stand der Junge da. Er war sich seiner Schuld bewusst, und da er die Scharte gern auswetzen wollte, schlug er Smutje rasch vor:
„Ich kann ja sofort was anderes kochen.“
„Dazu hast du leider keine Zeit mehr, mein Junge“, erklärte der Koch mit einem unheilvollen Grollen in der Stimme. “Denn zunächst werde ich dir das Schmökern in der Kombüse ein für alle Mal gründlich versalzen.“
Ohne lange zu fackeln, packte er den Schiffsjungen mit seinen groben Fäusten und legte ihn übers Knie.
„Au…! Au…! Au…!“, jammerte Pietje. Um Smutje davon abzuhalten, noch fester zuzuschlagen, schrie er lauter, als es nötig war.
Ein Teufelskerl, dieser Pietje
Tja, während also Smutje dem Schiffsjungen den Hosenboden ordentlich stramm zog, stand ich neben dem Steuermann auf Deck und schaute besorgt aufs Meer. Der Wind pfiff mir um die Nase, und manchmal schlug ein Brecher gegen die Bordwand und bespritzte uns. Dann ächzte das Schiff in sämtlichen Fugen.
Der Steuermann, den so leicht nichts aus seiner Walrossruhe brachte, schob den Priem von der linken Backe zur rechten hinüber. Er zog die Augenbrauen zusammen, als er auf die See hinausblickte, und brummte:
„Mir gefällt das Wetter nicht, Käpten.“
„Mir auch nicht, Steuermann“, antwortete ich. „Der Nebel wird immer dichter und die See unruhiger.“
„Und ausgerechnet jetzt segeln wir hier auf der Höhe der Hölleninseln!“
„Nach dem Kompass hier – ja…! Aber irgendwie wird das Schiff nach Luv gezogen. Dabei müssten wir doch mit dem Wind eigentlich nach Lee abgetrieben werden“, antwortete der Steuermann.
Ich warf einen Blick auf die Kompassnadel und brummte:
„Das ist nur Einbildung. Wenn der Kompass stimmt, dann haben wir auch den richtigen Kurs.“
„Im Allgemeinen ja, Käpten. Aber wie Sie wissen, spukt es hier bei den Hölleninseln.“
Es sah so aus, als zöge der Steuermann vor Angst den Kopf in die Schultern, als er das sagte. So kannte ich ihn gar nicht, und um seine Wahnvorstellungen zu zerstreuen, erklärte ich leichthin:
„Ich bin schon mehr als zwanzigmal hier vorbeigesegelt, ohne auch nur den geringsten Spuk bemerkt zu haben.“
„Dann haben Sie Glück gehabt, Käpten“, erwiderte er noch beunruhigter als zuvor. „Denn hier zwischen den Hölleninseln haust doch das gefährlichste Ungeheuer. Teufelsrachen heißt es, weil es ein solches Riesenmaul hat, dass es ein Schiff mit Mann und Maus verschlingen kann!“
Er schien vor Angst in sich selbst hineinkriechen zu wollen, als er nach Luv blickte, wo er den Teufelsrachen vermutete. Ich peilte ihn beiseite an und polterte los:
„Glaubst du wirklich an solche Märchen, Steuermann?“
„Das ist kein Märchen, Käpten, das können Sie mir glauben. Ein Freund von mir, der auch Steuermann ist, hat den Teufelsrachen sogar schon mal gesehen – mit eigenen Augen!“
„Und das Ungeheuer hat ihn nicht mit Haut und Haar verschlungen?“
„Nur mit größter Not ist er damals dem Tod entronnen.“
„Dann hat der Teufelsrachen vielleicht gerade keinen Hunger gehabt. Oder dein Freund ist so klapperdürr, dass sich das Ungeheuer gar nicht erst die Mühe gemacht hat, das Maul aufzusperren.“
„Das ist keine Sache zum Scherzen, Käpten!“, knurrte der Steuermann. „Wenn das der Teufelsrachen hört, wird er wütend. Und wenn er wütend wird, dann sind wir verloren!“
„Pass lieber auf dein Ruder auf! Unser Schiff dreht ja ganz nach Luv ab.“
„Das ist genau die Richtung, wo das Ungeheuer haust. Mit seinen Fangarmen zieht es uns auf sich zu!“
„Unsinn, Mann!“, rief ich ihm zu. „Du hast nur aus Angst vor dem Teufelsrachen nicht mehr die Kraft, das Steuerrad festzuhalten. Lass mich mal ran!“
Mit all meiner Kraft versuchte ich, das Steuer nach links hinüberzuwerfen – doch vergebens!
„Verdammt!“, ächzte ich. „Das Ruder muss gebrochen sein, oder es klemmt irgendwo.“
„Das Ruder ist in Ordnung, Käpten!“, schrie mir der Steuermann zu. „Der Teufelsrachen hat uns schon mit seinen Fangarmen gepackt!“
„Blödsinn, Steuermann, ruf lieber die anderen her! Ich kann das Ruder nicht allein halten.“
Da legte der Steuermann die Hände an den Mund und brüllte wie am Spieß:
„Alle Mann an Deck…! Höchste Gefahr…! Alarm…! Alarm…!“
Mit seinem ganzen Gewicht warf sich dann der Steuermann gleichfalls in die Speichen des Ruders. Aber obwohl wir uns aus Leibeskräften bemühten, gelang es uns nicht, das Rad nach backbord herumzureißen. Stattdessen trieben wir unaufhaltsam nach steuerbord hinüber wie in einem Wasserfall. Schon stürmte die Besatzung an Deck.
„Was ist los, Käpten?“, rief Smutje. „Warum drehen wir so stark ab?“
„Das Steuer klemmt. Stemm dich gegen die Speichen, Smutje, damit wir wieder geraden Kurs kriegen!“, befahl ich.
„Ich helfe auch mit!“, schrie Pietje. „Ein Mann mehr kann nichts schaden.“
„Pass nur auf, dass der Wind dich nicht wegbläst, du Dreikäsehoch!“, frotzelte ihn der Koch.
Aber wir waren doch froh, dass der Schiffsjunge keine Furcht zeigte und mit anpackte. Wir konnten jetzt jeden Mann brauchen – auch wenn er nur eine halbe Portion war.
Die übrigen Männer meiner „Fliegenden Möwe“ versuchten gleichfalls, eine Speiche des Steuerrads zu erwischen, um ihre ganze Kraft daran auszulassen. Und wer nicht mehr ans Ruder kam, warf sich über die Kameraden und drückte, schob und drehte mit. Das war ein Wirrwarr von Armen und Beinen! Keiner wusste mehr, was zu wem in dieser Traube von Menschenleibern gehörte.
Aber alle Mühe war vergebens! Unser Schiff lief aus dem Ruder. Wie von einem unheimlichen Sog angezogen, raste die Fliegende Möwe nach steuerbord.
In diesem Augenblick höchster Gefahr rief der Steuermann mit bebender Stimme:
„Der Teufelsrachen…! Vor uns der Teufelsrachen…!“
„Bist du verrückt, Kerl?“, tobte ich. „Du siehst ja Gespenster im Nebel!“
„Nein, Käpten, das ist wirklich das Ungeheuer!“
Bis jetzt hatte ich der Mannschaft nichts vom Teufelsrachen gesagt – aus gutem Grund! Wenn die Kerle auch sonst Tod und Teufel nicht fürchteten – vor einem Seeungeheuer rutschte ihnen doch das Herz in die Hose. Und da ich das wusste, hatte ich geschwiegen. Aber dieses Riesenwalross von einem Steuermann musste natürlich losbrüllen und der Mannschaft einen Schreck einjagen.
Entsetzt starrten die Leute in die Richtung, in die der Steuermann zeigte.
„Du hast Recht, Steuermann“, bestätigte ihm Smutje. „Oh, welch grässliches Biest!“
„Seht nur das Riesenmaul!“, fiel der Schiffsjunge ein.
„Wir sind verloren…!“
„Rette sich, wer kann…!“
So schrien die Matrosen durcheinander und flüchteten in wilder Hast aufs Achterdeck, als könnten sie so dem Unheil entrinnen.
„Haltet das Ruder fest, Leute!“, donnerte ich sie an. „Wir müssen dran vorbeikommen!“
Aber ich hatte in den Wind gesprochen. Sie waren schon Hals über Kopf davongestürzt bis auf den Steuermann, den Koch und den Schiffsjungen.
Der Steuermann allerdings war