er Zeit. So bleibt die Befragung unvollständig. Auch unsere Vertreibung aus Jaipur ist auf den Weg gebracht. Mathur hat auch meine Gehälter gestoppt.
Ich nehme mir Zeit, das allererste Schreiben von König genau zu lesen. Aber hier ist zunächst der komplette Text des Schreibens:
„Köln, den 30. 1. 1967, besten Dank für Ihren Brief vom 17. 1., den ich, da eilig, sofort beantworte. Anbei finden Sie die Kopie des Briefes, den ich soeben an den Vice Chancellor, Mathur gerichtet habe, und hoffe, daß er die entsprechende Wirkung ausübt. Im übrigen würde ich empfehlen, sich besser mit Dr. Unnithan zu stellen. Ich finde es nur richtig, daß Sie ein acknowledgement seiner Hilfe geben, denn schließlich ist er ja Chairman des Departments, in dem Sie jetzt arbeiten, und es ist absolut üblich, diese Hilfe des Chairman anzuerkennen. Ich habe das Gefühl, daß Sie sich völlig überflüssigerweise in eine Situation manövriert haben, in der Sie nichts als Schwierigkeiten haben werden. Nur schnell diese paar Zeilen. Beide Briefe gehen eingeschrieben, damit sie auch ankommen. Mit allen guten Wünschen und den herzlichsten Grüßen, auch an Ihre Frau, bin ich stets Ihr Prof. Dr. René König.“
Ich kann beim besten Willen den Text nicht nachvollziehen. Wie kommt er dazu:
„Ich finde es nur richtig, daß Sie ein acknowledgement seiner Hilfe geben, denn schließlich ist er ja Chairman des Departments, in dem Sie jetzt arbeiten, und es ist absolut üblich, diese Hilfe des Chairman anzuerkennen.“
Wenn er wirklich auf mein Schreiben vom 17. Januar antwortet, muß er doch gelesen haben:
„Dr. Unnithan, der unbedingt seinen Namen als Autor in unseren Untersuchungen haben wollte, ist nun wütend, daß wir ihm das nicht gestattet haben. Er versucht nun mit allen Mitteln, sehr gemeinen und sehr unakademischen Mitteln, die Untersuchungen zu stoppen.“
Dann schreibt er:
„Ich habe das Gefühl, daß Sie sich völlig überflüssigerweise in eine Situation manövriert haben, in der Sie nichts als Schwierigkeiten haben werden“.
Wie kommt er zu diesem Gefühl, wenn er tatsächlich meine bisherigen Mitteilungen, genau gelesen hat? Auch Fröhlich und Sack haben diese Mitteilungen gelesen. Deren Reaktionen, die ebenfalls hier dokumentiert sind, können wir nachvollziehen. Nicht aber dieses Schreiben Königs. Wenn er meine Berichte nicht gelesen hat, wie kommt er zu der bemerkenswerten Einschätzung, „daß Sie sich völlig überflüssigerweise in eine Situation manövriert haben“? Dieses Schreiben erinnert mich an sein unpassendes, komplett aus dem Rahmen fallendes Schreiben vom 25. Januar 1966. Damals hatte ich den Einfluß von Königs neuem „Herrn Kollegen“, Scheuch, vermutet. Auf wessen Einfluß geht diese merkwürdige, eher diplomatische Redewendung „völlig überflüssigerweise“ zurück?
Fritz Sack reagiert schnell am 17. Februar, als er unser Schreiben vom 9. Februar erhält:
„Lieber Khokon, ich habe gestern Deinen Brief erhalten und möchte Dir schnell in aller Eile nur drei Begleitzeilen zu den anliegenden Fotokopien senden. Professor König hat sofort geschrieben, als Du ihn darum batest. Als Dein Telegramm ankam, war der Brief schon mehrere Tage an Dich unterwegs und wir sahen uns nicht veranlaßt, darauf noch besonders zu reagieren. Das wäre ja wirklich eine unerhörte Schweinerei, wenn man Dir Post von Professor König unterschlagen hätte. Das ist ja wirklich schlimmer als der hinterste Winkel des Balkan im größten Durcheinander der K+K–Donaumonarchie. Ich schreibe bald mal mehr. Viele Grüße, auch von meiner Frau, an Euch beide, Dein Fritz.“
Im Gegensatz zu König schreibt er noch ganz normal. Ich muß mir schmählich eingestehen, daß ich als promovierter Sozialwissenschaftler der Kölner Universität nicht gewußt habe, was „proper channel“, der Dienstweg, wirklich bedeutet. Dies sagt sicherlich etwas aus über meine Blindheit, aber auch über die Qualität meiner Ausbildung als Sozialwissenschaftler. In Jaipur habe ich Gelegenheit, durch die Praxis meine mangelhafte Ausbildung zu vervollständigen. Ich kann gegen die Entbindung meiner Dienstpflichten nur durch „proper channel“ etwas unternehmen. Ich blättere in den Statuten der Universität nach. Ich lerne: Widerspruch beim Vice Chancellor gegen die Verfügung vom Registrar, Appell an das Academic Syndicate, wenn dem Widerspruch vom Vice Chancellor nicht abgeholfen wird, Appell an den Chancellor wenn der Appell an Syndicate nicht gefruchtet hat, Appell an den Visitor, wenn der Chancellor dem Appell nicht statt gibt. Erst danach wird der Weg an das ordentliche Gericht frei. Von RUTA (Rajasthan University Teachers’ Association) erfahre ich, daß der „proper channel“ länger ist als die maximale Zeit, die mir zur Verfügung steht. Ich erfahre von einem Fall, der mir Anschauungsunterricht geben soll:
Mohan Sinha Metha als Vice Chancellor entläßt einen College–Principal (praktisch ein Rektor) wegen politischer Differenzen. Ohne Angabe von Gründen. Schon vor fünf Jahren. Der Entlassene legt Widerspruch beim Syndicate ein. Metha sorgt dafür, daß der Widerspruch nicht auf die Tagesordnung kommt. So ist sein Weg zum ordentlichen Gericht versperrt. Auch Mathur setzt ihn nicht auf die Tagesordnung. Im Augenblick sitzt sogar die Ehefrau des Entlassenen im Syndicate. Dennoch wird sein Widerspruch nicht auf die Tagesordnung gesetzt. RUTA rät mir, auf jeden Fall einen Rechtsanwalt zu nehmen und vielgleisig zu verfahren. Diesem Rat folge ich und verdränge vorläufig das verantwortungslose Schreiben Königs.
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Zwischen dem 11. und 28. Februar sehen wir uns vor vier verschiedene Aufgaben gestellt. Gegen die Entpflichtung auf allen Ebenen vorgehen, möglichst zeitgleich die Befragung der Lehrenden durchziehen, die Protokollsammlung (Minutes of the Universitity) vervollständigen und immer, wenn Zeit dazu ist, darin lesen und uns organisatorisch ausrüsten, unsere Befragungen an der Universität Delhi durchführen. Auch ohne daß König an den entsprechenden Personen geschrieben hatte, wie ich ihn in meinem Schreiben vom 17. Januar dringend gebeten hatte, haben wir von der Universität Delhi die Nachricht, daß wir bis zum 15. März willkommen seien. Trotz unserer miserablen Finanzsituation entscheiden wir, uns wie so häufig in Köln selbst auszubeuten und uns die sich bietende Möglichkeit in Delhi nicht entgehen zu lassen. Denn ein unerwarteter Umstand ist eingetroffen.
Natürlich wissen unsere Freunde in Deutschland, daß es uns finanziell dreckig geht. Wegen der Vollbeschäftigung durch die Auseinandersetzung kann ich die Angebote des WDR nicht wahrnehmen. Die Quelle der zusätzlichen Einkünfte ist versiegt. In absehbarer Zeit sehe ich auch keine Möglichkeit, meine publizistische Tätigkeit aufnehmen zu können. In einem Schreiben im Februar teilen Roshan und Regie mit, daß wir im Notfall uns an „Micky“ in Bangalore wenden könnten. Ob wir uns an Micky noch erinnern würden? Micky ist ein Colonel der indischen Army. Er ist auf Besuch in Europa. Wir wissen nicht mehr genau den Zusammenhang. Wir trafen ihn bei Roshan und Regie in Düsseldorf. Ein lustiger Mensch, aber englischer als die Engländer. Roshan glaubt, im Notfall würde Micky sicherlich kurzfristig einspringen. Also schreiben wir an Micky und erzählen, was uns so widerfährt. Er ist sofort hilfsbereit. Er will uns monatlich 1200,- Rs. überweisen. Er möchte gern das Geld von uns in Europa zurück haben, was de facto ein gesetzwidriger Devisentransfer wäre. Dies ist der einzige „Deal“, den wir während unseres Aufenthaltes außerhalb der Legalität getätigt haben. Aber dieser Umstand erleichtert uns die Selbstausbeutung. Und wir fahren nach Delhi. Davor erledigen wir in Jaipur alles, was erledigt werden mußte.
Also lege ich Widerspruch gegen die Entpflichtung bei dem Registrar, bei dem Vice Chancellor und beim Academic Syndicate ein. Zeitgleich. Zwei einflußreiche Mitglieder des Syndicates, die Professoren Heilig (der bereits erwähnte deutsche Arzt) und Pande (Historiker), erhalten Vorauskopien. Ich mache Eingaben an RUTA und an den „Chancellor“ der Universität, der auch der Gouverneur des Bundesstaates ist. Mein Rechtsanwalt will von dem Vice Chancellor die Gründe für meine Entpflichtung genannt wissen und setzt eine Frist von 24 Stunden (als Vorbereitung für eine einstweilige Verfügung gegen die Entpflichtung). Er entwirft auch eine ergänzende Begründung für meinen Widerspruch beim Syndicate.
Wir kämpfen nun um die Zulassung der Lehrendenbefragung durch die Universitätsleitung, was der Vice Chancellor uns übel nimmt und dazu führt, daß er seinen Registrar beauftragt, per Rundschreiben bekanntzumachen, daß wir für die Durchführung der Befragung nicht legitimiert sind. Unnithan startet eine Kampagne, daß die Befragung