Wilhelm Kastberger

Zwischen Heinrich und Jeanniene


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drängen, um wenigstens für Bruchteile einer Zeit einen völligen Überblick über den gut beleuchteten Bildschirm erhaschen zu können. Für mich war das Folgende reine Routine. Ich tat so, als müsste ich auch eine Fahrkarte lösen und wartete hinter ihr, bis sie ihre Fahrkarte zwischen den Fingern ihrer linken Hand festhielt.

      Zum Glück sah sie mich nicht oder erkannte mich nicht oder sie wollte mich nicht erkennen. Jedenfalls wusste ich dann, wann und vor allem wohin ich gleich fahren werde. Auf der Zugfahrt beobachtete ich sie nicht. Ich bin ja nicht neugierig, das weißt Du ja inzwischen. Nur am Zielbahnhof verhielt ich mich entgegen meinen sonstigen Gewohnheiten abwartend und etwas ungeduldig. Das schon. Ich wollte ja die ganze lange Fahrt nicht aus Jux und Tollerei machen.

      Stell Dir das vor! Ich habe sie observiert. Schlussendlich wollte ich halt wissen, was nun weiter geschehen wird. Bitteschön das hat selbstverständlich mit ausgeprägter Neugierde nicht im Geringsten etwas zu tun. Ich hatte nur die Absicht, meinen genetisch verunstalteten Forschungseifer etwas Nahrung zukommen zu lassen. Das war alles.

      Der Überraschungsmoment für mich jedenfalls fand am Bahnhofsvorplatz statt. Es war das fast gleichzeitige Zusammentreffen zwischen Jeannine Laube Moser ohne Bindestrich mit einer anderen Frau. Vielleicht war der marineblaue Haarteil ein weithin sichtbares Erkennungszeichen, weil der musste wahrscheinlich ununterbrochen vor dem rechten Auge hin und hergependelt sein. Das konnte ich allerdings nicht sehen, weil ich blöderweise einige Meter hinter meiner Mitreisenden und zwischen anderen Leuten mehr oder weniger eingekeilt gewesen bin.

      Anders kann ich mir das bei bestem Willen nicht erklären. Denn diese Frau ging schnurstracks auf Jeannine Laube Moser ohne Bindestrich zu, umarmte sie leicht, Bussi links und Bussi rechts und schon war ich geschäftig nahe an die beiden herangekommen. Einige Wortfetzen konnte ich zum Glück, trotz der lauten Umgebung am Bahnhofsvorplatz, doch noch mithören.

      „Hallo Cornelia ich freue mich …"

      „Oh Jeannine, mein seniler Dreifuß zuhause wird Augen machen …“

      Oder so ähnlich.

      Die zwei Frauengestalten bewegten sich weg von mir und ich bekam dann nichts mehr von ihrem Gespräch mit. Ich drehte mich um und ließ mich wieder zwischen den herumstehenden Ankömmlingen oder Verreisenden einklemmen. Gleich darauf sah ich, wie die beiden Arm in Arm, aber immer noch in Gesprächen vertieft, zum Taxistandplatz hin schwebten und dort in die erst beste Limousine eingestiegen sind. Weg waren sie.

      Wenn ich es mir recht überlege, dann passen die Zwei ganz gut zusammen. Vielleicht haben sie dieselben Interessen und gehen gemeinsam in Schönheitsfarmen shoppen oder durchwühlen dort die Angebote in den reichlich vorhandenen Ersatzteillagern. Wer weiß das schon!

      Das ist boshaft von mir. Ich weiß es. Deshalb nehme ich die letzte Bemerkung wieder zurück. Obwohl ich …

      Maximilian Graf erfüllte seinen Vertrag, den er einst im blumigen Doppelbett in Salzburg mit Mariella Nadja Todorova geschlossen hatte. Zunächst in vollster Zufriedenheit der Dame und das sollte doch einige Zeit anhalten. Mittlerweile dürfte er wohl mit allen erdenklichen Annehmlichkeiten und eben halt auch der dazugehörenden Aufmerksamkeit, wie Außenstehende es rundweg beobachten durften, von ihr belohnt worden sein.

      Mariella Nadja Todorova war damals ein paar Tage nach der Prämieren-Feier frühzeitig von Salzburg wieder nach Bulgarien abgereist. Sie musste sich angeblich dringenden Aufgaben rund um ihr Blütengartenmeer widmen. In Wahrheit dürfte sie Vorbereitungen in die Wege geleitet haben, um ihren neuen Freund und Partner standesgemäß empfangen zu können.

      Es war ja absehbar, dass Maxl erst vier Monate später, und zwar am Freitag den 20. Dezember 2013, mit Sack und Pack nachkommen konnte, um im Schloss seiner Geliebten einzuziehen. Zuvor musste er ja seine Zelte in Deutschland, was immer man darunter auch verstehen mag, zumindest vorübergehend abbrechen. Das war nicht das besonders Schwierige daran, weil so riesengroße Zelte waren es dann ja auch wieder nicht.

      Nach dem er hier und dort, so gut wie halt nur möglich, Ordnung in seine Geschäftssysteme gebracht hatte, stand einer Übersiedelung in das für ihn noch fremde Land nichts mehr im Wege. Seine stillen Teilhaber, eigentlich waren es mehrheitlich Teilhaberinnen, die ohnehin in halb Europa für ihn unterwegs waren, zeigten Verständnis. Die Handvoll Leute konnten ja ihren Job, auch ohne ständig von ihm überwacht werden zu müssen, mit Leichtigkeit bewältigen.

      So gesehen kam der Ortswechsel für ihn gar nicht ungelegen. Im Laufe der letzten Jahrzehnte hatte er schon viele Male seine Bleibe verlassen. Ob nun freiwillig oder nicht, das war letztendlich auch egal. Nur dieses Mal war die Liebe mit im Spiel. Hier galt es eben auch die mitdazugehörenden Spielregeln, vielleicht auch nur dem Scheine nach, einzuhalten.

      Neidvolle Beobachter würden aus einer zeitlichen Entfernung den Schluss gezogen haben, dass der Graf Maxl mehr oder weniger einen Knebelvertrag mit der Dame eingegangen ist. Ähnliche Erkenntnisse stellten sich auch bei ihm nach einigen Wochen Enthaltsamkeit von seiner Fürstin heraus. Am Ende des Tages rechnete er sich doch größere Vorteile für sich und für seine buchstäblich laufenden Geschäfte aus.

      Graf Maxl verspürte im wohl vertrauten Land, wo er noch war, kaum anstrengende nervenbelastende Veränderungen bei sich. Er hatte keine Ahnung, was in seinem zukünftigen Leben in diesem wohl für ihn fremden Land anders werden sollte. Noch nicht! Später einmal wird er sich entsinnen, dass er diesen bewegenden Schritt im Hotel nur seiner ungebrochenen, allerdings auch selten genug aufbäumenden Willensstärke zu verdanken hatte.

      Im Selbstbelügen war er unübertroffen.

      So schickte er nicht nur einen zwölf Meter langen Container, vollgepackt mit Übersiedlungsgut mit einem Sattelzug auf die Reise, sondern auch noch drei seiner langjährigen engsten Mitarbeiter. Die drei Männer im Alter zwischen vierzig und fünfzig Jahren konnte er nur mit seiner charmanten Überredungskunst und mit einer wohlklingenden finanziell abgesicherten Zukunftsperspektive für einen radikalen Ortswechsel gewinnen.

      Davon setzte er zwei seiner engsten Vertrauensleute beizeiten, selbstverständlich in Absprache mit Mariella Nadja Todorova, als Organisatoren im Blütengartenmeer ein. Dieser wichtige, geschäftsnotwenige Bereich wurde offenbar jahrelang ungewöhnlich stiefmütterlich von der Schlossherrin behandelt. Viele der schriftlichen Unterlagen fehlten einfach. Andere wiederum wurden verschlampt oder in Kartons und Schubkästen eingelegt oder gänzlich unüberschaubar, beziehungsweise keineswegs nachvollziehbar, abgeschlossen.

      Die zwei von Mariella Nadja Todorova eingestellten Vorarbeiter, nämlich der Adam und der Bohdan, taten zwar mehr oder weniger ihre Pflicht am Feld, aber für Administrationsaufträge fehlte ihnen schlicht und ergreifend das Knowhow. Und diesen Part übernahm dann einer von Maxl´s Leuten, und zwar der Roberto.

      In all den Jahren lasteten sämtliche, sogar die einfachsten Administrationsarbeiten, zum Beispiel die Bestellungen von Waren aller Art, die Entlohnungen sämtlicher Mitarbeiter und tausend anderer Dinge mehr, auf den keineswegs zu schmalen Schultern der Blütengartenmeerbetreiberin.

      Dass sie selbst mit Schaufeln sowie mit dem Schmutz Erde, selbstverständlich auch mit den Pferden, nicht umzugehen wusste, war ja kein gravierender Beinbruch. Dafür hatte sie ja jede Menge an Arbeitskräften. Diese Leute wurden ja zu diesem Zweck angestellt, dass sie das Landgut und vor allem das Blütengartenmeer nach den Vorstellungen von Mariella Nadja Todorova gestalteten und entsprechend ausschmückten.

      Mariella Nadja Todorova hatte von Anfang an wenig bis gar kein Einfühlungsvermögen im Umgang mit der Zettelwirtschaft. Ja vielleicht ein bisschen. In all den Jahren verbrauchte sie doch etliche Bleistifte und leere karierte Blöcke, um ihre Büroarbeiten einigermaßen zu erledigen. Vor den heutzutage obligaten Textverarbeitungsprozessen auf ihrem beinahe schon museumsreifen Computer hatte sie gehörigen Respekt.

      Das hatte zum Glück ein Ende. Gleichzeitig aber auch einen guten Anfang.

      Denn seit der Maxl bei ihr auch auf dem Gebiet das Sagen übernommen hatte und er wiederum Befehle an den Roberto weiterzugegeben pflegte, der ein wirkliches Organisationstalent war und sich in der EDV bestens auskannte, da lief der Laden wie am sprichwörtlichen