Ines Vasku

"Und ich lebe noch!!°


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Druck war hier bereits besonders enorm für mich, denn zu den schulischen Problemen kamen, wie bereits erwähnt, ständig irgendwelche Krankheiten dazu.

      Ich musste immer wieder ins Krankenhaus und hatte speziell in dieser Zeit auch noch mit dem Kindheitsasthma zu kämpfen. Anfangs waren die Behandlungserfolge nicht sehr gut und der ständige Einsatz von Kortison verursachte ziemlich schnell eine Abhängigkeit. Ich brauchte das Medikament, sobald die Wirkung nachgelassen hatte.

      Meine Eltern entschieden sich damals dafür, die Kinesiologie auszuprobieren. Unser damaliger Hausarzt war jedoch dagegen, aber als er die sensationellen Erfolge sah, war er ebenfalls äußerst überrascht. Schließlich war er sogar verärgert darüber, dass diese Behandlungsform, trotz der Fortschritte die sie mit sich brachte, nicht von der Krankenkasse mitfinanziert, sondern lieber in Kortison-Behandlungen investiert wurde. Bereits damals haben mein Vater und meine Mutter ausnehmend viel Geld in Therapien gesteckt.

      All diese Umstände raubten mir viel Zeit für die Schule und ich bekam eine Stützlehrerin, die zusätzlich und sehr oft nur alleine mit mir gelernt hat, aber dadurch fühlte ich mich natürlich auch oft ausgegrenzt. So musste ich diverse Diktate separat mit der Direktorin machen und das ist keine einfache Situation für ein kleines Kind.

      Allgemein ist es mir oft so ergangen, dass ich mich unverstanden gefühlt habe, weil ich gewisse Dinge einfach nicht so gut oder gar nicht konnte. Manchmal ist es mir so vorgekommen, als würde man mehr von mir verlangen als überhaupt möglich war und gewesen wäre. Das war extrem entmutigend und hat mich nicht motiviert sondern unglaublich demotiviert.

      Ich will nicht sagen, dass sich meine Lehrerin nicht bemüht hätte, aber ich denke doch, dass sie auf diese Situation mit mir nicht vorbereitet war und schlicht zu wenig Erfahrung hatte.

      Es gab auch Momente, wo ich sie aus ganz anderer Sicht erleben durfte, so mussten wir eines Tages einen Feueralarm proben. Da ich auf keinen Fall so schnell laufen konnte, hat sie mich kurzerhand aus dem Schulgebäude getragen.

      Es gibt hier auch ein paar Erinnerungen, die so normal sind wie bei anderen, gesunden Kindern auch.

      Liebes Tagebuch,

      heute war es sehr aufregend in der Schule. Ich habe mit einer Klassenkameradin in den Sachen meiner Lehrerin herum geschnüffelt. Wir hatten ja einen Test. Und wir waren uns sicher, dass die Ergebnisse schon dabei sind. Leider haben wir die Sachen falsch zurückgelegt und sie hats bemerkt. Was für ein Schreck. Wir wurden stundenlang verhört, mindestens 2 Stunden. Es war furchtbar. Wir wollten ja wirklich standhaft bleiben, aber dann sind wir doch eingeknickt und haben alles zugegeben. Obwohl wir geständig waren, haben wir trotzdem eine gewaltige Schimpferei zu hören bekommen. Ich verspreche, ich mach das nieee wieder!

      Hallo Tagebuch,

      ich muss dir was erzählen. Ich hatte einen wirklich schönen Tag! Heute war Faschingsfest in der Schule. Ich liebe diese Feste. Da gibt es wirklich viele Süßigkeiten, die sind so lecker. Ich war selbst auch verkleidet - du errätst nie, wer ich war!!!

      Harry Potter, du weißt ja, dass ich ein Fan bin! Und es war so lustig heute!

      Diese Erinnerungen zeigen, dass auch ich ein normales kleines Mädchen war, nur eben mit einem kranken Körper. Ich wollte genauso meinen Spaß haben, wie alle anderen auch.

      Im Gegensatz zu mir waren meine Geschwister körperlich relativ fit, sie hatten keine weiteren Folgeschäden durch die Frühgeburt davongetragen.

      Wir besuchten auch gemeinsam die Volksschule und waren zu Beginn immer zu Dritt unterwegs. Nach und nach entwickelte sich aber jeder in seine eigene Richtung. Schulisch gesehen war mein Bruder Christopher auch nicht so herausragend, aber er konnte sich immer irgendwie durchschlagen. Meine Schwester Christina war zwar sehr intelligent, aber leider auch zu faul zum Lernen.

      Bereits damals in der Volksschule kam ich mit dem Thema Mobbing in Berührung. Mein Kumpel MOBBING wollte mich auch leider nicht mehr verlassen, genauer gesagt ist er sogar mit mir mit gewachsen.

      Dass man mir den Sessel unter meinem Hintern wegzog, war neben Anfeindungen, Beleidigungen und Beschimpfungen nur eines der Übel.

      Ich hatte damals nur eine wirklich gute Freundin gemeinsam mit meiner Schwester Christina. Theresa war immer mit uns unterwegs, sie war ständig bei uns, auch zuhause, sodass sie fast schon ein Familienmitglied war. Die Zeit war so schön und daran denke ich gerne zurück.

      Trauriger weise musste ich später feststellen, dass sich Menschen grundlegend ändern können.

      Rückblickend auf die Volksschulzeit muss ich trotz allem sagen, dass diese Zeit noch um ein Vielfaches unbeschwerter war als es die Hauptschulzeit je werden sollte.

      Hauptschulzeit

      Zu Beginn der Hauptschulzeit hatte ich noch die Hoffnung, dass ein Schulwechsel und gleichzeitiger Ortswechsel, alles besser machen würde.

      Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich das Gebäude meiner damaligen Privathauptschule zum ersten Mal sah. Von Anfang an hinterließ es einen drückenden und finsteren Eindruck.

      Hätte ich damals schon gewusst, dass auch die Jahre so finster wie das Objekt werden sollten, hätte ich, zumindest so gut es eben für meine Verhältnisse möglich gewesen wäre, die Flucht angetreten.

      Schon beim ersten Gespräch mit der Direktorin, ob denn ein Kind mit Behinderung hier zur Schule gehen dürfe, lag nicht unbedingt Harmonie in der Luft.

      Zumindest wurde die Zusage getätigt, dass man Rücksicht nehmen würde und jeder wusste, dass ich mit vielen Krankheiten zu kämpfen hatte.

      Die Rücksichtnahme war schon bald vergessen und krankheitsbedingte Ausfälle wurden ständig und wiederholt vorgehalten.

      Stimmen wurden sogar laut, dass die Schulzeit wegen meiner vielen Fehlstunden gar nicht angerechnet werden sollte. Obwohl ich mich bemühte, stets alle Tests und Schularbeiten so gut wie möglich nachzuholen, manchmal sogar mit zwei Prüfungen an einem Tag, meinten ein paar Lehrer, meine Noten wären nicht bewertbar.

      Mein Klassenvorstand zu Beginn war ein sehr junger Lehrer, damals sogar Österreichs jüngster Lehrer. Mit ihm habe ich einige Hochs und Tiefs erlebt. Einerseits war er sehr nett und bemüht, andererseits hat er mir teils Dinge an den Kopf geworfen, die für mich unverständlich waren und gleichzeitig das Gefühl erzeugten, ich sei eine Last und anstrengend für ihn.

      So zum Beispiel kassierte ich eine Rüge, weil angeblich nur wegen mir eine eigene Konferenz abgehalten werden musste. All diese Anschuldigungen machten sich dann ebenfalls wieder körperlich sichtbar.

      Dann gab es wieder Phasen, vor allem als mein Tochter-Mutter-Verhältnis nicht so gut war. In dieser Zeit unterstützte er mich einfühlsam.

      Außerdem kann ich mich noch sehr gut an einen lustigen Tag auf der Landschulwoche erinnern.

      Liebes Tagebuch,

      Die Landschulwoche ist bis jetzt ganz nett, es ist schön hier. Heute wars besonders lustig. Alle Kinder waren unterwegs, nur Christina, eine Schulkollegin und ich sind in der Hütte geblieben. Die zwei anderen Mädels haben sich verletzt und darum ist auch der Lehrer dageblieben. Wir hatten eine Menge Spaß, unser Lehrer hat mit uns Gstanzl gesungen - über jeden Schüler einen eigenen Text. Das war echt zum Zerkugeln.

      Außerdem haben wir abends ein Spiel gespielt, das unsere Klassengemeinschaft stärken soll. Dazu haben wir ein Luftballon-Bett gebaut. Und weil ich schon so müde war, habe ich mich darauf gelegt. Irgendwann bin ich dann eingeschlafen - aber ich weiß, dass mich der Lehrer zugedeckt hat. Finde ich total nett von ihm, richtig fürsorglich.

      Ich vermute, dass sehr viele Menschen einen Zwiespalt mit sich selbst haben. Einerseits sind sie von Mitleid befallen und versuchen zu helfen, andererseits ist ihnen der Umgang mit mir vielleicht zu anstrengend und überfordernd?

      Es wirkt oft so, dass Menschen, die mir zu nahe kommen und sich mit einer Situation wie meiner auseinandersetzen müssten, ganz schnell wieder Abstand suchen und nehmen.