, wollten vorwärts kommen, haben hart gearbeitet. Das erklärt die vielen Bilder in meinem Kinderalbum, bei denen ich im Laufgitter stehe: im Garten bei meiner Oma, wenn sie Heu machte. Oder ganz unkompliziert vorm großen Eingangstor der Werkstatt, damit mich meine ­Eltern im Blick hatten. Meine Mutter erzählte mir später, dass Verwandte, die mich da stehen sahen, sagten: »Das arme Kind!« Aber meine Mutter hatte eben nicht so viel Zeit, und so blieb ihr nur das schlechte Gewissen. Das musste sie aber nicht haben, denn ich war glücklich, so, wie es war.

      Und meine liebe Oma Elli gab es ja auch noch, sie wohnte auf ­unserem Hof im Nebenhaus. Sie war für mich der Inbegriff von Gutmütigkeit, hatte immer ein Lächeln im Gesicht. Ich sehe sie noch genau vor mir, mit ihrem Kopftuch, unter dem sie ihre langen, grauen Haare zu einem Dutt drapiert hatte, und der um den Bauch gebundenen Schürze.

      Manchmal, wenn meine Eltern in den Gasthof schräg gegenüber tanzen gingen, durfte ich bei ihr schlafen. In ihrem Schlafzimmer unterm Dach gab es einen großen weißen, schweren Holzkleiderschrank, den mein Opa gebaut hatte, mit einem schönen Spiegel in der Mitte und handgeschnitzten Einfassungen. Und es gab ein riesiges weißes Holzbett mit kuschligen Kissen und einer himmelblauen Rüschendecke darüber. Die hatte sie selbst genäht und die farblich passenden Wolkengardinen gleich noch dazu.

      Sie hatte immer großen Spaß, wenn ich bei Familienfeiern auf den Couchtisch stieg, das Springseil als Mikro zur Hand nahm und hinein­sang, Geschichten vortrug oder Leute aus dem Dorf parodierte.

      »Ach, mach doch noch mal Christens Fritze, den Gastwirt!«, hieß es dann immer. Ins vorgetäuschte Bier hustend und vorgebückt humpelnd tat ich ihr den Gefallen, und sie lachte sich dabei fast tot. Sie war fest davon überzeugt, dass aus mir mal »eine Chansonette werden« würde. Da hat sie sich aber gründlich getäuscht – zumindest bis jetzt …

      Wir Kinder vom Dorf waren viel draußen unterwegs, Staudamm bauen am Erlbach und stundenlang Schlitten fahren im Winter auf dem Berg am Sportplatz, bis es dunkel wurde. Oder ich spielte mit meinem Cousin Uwe Räuber und Gendarm im großen Garten seiner Eltern. Wer hätte damals gedacht, dass Uwe später einmal mit bei FritzGlock einsteigen würde?

      Uns brauchte niemand zu chauffieren, der Kindergarten war zu

       Fuß zu erreichen, und zu den Freunden kam man bequem mit dem Fahrrad. Unsere Tischlerei war für mich ein großer Spielplatz. An der Breitbandschleifmaschine konnte man prima Rolle rückwärts und vorwärts üben. Die Berufsgenossenschaft hätte heutzutage ihre wahre Freude daran …

      In Erinnerung geblieben sind mir vor allem die Shoppingtouren

       mit meinem Vater, ich bin immer gern mit ihm mitgefahren. Bevor es losging, band er sich immer eine frisch gewaschene, blaue Tischlerschürze um. Ich durfte in seinem 311-er Wartburg jedes Mal vorn sitzen, darauf war ich besonders stolz. Und dann ging’s los, ins Glaslager nach Jena und zum Holzholen nach Langenorla.

      Unvergessen sind auch die Einkäufe in der ELG, der Einkaufs- und Liefergenossenschaft in Gera. Dort gab es, wenn man Glück hatte, Fensterbeschläge. Dieser eigenartige Geruch, eine Mischung aus Metall und Bohnerwachs, hängt mir heute noch in der Nase. Ringsum standen hohe Regale aus dunklem Holz, die es mir angetan hatten. Und es gab einen großen Verkaufstresen, über den ich, wenn ich auf Zehenspitzen stand, gerade meine Nase recken konnte. Und über den gegen etwas Schmiergeld auch tatsächlich Beschläge den Besitzer wechselten.

      Aber warum in aller Welt hatten die Verkäufer immer so unschöne, graue Kittel an?

      Sonntags gingen wir immer ins Kirchtal spazieren. Mein Vater trug einen Anzug mit Krawatte, meine Mutter ein Kostüm! Es wurde sich richtig fein herausgeputzt, steckten beide doch die ganze Woche im Spänestaub.

      Den Sommer verbrachten wir jedes Jahr an der Ostsee, auf einem Campingplatz direkt am Meer. Offiziell gab es keine Ferienplätze für selbständige Unternehmer; Handwerker waren ein Dorn im Auge der DDR. Da wurde sich eben selbst etwas gesucht, und so kamen wir zum Campen.

      Ein kunterbunt gestaltetes Schild, bei dem ich meiner kindlichen künstlerischen Ader freien Lauf lassen durfte, kündigte an der Werkstatt unsere dreiwöchige Abwesenheit an: »Wir haben Urlaub. Vom … bis …« Jedes Jahr drei Wochen: endlich Freiheit, frische Luft und keine Zwänge. Hauptsache, man war zum Essen da.

      Ich war den ganzen Tag unterwegs mit Freunden, Kinder gab es ja genug. Ein Fußballplatz war vorhanden, ein Kinozelt, ein Konsum, in dem wir unsere Lebensmittel erstanden, dazu ein Lädchen mit Schmuck und allerlei Krimskrams. Dort gab es alles, was die Herzen kleiner Mädchen höher schlagen ließ. Ich drückte mir oft die Nase am kleinen Schaufenster platt, denn jeden Abend hatte die Inhaberin die Auslagen gewechselt. Dort wurde mein Feriengeld von Oma Elli für Steinmännchen, Bernsteinarmbänder und allerlei Schnickschnack umgesetzt.

      Wir fuhren viele Jahre mit dem Zelt dorthin, später, nach einem Jahr, in dem es glatte drei Wochen durchgeregnet hatte, mit dem Wohnwagen, einem Bastei. Mein Vater ließ ihn in der Wagenfarbe des Wartburgs lackieren, beige, mit braunem Streifen. Beige und braun waren auch die Farben des ersten Firmenlogos unserer Firma. War das cool!

      Bei uns wurde immer viel gelacht. Wenn überhaupt mal ein ernster Ton angeschlagen wurde, dann war das meiner Mutter zu verdanken. Irgendjemand musste ja auch mal durchgreifen!

      Meine Mutter war auch für meine Erziehung zuständig und bereitete mich optimal aufs Leben vor. Kochen, backen, putzen, nähen, stricken, sticken, alles brachte sie mir bei!

      Um halb neun wurde bei uns am Wochenende gefrühstückt, und vorher war ich Brötchen holen. Kümmelbrötchen. Immer!

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