Klaus Hoffmann - Reicker

Das Geheimnis des Walen


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noch nicht um die Gegenreformation in Böhmen. Es ging um die Position Sachsens in einem möglichen Glaubenskrieg.

      Vladislaw hob den Becher. Ihm war jetzt leichter. „Bruder Raffaelo,“ begann er deshalb wieder heiter, “ich sehe dich statt in kostbaren Gewändern des Vatikans in schmuckloser Mönchstracht? Statt in der Kutsche mit dem Wappen des heiligen Vaters kommst du auf einem weißen Esel wie der Heiland persönlich. Nimmst du es übel, daß wir dir keine Ölbaumzweige auf den Weg streuten. Aber ausgerechnet Ölbaumwedel sind hier nur schwer zu bekommen.“

      Was sollte ihm Querini darauf antworten, ohne sich in die Karten sehen zu lassen? Er sprach jetzt leise: „Vor wenigen Jahren habe ich ein Bistum ausgeschlagen, bedeutender vielleicht als deins. Bin einfacher Soldat in der Kompanie unseres Herrn geworden."

      "Kompanie", brummte der Bischof unwillig. "Kompanie Jesu? Väter der Kompanie. Was sollen daraus erst für ein Regiment Enkel werden?

      "Ja, einfacher Soldat der Kompanie Jesu", rief Querini mit einem Male etwas mißgestimmt. "Bruder Vladislaw, wie spielen täglich mit solchen Bistümern wie mit deinem, sogar mit Handelshäusern und regierenden Königen. So wie hier auf dem Brett. Auf unseren Befehl bezahlen die Fugger den spanischen Staatsbankrott, bis ihnen der kaufmännische Hochmut vergeht." Dabei nahm er nahm er den Kaiser, wog ihn in der Hand und fügte stolz hinzu: "Sieh dir meinen Ordensbruder Possevino an, der reist heute als Mönch, morgen als Ritter, bald als Bauer oder als Graf mit Degen und Hut. Hier kauft er Schwedens König Johann III. für ganze 200 000 Talerchen, und dort in England setzt er einen Jesuiten auf den Thron. In Polen hat er es sogar fertiggebracht, die jetzt wieder katholischen Wasa an die Macht zu bringen. Nun ist er dabei, einen falschen Demetrios auf den russischen Zarenstuhl zu setzen. Rußland wird endlich katholisch. Die Macht des Papstes reicht dann bis zum Stillen Ozean. Wir würfeln die Herrscher dieser Welt durcheinander, wie es der Papst befielt."

      "Ob das christlich ist, scheint noch nicht ganz klar zu sein. Warum aber befielt er dir einen weißen Esel? Das riecht ziemlich nach Armutsstreit, nach verbrannten Minoritenmönchen, nach Franz von Assisi, von dem man ja lange nicht genau wußte, ob er ein Ketzer oder ein Heiliger ist. Willst du am Ende gar Jesus spielen?"

      "Warum nicht? Die Übung habe ich durch unsere Schauspiele und Singkömödien erworben", antwortete Querini jetzt seinerseits spöttisch. " Nimm ein Beispiel, jene Singkomödie, die Maestro Orlando di Lasso Opera nennt, ist auch unsere Erfindung. Wir sind überall. Wir durchdringen alles, folglich auch den Gesang."

      " Doch nur solange, bis der Kaiser diesem Treiben einen Riegel vorschiebt. Und mir hast du die Partie des Kaiphas zugedacht? Ich bin weder Hoherpriester noch kann ich singen. Dafür aber stamme ich aus einem der mächtigsten Adelsgeschlechter Böhmens. Also etwas Vorsicht, sollte das möglich sein!“

      Querini lachte in sich hinein, der schlaue Böhme war ihm nun doch noch ins Schach gelaufen. Nun brauchte er ihn nur nicht entwischen lassen. "Zu Zeit schwanken einige Bischöfe, nicht nur du. Sieh dir den von Meißen an oder den von Köln. Sie wollen zu den Protestanten überlaufen wie die weltlichen Fürsten und glauben ihr Bistum mitnehmen zu können. Da ist so eine Verkleidung schon nützlich. Kutte und Esel sollen auch dich mahnen an Holzstoß, Eiserne Jungfrau, an Gift. Du verstehst doch Bischof, leise und unauffällig. Erst kürzlich haben wir einen Kapuzinerprior in der Lagune ersäuft wie eine Ratte. Für die Reinheit der Kirche ist uns jedes Mittel gerade human genug."

      " Tatsächlich, auch hier schwankt der Erzbischof von Köln", meinte der Bischof ungerührt und deutete dabei auf das Schachbrett. Ihm wurde heiß.

      "Gut", sagte Querini, jetzt seiner Sache sicher, "wir werden ihn stützen oder unauffällig verschwinden lassen."

      "Unauffällig, den Erzbischof? Glaube ich nicht!" Der Bischof hatte den Zug kommen sehen. Er lächelte leise und faßte den Schwedenkönig. " Matt! Angriff bleibt eben noch immer die beste Verteidigung, auch gegen Gift!" Er hatte Querini unterschätzt. Das war ein gerissener Geschäftsmann, bereit, mit Hilfe gewundener Formulierungen jedes Verbrechen zu rechtfertigen, wenn es in seiner Einbildung nur einem göttlichen Endziel diente. Er erinnerte sich: Die Menschen sollten eingetrichtert bekommen, daß die kirchliche Autorität unbedingt ist und die Unterordnung aller Stände bis zum Kaiser gottgewollt. Unter dieser Losung hatte Jesuitengeneral Petrus Canisius die Abtei Eichsfeld, die Abtei Fulda, das Bistum Würzburg, Österreich und Schlesien vollständig rekatholisiert.

      Querini richtete sich auf. Er begriff, daß er dem Bischof so nicht beikommen konnte. Auch auf dem Schachbrett war er ihm überlegen, aber nun wollte er ihm zeigen, wie man in Rom ohne Brett mit Bischöfen spielt. Er wechselte die Tonart, da Vladislaw mit ironischen Zwischentönen nicht zu beeindrucken war. "Der Heilige Vater hat mir folgende Botschaft an dich aufgetragen: die Lutheraner sind unsere Feinde, die Calvinisten und Böhmischen Brüder sind unsere Todfeinde. Deshalb müssen die Protestanten gespalten werden. Willige Lutheraner sind auf unsere Seite zu ziehen, störrische Fürsten dabei notfalls gegen Katholiken auswechseln. Deine Aufgabe ist es, auf das Bürgertum einzuwirken, damit es den verlorenen, häufig entarteten Samen des Heiligen Geistes wiederfindet, den es irgendwo verstreut hat. Mein treuer Freund Joseph Paßler wird dir dabei helfen. Die großen Reichsstädte sind jetzt die gefährlichen Zentren des freien Geistes geworden. Dort sitzt auch das Geld. Joseph berichtet, daß aus Prag und Leitmeritz Stimmen kommen, die uns vierhörnig nennen. Unserer geballten Kraft haben diese Ausgeburten der Hölle, diese elenden Ketzerschweine, nichts entgegenzusetzen.. Wir werden sie einzeln schlagen."

      "Pfui, welch barbarische Sprache", hielt der Bischof dagegen. "Bleibe lieber bei deiner Ironie, sonst klingt es fast wie bei Joseph Paßler. Du siehst das alles etwas zu einseitig und undiplomatisch. Du hast beispielsweise vergessen, daß der Kurie nur der Bischofsstuhl gehört. Grundbesitz und Schlösser hat mein Vater dem Kaiser abgekauft. Es ist Besitz der Lobkowitze. Aber das nur am Rande. Mögen die Theologen in Rom, Genf, Jena noch so streiten, über die Leibeigenschaft sind wir uns doch einig. Und eine neue Reformation würde sie aufheben. Bis dahin sind wir der Rahm, die übrigen die Milch oder Molke, und wer etwas anderes behauptet, der irrt einfach."

      Dem alten Zyniker kam er so nicht bei. Er kniff die Lippen zusammen. "Sprich über Kurfürst August von Sachsen!" befahl er fast wütend. "Schließlich warst du zur gleichen Zeit wie er am kaiserlichen Hof in Wien."

      Vladislaw schenkte zunächst Wein nach. Dann setzte er sich in Positur. Ganz mechanisch machte er die kleine Rochade. Den ersten Angriff hatte er gut überstanden, deshalb begann er fast heiter: "August ist klein, dick und jähzornig - ein Zweitgeborener, der stets denkt, er könne zu kurz kommen. Deshalb ist er auch ein Despot, der sich gern den Anstrich väterlicher Strenge gibt und das mit der Bibel begründet. An diesem Punkt ähnelt er deinem Stock Joseph. Sein höchstes Vergnügen ist jemanden zu schinden. Dann lebt er erst richtig auf. Jemanden langsam zu Tode quälen, bereitet ihm offensichtliche Freude, weil er dabei seine Macht auskosten kann. Ein Ekelpaket! Erinnere dich an den alten Ritter Grumbach. Er hat ihn auf einem Rad annageln lassen und dann vierteilen. Einmal soll er einen Kammerdiener aus dem Fenster der Wiener Hofburg geworfen haben, weil ihn der Einfaltspinsel von der Lehre Calvins überzeugen wollte. Obwohl er von seinem Bruder Moritz volle Kassen übernommen hatte, behauptet er, sparen zu müssen und kein Geld zu haben. Deshalb ist Alchimie seine Lieblingsbeschäftigung. Stundenlang laboriert er in der Festung Stolpen, um Gold zu machen und dereinst sogar den Stein der Weisen. Abergläubisch ist er." Der Bischof griff erneut nach dem Weinglas."Jeder, der Geld ins Land bringt, ist willkommen. Aber jeder, der seinen Plänen entgegensteht, wird öffentlich gefoltert oder verfault in einem seiner zahllosen Verliese. Seiner Einbildung nach hat ihn Gott persönlich auf den Kurfürstenstuhl gesetzt. Sein größter Wunsch ist es, daß ihm der Kaiser die Hausmacht erweitert. Dazu duldet er in seiner Nähe jeden, der ihm nützlich sein könnte, gleich, was er denkt oder woher er kommt. August hofft so, eine holländische oder englische Entwicklung zu verhindern."

      " Da liegt unser Angriffspunkt", stellte Querini sachlich fest. "und warum verbündet er sich nicht mit seinen protestantischen Glaubensgenossen gegen den Kaiser?"

      "August ist kein Moritz! Er fürchtet, sich dem Schwächeren anzuschließen. Am Ende müßte er die Ländereien des Meißner Hochlandes einschließlich der Burg Stolpen herausgeben. Und gerade die Festung Stolpen ist seine Lieblingserwerbung."