Ханс Фаллада

Die Stunde, eh' du schlafen gehst


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Hensel! ’n Abend, Meindorff!« sagte Babendererde. »Darf ich mich ransetzen?«

      »Wenn Sie können!« antwortete Hensel. »Julius, bring einen Stuhl für Herrn Babendererde!«

      »Laß nur, Julius!« rief der Schauspieler. »Den Stuhl besorg’ ich mir lieber selbst, sonst stehe ich noch morgen früh. Bring mir lieber ein Bier, Pilsener sagen wir …«

      »Was soll ich nun bringen?« fragte Julius. »Bier oder einen Stuhl?«

      »Ich sage es dir zum zweiten Mal: Ein Bier, du echter Sohn des Bacchus!« Und Babendererde machte sich auf die Suche nach einem freien Stuhl. Er fand ihn, nur von einem Handtäschchen belegt, neben seiner Kollegin Marielen. Einen Augenblick sahen die beiden sich an. Dann sagte Babendererde und faßte den Stuhl an der Lehne: »Ist doch frei, Marielen?«

      »Tut mir leid, Babendererde«, antwortete die Marielen und hielt den Stuhl am Bein, »ich erwarte noch jemanden.«

      »Bis dahin werde ich mir erlauben, den Stuhl zu benutzen.« Und Babendererde zog stärker.

      »Hast du wieder Kräfte?« fragte die Marielen sehr süß und hielt den Stuhl fester. »Als du vorhin in mein Fenster steigen wolltest, sah es schwach damit aus, wie?«

      »Auch bei Kießling gibt es Eier«, sagte Babendererde halblaut. »Wie wäre es, wenn ich dich jetzt ein bißchen mit Eiern eindeckte, Marielen?«

      »Die Rache des Steckengebliebenen, nicht wahr?« lächelte sie. »Irgendwer von der Presse wird schon im Lokal sein, um davon zu berichten.«

      »Komm, Schatz«, sagte Babendererde und löste unwiderstehlich die Hand der Marielen vom Stuhlbein. »Ein Sieg für den Abend muß dir genügen. Oder willst du mit mir zu Hensel und doch noch einmal versuchen, eine Filmrolle zu kriegen? Das wäre ein Sieg, Marielen! Besser noch als ein faules Ei!«

      Die Marielen wurde blaß, aber sie bezwang sich.

      »Danke!« sagte sie kühl. »Film ist mehr was für Schauspieler, die umschmeißen, nicht wahr? Eine Filmszene kann immer noch mal gedreht werden – wenn man aber vor zwölfhundert Menschen umgeschmissen hat, ist das peinlich, was, Babendererde?«

      Sie sah ihn mit zornfunkelnden Augen an, und jetzt war die Reihe zu erblassen an Babendererde. Er beugte sich ganz nahe zu der Schauspielerin.

      »Wir haben noch eine Rechnung miteinander, Marielen!« flüsterte er ihr ins Gesicht.

      »Hast du jetzt mit Rechnungen zu tun? Du willst also Buchhalter werden?« fragte die Marielen zurück und wich und wankte nicht. »Sicher sehr richtig von dir, da’s mit der Schauspielerei nicht mehr geht.« Sie lächelte jetzt wieder. »Aber wenn ich auch nicht so gut wie du rechnen kann, Babendererde, ich zahl’ dir deinen Dünkel noch mal heim, wenn du am wenigsten daran denkst.«

      »Vorläufig danke ich dir herzlich für deinen Stuhl«, antwortete Babendererde und richtete sich auf. »Habe ich dir übrigens schon erzählt, daß ich eine wirklich große Schauspielerin entdeckt habe? Ich mache jetzt Kontrakt mit Hensel für ihren ersten Film. Singen kann die! Und jung ist sie! Wirklich jung – erinnerst du dich noch daran, wie das war, Marielen? In der nächsten Spielzeit wird sie meine Partnerin.«

      Damit nickte er ihr freundlich zu, jetzt ganz sicher, sich voll gerächt zu haben.

      Hensel und Meindorff saßen noch immer mit gesenkten Köpfen zusammen, als hätten sie nicht einen Augenblick hochgesehen. Aber Meindorff fragte doch gleich mit der unersättlichen Neugier der Theatermenschen: »Hast du was mit der Marielen, Babendererde?«

      »Nichts!« antwortete der Schauspieler. »Ist schon alles wieder glatt. Wir haben uns eben verglichen.«

      »Ist es denn wahr«, wurde er weiter gefragt, »daß sie dir einen Possen gespielt hat und daß du heute abend umgeschmissen hast?«

      »Das erzählt sie wohl allen Leuten? Kein Wort davon ist wahr! Ich habe mich ein bißchen erkältet, plötzlich konnte ich nicht singen, das ist alles!« Und müde dieses fruchtlosen Geschwätzes: »Haben Sie gehört, Hensel? Ich habe einen Knödel im Halse, ich kann morgen unmöglich filmen. Und die nächsten Tage auch nicht!«

      Einen Augenblick herrschte ein recht betretenes Stillschweigen. Dann sagte Meindorff begütigend. »Nun, nun, Babendererde, so tragisch darfst du es auch nicht nehmen! Wir wissen alle, die Marielen ist ein Biest …«

      »Ich habe dir doch schon eben gesagt, Meindorff«, rief Babendererde wütend, »daß die Marielen nichts mit der Sache zu tun hat! Ich habe einen Luftröhrenkatarrh …«

      »Ich an deiner Stelle«, meinte Meindorff ungerührt, »würde heute einmal zeitig ins Bett gehen und mich gründlich ausschlafen. Morgen früh nimmst du dann auf nüchternen Magen ein paar rohe Eier …«

      »Der Teufel hole die rohen Eier!« rief Babendererde, dem seit heute abend schon das Wort Ei unausstehlich war. »Ich …«

      »Einmal Rührei mit Bratkartoffeln!« ließ sich die Stimme des Kellners Julius vernehmen. »Für Sie, nicht wahr, Herr Babendererde, das stimmt doch?« Er sah mit halboffenem Mund, ungewiß lächelnd, von einem zum anderen.

      »Wer …«, fragte Babendererde, zitternd vor Wut, und hatte den Arm des Kellners mit der Rühreischüssel gefaßt, »wer hat Ihnen gesagt, Sie sollten mir Rührei bringen? Die Marielen, was?«

      »Setzen Sie sich jetzt hin, Babendererde!« unterbrach Hensel gebieterisch. »Regen Sie sich nicht so auf! Sie kennen doch unseren trottelhaften Julius. Nicht wahr, Julius, du bist ein Trottel?«

      »Manche von den Gästen sagen es«, antwortete Julius, stolz lächelnd. »Manche meinen aber auch, ich tu’ nur so und bin extraschlau. Und das muß wahr sein: ich habe mich noch nie zu meinen Ungunsten verrechnet. Immer nur zu meinen Gunsten!«

      »Ab mit dir, Julius!« befahl Hensel. »Und bringe endlich das Bier! Du kannst gleich drei bringen.«

      »Und was mache ich mit dem Rührei?« fragte Julius unentschlossen.

      »Iß es selber und schreib’s mir auf die Rechnung! Und nun bring uns wirklich was zu trinken!«

      »Sofort!« erwiderte Julius strahlend. »Und ich dank’ auch schön für das Rührei. Ich werd’s gleich essen, solange es noch warm ist.«

      »Von dem bekommen wir nie unser Bier«, meinte der Regisseur. »Ich werde selbst was von der Theke holen.« Und er verschwand.

      Einen Augenblick sahen sich Produktionschef und Schauspieler schweigend an. Dann fragte Babendererde ungeduldig: »Also, wie ist es mit meinem Urlaub, Hensel? Sie sehen selbst, ich bin ein bißchen parterre.«

      »Es ist Ihnen also Ernst damit?« fragte Hensel. »Aber Sie wissen doch selbst, Babendererde, es ist ganz unmöglich! Wir müssen in spätestens vierzehn Tagen mit den Aufnahmen fertig sein, sonst kriege ich eins auf den Deckel. Außerdem ist das Atelier hinterher gar nicht frei.«

      »Ich kann aber nicht filmen«, sagte Babendererde hartnäckig.

      Hensel versuchte es mit Überredung und Schmeichelei. »Hören Sie, Gerd, Sie werden mich doch nicht sitzenlassen? Sie wissen, der Film muß fertig werden! Von mir aus gäbe ich Ihnen gern vier Wochen Urlaub. Ich seh’ ja ein, daß Sie überarbeitet sind! Aber reißen Sie sich noch einmal zusammen, Babendererde! Ich will sehen, daß ich Ihre Aufnahmen auf die nächsten sechs Tage zusammendränge; wenn’s geht, auch auf fünf! Sie haben noch nie einen Menschen im Stich gelassen, Babendererde, dafür sind Sie doch bekannt! Sie sind der zuverlässigste Mensch im ganzen Film!«

      Aber Babendererde blieb düster, keiner Schmeichelei war er zugänglich.

      »Ich kann nicht singen, und ich kann auch nicht mehr spielen«, murmelte er. »Mir ist da etwas passiert …«

      »Ach, denken Sie doch nicht mehr an heute abend! So was kann jedem mal passieren! Das machen Sie morgen dreimal gut! Sie werden der Marielen doch nicht den Gefallen tun und schlappmachen?!«

      »Was Sie nur immer mit der Marielen haben! Die Marielen hat gar nichts damit zu tun,